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Der Pentaquark-Ring
ОглавлениеWir nehmen ein Taxi zum Haupteingang des CERN in Meyrin. Die Gebäude wirken schlicht und nüchtern. Es sieht fast ein bisschen langweilig aus. Die Architektur lässt sich mit dem Zentrum für Nanowissenschaften in Tel Aviv nicht vergleichen.
Da fällt mein Blick auf ein interessantes Gebäude, das besonders heraussticht. „Was ist das für eine Halbkugel, Jael?“
„Das ist der Wooden Dome. Hier finden Veranstaltungen und Ausstellungen statt. Wir fahren aber gleich weiter zum Pentaquark-Ring, Lars.“
Vor einem unscheinbaren, kleinen Gebäude bleiben wir stehen.
„Ist in diesem Gebäude der Pentaquark-Ring? Ich hatte es mir größer vorgestellt.“
„Der Pentaquark-Ring liegt gute zwanzig Meter unter der Erde und besteht aus einem zwanzig Kilometer langen Ringtunnel. Der Pentaquark-Ring ist etwas kleiner als der Large Hadron Collider.“
„Müssen wir unter die Erde?“
„Ja. Dieser Aufzug fährt uns nach unten. Komm, Lars.“
Wir besteigen einen Fahrstuhl. Sanft setzt er sich auf dem Weg nach unten in Bewegung.
„Ich wundere mich, dass es nicht genügt, mir die Sensorbilder von euren Experimenten zu senden, Jael.“
„Wir sehen während der Durchführung der Kollisionen etwas sehr Myteriöses auf den Sensoren, das dann aber in den Aufnahmen, die wir anfertigen, unsichtbar bleibt.“
„Und was seht ihr da?“
Inzwischen sind wir im zwanzig Meter unter der Erdoberfläche liegenden Ringtunnel angekommen. Wir verlassen den Fahrstuhl.
Jael schaltet die Lichter ein und schaut mir direkt in die Augen. Sie spricht ganz leise. „Wir sehen auf unseren Sensoren etwas wie einen Schatten. Es hat weder Masse noch Ladung.“
„Wie könnt ihr es nachweisen, wenn es weder Masse noch Ladung hat? Welche Eigenschaften hat das Phänomen dann überhaupt?“
„Sieh es dir selbst an, Lars.“
Jael schaltet das System ein. Ein leises Surren ertönt. „Ich löse jetzt eine Kollision im Teilchenbeschleuniger aus. Achte genau auf den Detektor. Es ist nur sehr kurz zu sehen. Und es gelingt uns nicht, es im Datenspeicher zu halten.“ Jael drückt einen Knopf. Ein leises Zischen ertönt.
Die Teilchenkollision erzeugt ein buntes Bild. Jael erklärt mir, was wir sehen. „Zentral ist eine rote Punktwolke. Sie ist der Ort der eigentlichen Kollision. Und hier siehst du am Rand weitere Wolken und schleifenförmige Bewegungen der Pentaquarks. Farbe und Position sagen etwas über Ladung und Masse der Teilchen.“
„Und was wolltest du mir zeigen?“
„Auf dieser Aufnahme ist es nicht mehr zu sehen. Du musst sehr konzentriert im Moment des Aufpralls auf den Detektor schauen. Im Datenspeicher bleibt das Phänomen unsichtbar.“
„Na gut. Löse noch eine Kollision aus.“
Jael drückt den Knopf. Wieder ein leises Zischen. Ich sehe etwas über den Schirm huschen. „Da war etwas. Es flog von der Mitte zum linken Rand fort.“
„Ja, Lars. Und nun zeige ich dir die Aufnahme. Siehst du? Es ist keine Spur von der Mitte zum Rand mehr sichtbar.“ Jael zeigt mir das Bild im Speicher des Detektors.
Ich schüttele den Kopf. „Kannst du es mir noch einmal vorführen?“
Jael betätigt erneut den Knopf. Zischen. Dann die Kollision. „Diesmal huschte es von der Mitte zum rechten Rand fort. Ich wundere mich, wie auf den Sensoren etwas zur Abbildung kommen kann, das keine Masse und keine Ladung hat.“
Sie schaut mich ratlos an. „Wie wollen wir weiter vorgehen?“
Ich kratze mich am rechten Ohr. „Wenn es keine Masse und keine Ladung hat, dann ist es vielleicht reine Information.“
„Aber Lars, kann Information auch unabhängig von Materie bestehen? Unabhängig von Masse und Ladung? Information braucht doch ein Trägermedium.“
„Vielleicht entdecken wir hier etwas Neues. Etwas, was unabhängig von Materie existiert.“
„Reine Information…“ murmelt Jael. „Was machen wir jetzt?“
„Lass uns mal an die frische Luft gehen. Ich kann mich hier in diesem dunklen Keller nicht konzentrieren.“
„Gut, Lars. Willst du mit mir in den Wooden Dome gehen? Dort habe ich einen Konferenzraum für uns gebucht.“
„Ja. Und dann fällt uns vielleicht ein, wie wir weiter vorgehen könnten. Vergiss nicht unser Essen und unsere Thermoskanne.“
Jael packt beides wieder ein. Wir fahren mit dem Fahrstuhl nach oben und treten hinaus ins Licht.