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Flohmarkt
ОглавлениеSamstagvormittag. Ein super sonniger Frühlingstag. Lisa hat ja gesagt. Ich hole sie ab. Wir laufen zum Mainufer. Unter den Platanen sind die Stände aufgebaut. Ich liebe die Frühlingssonne auf Lisas Gesicht. Heute ist ein guter Tag.
Lisa trägt heute ein buntes T-Shirt und einen weißen Rock mit roten Punkten. Früher hat sie sich ja mehr wie ein Junge gekleidet. Aber in der letzten Zeit wird sie mehr und mehr zur Dame. Sehr schön.
„Schau mal. Steht mir dieses Tuch?“ Lisa greift nach einem wild bunten Seidentuch und legt es sich um den Hals. „Soll ich mir das zulegen? Damit könnte ich als späte Janis Joplin durchgehen.“
„Janis wer?“ Ich verstehe nicht.
„Das war eine Sängerin, damals, als die Leute noch auf Pferden durch den Wilden Westen ritten. Macht nichts, wenn du sie nicht kennst.“
„Die Stadtratten sind im Moment sehr angesagt.“
„Echt jetzt? Woher kennst du die denn? Ich dachte, sowas hörst du gar nicht.“
„Doch. Kenne ich. Ihr neuester Song heißt Die Antwort und wurde auf dem Schulfest zwei Stunden lang rauf und runter gedudelt.“ Ich richte mich auf und stelle mich ganz gerade vor Lisa. Sie denkt, ich höre nur die Sticks mit den Hits von den New Romantics, die Papa noch von früher hat.
„Ey, Lars. Du bist angekommen im Frühjahr 2036. Respekt, Respekt.“ Lisa klopft mir anerkennend auf die Schulter und grinst mich breit an.
Die Leute drängeln sich zwischen den Flohmarktständen. Briefmarken. Münzen. Kleider. Bücher. Alte Elektronikartikel. Smart-Glasses. Da liegen sogar noch Mobiltelefone. Mannomann.
Ein zwielichtiger Typ spricht Lisa an: „Na? Willste ‘ne Tüte mit ‘nem Hirnhammer?“
„Nee, Mann. Zieh‘ die dir mal schön selbst rein.“ Lisa schiebt mich von dem Typ weg.
„Was wollte der, Lisa?“
„Der wollte uns was zu rauchen geben. So fängt es immer an. Dann kommen kleine bunte Pillen dazu. Bis hin zu härterem. Ich bin strikt dagegen, seit mir Papa die Ausnüchterungszelle im Diakonissenkrankenhaus gezeigt hat. Die ist gefliest wie’n Tigerkäfig im Zoo. Morgens wird sie mit dem Wasserschlauch ausgespült.“
„Ausgespült? Von was?“
„Kotze, Kacke. Die ganze Batterie. Ich bin gegen Drogen. Fang‘ damit gar nicht erst an, Lars. Das musst du mir versprechen.“
Jetzt klingt Lisa wie eine große Schwester. Ich weiß nicht, ob ich das gut oder schlecht finden soll. Gut finde ich, dass sie sich um mich sorgt. Schlecht finde ich, dass das so ein Gefälle in unserer Beziehung aufbaut. Ich will nicht ihr kleiner Bruder sein. Aber woher soll sie das auch wissen? Ich habe ihr noch nicht gesagt, dass ich auf sie stehe. Sie weiß nichts von meinen Gefühlen. Ich muss es endlich sagen. Aber in diesem Gedränge geht einfach gar nichts.
„Sag mal, Lisa. Wollen wir aufs Restaurantschiff? Ich bekomme Hunger.“
„Ja. Warum nicht? Ich könnte jetzt auch etwas essen.“
Wir gehen die Treppe hinunter zur Mainpromenade. Über den Steg gehen wir auf das Schiff. Wir haben Glück. Zwei Plätze sind noch frei.
„Ich weiß noch, wie wir hier als Kinder mit unseren Eltern gegessen haben. Kannst du dich auch erinnern, Lars?“
Wie könnte ich das vergessen? Einen Moment denke ich an Mama. Sie war immer so schön neben Papa. Mama war die schönste Frau der Welt. Lisa ist die Einzige, die es mit ihr aufnehmen kann. Einen Moment werde ich sehr traurig. Ein oder zwei Tränen wollen aufsteigen und ich bekomme plötzlich einen Kloß im Hals. An etwas anderes denken. Ich will an etwas anderes denken. Ich will jetzt nicht weinen. Ich nicke. „Ja, Lisa. Ich erinnere mich.“
„Bestellen wir Frankfurter Schnitzel mit Grüner Sauce und Bratkartoffeln?“
„Ja. Wie immer. Zwei Portionen. Und für jeden eine große Cola.“
Lisa winkt dem Ober zu und bestellt für uns.
Am Nachbartisch wird es laut. Zwei Männer stehen auf. Der eine packt den anderen am Kragen. „Mache das nie wieder!“, schreit der eine. Komische Stimmung. Sie nehmen wieder Platz. Der Schreihals greift wieder zum Besteck und schaufelt sich sein Essen rein. Der andere tut so, als sei nichts passiert. Zwei Frauen sitzen auch dabei. Eine ist knallrot im Gesicht. Die andere schaut weg – in Richtung Main.
Irgendwie passt die Atmosphäre hier nicht zu meinen zarten Gefühlen. Ich bringe kein Wort über die Lippen. Meine Liebe bleibt heute noch unausgesprochen. Es wird sich bestimmt eine bessere Gelegenheit ergeben. Ganz sicher.
Unser Essen kommt schon zusammen mit den Getränken. Das ging jetzt wirklich schnell. Ich würde Lisa am liebsten ununterbrochen anschauen. Aber wenn ich sie dann anschaue, dann muss ich schnell wegschauen, weil sie so unendlich schön ist. Ich bekomme dann immer Herzklopfen.
Ich lasse mir nichts anmerken. Und esse.