Читать книгу Wie alle Völker ...? - Reiner Bernstein - Страница 13

Chancenlose Teilungspläne

Оглавление

Nach Berechnungen der 1937 von den Briten eingesetzten Kommission unter Leitung von Earl William Wesseley Peel (1867 – 1937), dem einstigen „Secretary of State for India“ und Lordsiegelbewahrer, hätte im Falle der Teilung des Mandatsgebiets in zwei Souveränitäten die arabische Bevölkerung in einem „jüdischen“ Staat mit 225.000 Personen fast die Hälfte ausgemacht, während im arabischen Staat lediglich 1.250 Juden gelebt hätten. Neun Jahre später lehnte es Albert Hourani (1915 – 1993) vor dem „Anglo-American Committee of Inquiry“ ab, die Hauptlast des jüdischen Flüchtlingsproblems aus Europa den Arabern aufzubürden: Die „einzige gerechte und praktikable Lösung“ lag für den einflussreichen Historiker in der Umwandlung Palästinas in einen sich selbst regierenden Staat mit einer arabischen Mehrheit bei vollen Rechten für die jüdische Minderheit. Für Edward (Edouard) Atiyah (1903 – 1964), den Leiter des Arabischen Büros in London, war dagegen ein Abkommen „unmöglich“. Zwischen beiden Fronten gab es keinen Kompromiss, bedauerte Buber. Auch nach Ansicht von Abd‘ Al-Qadir Husseini (1910 – 1948) war es unvorstellbar, dass Palästina gleichzeitig den Arabern und den Zionisten gehöre: „Entweder wir kommen siegreich aus dem Krieg heraus, oder wir sterben alle.“ Hussein war Kommandeur der „Heiligen Djihad“-Einheit während des arabischen Aufstandes seit 1936 und kam am 08. April 1948 beim Gefecht mit der Eliteeinheit der „Haganah“, den „Palmach“, im Dorf Al-Qastel („Al-Qastal“) ums Leben. Am darauffolgenden Tag wurde er in Begleitung einer in die Tausende gehenden Trauergemeinde auf dem „Haram Ash-Sharif“ („Nobles Heiligtum“) in Jerusalem begraben. Auch der Generalsekretär der Arabischen Liga Abdul Rahman Hassan Azzam (1893 – 1976) begehrte auf:

„Die allein praktische und [politisch] einzige Lösung ist die Errichtung eines Staates unter arabischer Herrschaft, in der die Juden eine Minderheit bilden.“

Als am Abend des 29. November 1947 die UN-Vollversammlung mit 33 gegen 13 Stimmen bei zehn Enthaltungen25 in der Resolution 181 erneut die Teilung zur Schaffung eines „jüdischen“, eines „arabischen“ Staates und eines „Corpus separatum“ für Jerusalem und Bethlehem beschloss, lebten gemäß der Zählung vom Dezember des Vorjahres 1.364.000 Araber und 608.000 Juden in Palästina. Im „jüdischen“ Staat hätten rund 400.000 Araber und 500.000 Juden gewohnt, im „arabischen“ Staat etwa 820.000 Araber und weniger als 100.000 Juden, in der Enklave 105.000 Araber und 100.000 Juden. Die zionistische Seite akzeptierte den Vorschlag als „ultimate minimum“, die arabische Seite bezeichnete ihn und das britische Mandat insgesamt als ungültig. Die palästinensische Führung wurde von beiden Parteien in die Konsultationen nicht einbezogen; Musa Alami (1887 – 1984), aus einer der reichsten Familien Jerusalems stammend und Rechtsberater Londons, hatte dafür gesorgt, dass Amin Al-Husseini von der Mitwirkung in der arabischen Delegation in New York ausgeschlossen wurde. Nur die palästinensischen Kommunisten äußerten sich auf Geheiß Moskaus zustimmend, bis sie aus Sorge vor dem Druck der Straße ihr Einverständnis revidierten. Mit dem UN-Teilungsplan war zwar nach dem Peel-Bericht zum zweiten Mal die prinzipielle Legitimität der palästinensischen Ansprüche auf einen eigenen Staat anerkannt, doch blieb sie folgenlos.

Schuldzuweisungen und Rechtfertigungen meldeten sich umgehend zu Wort. Der palästinensisch-amerikanische Historiker Philip Mattar machte den Mufti für das Versagen verantwortlich. Ilan Pappe hielt Amin Al-Husseini fehlenden Pragmatismus vor, er habe die historische Chance verstreichen lassen. Der jordanische König Abdullah (1882 – 1951) wollte dem Mufti zuvorkommen und sich zumindest einen Teil des arabischen Teil Palästinas einverleiben; das Königreich der Haschemiten, deren Name auf die Familie des Propheten („Bani Hashim“) zurückgeht, zeigte kein Interesse an einem arabischen Staat im Westen. Daraufhin stimmte die „Jewish Agency“ mit Ben-Gurion an der Spitze der Arrondierung des größten Teils Cisjordaniens – der Westbank – durch die Haschemiten zu. Die Palästinenser hatten das Nachsehen. Einen Tag nach jenem 29. November 1947 referierte „Haaretz“:

„Die Annahme der Teilungsresolution seitens der Generalversammlung wurde von der jüdischen Gemeinschaft mit großer Freude aufgenommen, und Tausende gingen zum Feiern auf die Straße, obwohl absehbar war, dass die arabischen Staaten und die palästinensischen Araber mit einem unerbittlichen Krieg gegen die Realisierung des Plans eingreifen würden, einen jüdischen Staat zu schaffen.“

Am 04. April 1950 war der jordanische Anschluss förmlich vollzogen, wurde aber lediglich von Großbritannien und Pakistan anerkannt. Der Politologe Ehud Sprinzak (1940 bis 2002) hat erzählt, dass Arie Lova Eliav (1921 – 2010) als Generalsekretär der Arbeitspartei Minister präsidentin Golda Meir – die Hebraisierung ihres Ehenamens Meyerson war auf Ben-Gurions Anweisung erfolgt – um der nationalen Symmetrie willen eine zweite Balfour-Deklaration zugunsten der Palästinenser vorgeschlagen habe.


Albert Hourani (1915 – 1993). Der im Libanon geborene Christ war einer der bedeutendsten arabischen Historiker. Hourani lehrte in Oxford, Harvard und Chicago.

Der in Harvard tätige Historiker Walid Khalidi hat die Balfour-Deklaration als das destruktivste politische Dokument des 20. Jahrhunderts für den Nahen Osten abgetan; für ihn war der Teilungsplan kein legitimer Kompromiss. Sein ferner Verwandter Rashid Khalidi – auch diese Familie führt ihre Ahnenreihe auf den Propheten zurück – bezeichnete sie „aus der Sicht ihrer Opfer“ als „eine Pistole, die direkt auf die Köpfe der Palästinenser zielt“. Ebenfalls im Rückblick bescheinigte Arnold Toynbee (1889 bis 1975) seiner Exekutive in London „einen schrecklichen Mist“. Dass die arabische Seite damals über keine politischen Erfahrungen verfügte, war für ihn „Teil der Monstrosität der ganzen Angelegenheit“. Toynbee bescheinigte dem Theologen, Juristen und Diplomaten Yaacov Herzog – Sohn des Oberrabbiners Isaac Halevy Herzog (1888 – 1959) in der Nachfolge von Abraham Isaac Hacohen Kook (1865 – 1935) –, dass der Staat Israel das Judentum „wie ein Auto enteist“ habe, der seit 1948 in eine einzigartige Erfolgsgeschichte eingemündet sei und damit die Theorie vom Volk, das im Nahen Osten allein wohne, bestätigt habe. Mit seinen „historischen Antennen“ verstand Toynbee die jüdischen Bande für Jerusalem.

Der Wirtschaftswissenschaftler David Werner Senator (1896 bis 1953), der sich 1913 in Berlin der Zionistischen Organisation angeschlossen hatte und 1924 nach Palästina gekommen war, schrieb im Dezember 1945 an Chaim Weizmann, dass die arabische Ablehnungsfront expandiere und sich bis zu einem Punkt versteife, wo sie zum Angriff übergehen werde: „Tatsächlich haben wir eine beträchtliche Zeit daran festgehalten, den arabischen Nationalismus zu unterschätzen, schrieb Senator. Genau zwei Jahre danach beschloss die Arabische Liga die Verteilung von 10.000 Gewehren, die Aufstellung von 3.000 Freiwilligen und die Bereitstellung von 1.000.000 £. Zu ihren Tagungen im Libanon und in Kairo wurde Amin Al-Husseini, den ein britischer Anwalt mit den „Protokollen der Weisen von Zion“ vertraut machte, auf Betreiben von König Abdullah und der irakischen Mission unter dem Vorwurf konspirativer Betätigung nicht eingeladen. Ben-Gurion reiste nach London, um die Briten zur Verlängerung ihres Mandats um weitere zehn Jahre zur bitten, weil er den „Yishuv“ für zu schwach hielt, arabischen Angriffen standzuhalten. Andererseits fühlte sich die jüdische Gemeinschaft militärisch stark genug, um eine irakische Kontrolle Syriens zu verhindern, an der auch Abdullah nicht interessiert war.

In ihrem ersten Bericht vom 16. Februar 1948 instruierte das „U.N. Special Committee on Palestine“ (UNSCOP) den Sicherheitsrat, dass „sich mächtige arabische Interessen innerhalb und außerhalb Palästinas der Teilungsresolution 181 widersetzen und sich offen dafür verwenden würden, mit Gewalt die in Aussicht genommene Regelung zu ändern“. Zuvor, am 31. August 1947, hatte UNSCOP in ihren Bericht die Beendigung des britischen Mandats, die möglichst schnelle Unabhängigkeit Palästinas, die Teilung des Landes in einen arabischen und einen jüdischen Staat, in denen die Rechte und Interessen der Minderheiten gewährleistet seien, eine Wirtschaftsunion sowie für Jerusalem ein entmilitarisiertes und neutrales „Corpus separatum“ unter internationaler Treuhandschaft empfohlen. Die ersten Schüsse fielen am 30. November auf eine jüdische Ambulanz auf der Fahrt zum „Hadassah“-Krankenhaus auf dem Mount Skopus. Zwischen dem 01. Dezember 1947 und dem 03. April 1948 wurden infolge der Unruhen 6.187 Tote gezählt. In der zweiten Darstellung vom 10. April 1948 ließ UNSCOP wissen:

„Die arabische Opposition gegen den Plan der (General-)Versammlung hat von Seiten starker arabischer Elemente innerhalb und außerhalb Palästinas die Gestalt organisierter Bemühungen angenommen, ihn zu verhindern und seine Ziele durch Drohungen und Gewalttätigkeiten einschließlich mehrerer bewaffneter Infiltrationen zu durchkreuzen.“

Ende April 1948 beschloss der Politische Ausschuss der Arabischen Liga die Vorbereitung der Intervention mit regulären Truppen. Der Generalsekretär der Arabischen Liga ließ keinen Zweifel daran, dass ein „Krieg der Auslöschung mit bedeutenden Massakern“ an den Juden bevorstehe, die jenen der Mongolen und der Kreuzfahrer gleichen würden. In der Nacht vom 14. auf den 15. Mai 1948 informierte Kairo den UN-Sicherheitsrat, dass Ägypten in Palästina „Recht und Ordnung“ schaffen wolle. Das Bild von den zwei Tankern, die aufeinander zufahren, erwies sich als haltlos. Abgesehen von der Kluft im kulturellen Code zwischen einem jahrtausendealten sesshaften Volk und einer Gesellschaft aus Einwanderern höchst unterschiedlicher Kulturen, war schon die Motivation, in den Krieg zu ziehen, keineswegs vergleichbar.

„Ich umarme meine Schwester und sage ihr, dass es hier Platz für dich gibt. Hier lieben wir dich. Für mich bist du schöner als jede Schönheit, heiliger als alles Heilige... Du wirst meine Braut sein, unsere Mutter. Vor diesen meinen Schwestern knie ich nieder, und wenn ich mich erhebe, fühle und weiß ich, dass ich für diese meine Schwestern stark und mutig bin, ich werde sogar grausam sein. Für dich – alles – alles“,

ließ der „Palmach“-Kommandeur Yitzhak Sadeh (1890 – 1952) in seinem Gedicht eine junge Frau wissen, der in einem deutschen Vernichtungslager die Worte „Nur für Offiziere“ auf ihre Hüfte eingebrannt waren und die über die illegale Einwanderung Palästina erreicht hatte. Der Schriftsteller S. Yizhar (1916 – 2006) schilderte in seinem Roman „Die Tage von Ziklag“ die schweren Kämpfe im Negev, die etliche Soldaten als glanzvolle Erfahrungen erlebten, während andere zur Tötung des Gegners aufriefen. Im britischen Militär dienten 12.000 Araber und 27.000 Juden aus Palästina. Israel verlor in seinem Unabhängigkeitskrieg 1.400 jüdische Bürger, darunter Überlebende des Holocaust, die kein Hebräisch sprachen und deshalb Befehle nicht verstanden, erinnerte sich Zeev Sternhell, der die Deportation in Frankreich überlebt hatte.

Der Streit ist müßig, ob Herzls Aufruf von 1896 oder der Holocaust für die Proklamation des Staates Israel verantwortlich sind. Für Hazony ist Israel der Gegenentwurf zu Auschwitz, gleichgültig ob seine Politik erfolgreich und moralisch in Ordnung sei. Unbestritten ist für ihn, dass Israel auf der Grundlage der europäischen Zivilisation entstand, also die sefardische Bevölkerungsgruppe daran keinen Anteil hatte. Rund 750.000 Palästinenser verließen ab Ende 1947 durch Flucht und Vertreibung ihre Heimat. 156.000 blieben im neuen Staat unter Militärverwaltung, die bis Dezember 1966 andauerte.

17 So US-Präsident Woodrow Wilson gegenüber Rabbiner Stephen Wise.

18 Isaac Epstein (1862 – 1943) kam 1886 mit finanzieller Unterstützung des Barons Edmond de Rothschild als Lehrer für landwirtschaftliche Angelegenheiten nach Palästina, bevor er in Safed, Rosh Pina und Metulla Lehrer wurde. Zwischen 1908 und 1915 leitete Epstein die Schule der „Alliance Israelite Universelle“ in Saloniki. 1907 setzte er sich in seiner Dissertation mit den jüdisch-arabischen Beziehungen in Palästina kritisch auseinander.

19 Lev. 19,33f.: „Wenn bei dir ein Fremder in eurem Land lebt, sollt ihr ihn nicht bedrücken. Der Fremde, der sich bei euch aufhält, soll euch wie ein Einheimischer gelten, und du sollst ihn lieben wie dich selbst. Denn ihr selbst seid Fremde in Ägypten gewesen. Ich bin der Herr, euer Gott.“

20 Henry Morgenthau war als Neunjähriger aus Mannheim mit seinen Eltern nach New York gekommen und stand dem Zionismus wohlwollend gegenüber, ohne selbst Zionist zu sein.

21 Stephen S. Wise (1874 – 1949) war Reformrabbiner und bekennender Zionist. 1936 gehörte er zu den Gründern des „World Jewish Congress“ im Kampf gegen Nazi-Deutschland. Aufgrund der Nachrichten aus dem „State Department“, die sich auf ein Telegramm von Gerhart Riegner (1911 – 2001), dem Sekretär des „Jüdischen Weltkongresses“ in Genf, beriefen, informierte Wise Ende November 1942 die US-Öffentlichkeit über die Mordaktionen in Ost-Europa. Die Resonanz blieb gering.

22 Auni Abd‘ Al-Hadi (1889 – 1970) galt als Vertreter des Emirs des Hedjas Hussein (1874 – 1931). Für ihn setzte Abd‘ Al-Hadi seinen Namen unter den Versailler Vertrag und erschien 1929 vor der Shaw-Kommission als einer der Anwälte der arabischen Palästina-Exekutive. Vorsitzender der zionistischen Palästina-Exekutive war der Brite Harry Sacher (1891 – 1971).

23 Am 03. März 1919 schrieb der saudische Prinz Faisal an Felix Frankfurter, Mitglied des Obersten Gerichtshofs, dass die „Araber und Juden verwandte Rassen“ seien und dass „vor allem die gebildeten unter uns (…) tiefe Sympathie für die Zionistische Bewegung (hegen)“. Kleine Differenzen, „die unter benachbarten Völkern unvermeidlich sind“, könnten sich „mit gegenseitigem gutem Willen beilegen lassen“. Faisals Berater Auni Abd’ Al-Hadi glaubte nicht an diese Möglichkeit.

24 Der Soziologe und Wirtschaftswissenschaftler Arthur Ruppin (1978 – 1943) wurde in der preußischen Provinz Posen geboren. Von dort zogen seine Eltern 1887 nach Magdeburg um, wo er wegen ihrer Verarmung die Oberschule verlassen musste, aber aufgrund seines Ehrgeizes 1899 das Studium in Berlin und Halle aufnahm und mit der Promotion abschloss. Zwischen 1902 und 1907 leitete er das Büro für Jüdische Statistik und Demographie in Berlin. Zum Zionismus kam Ruppin mit dem Interesse, der „Judenfrage“ durch die kommunale und landwirtschaftliche Entwicklung einer jüdischen Gesellschaft in Palästina zu begegnen. 1916 wurde er von den Osmanen ausgewiesen, kehrte 1920 zurück und bekleidete bis zu seinem Tod, der ihn nach einem Schlaganfall in Jerusalem erreichte, wichtige Funktionen in zionistischen Gremien.

25 Für die Resolution stimmten Australien, Belgien, Bolivien, Brasilien, Weißrussland, Kanada, Costa Rica, Tschechoslowakei, Dänemark, Dominikanische Republik, Ekuador, Frankreich, Guatemala, Haiti, Island, Liberia, Luxemburg, Niederlande, Neuseeland, Nicaragua, Norwegen, Panama, Paraguay, Peru, Philippinen, Polen, Schweden, Südafrika, Sowjetische Republik Ukraine, USA, UdSSR, Uruguay und Venezuela. Dagegen stimmten Afghanistan, Ägypten, Griechenland, Indien, Irak, Iran, Kuba, Libanon, Pakistan, Saudi-Arabien, Syrien, Türkei und Jemen. Der Stimme enthielten sich Argentinien, Äthiopien, Chile, China, El-Salvador, Großbritannien, Honduras, Jugoslawien, Mexiko und Nordirland. Thailand nahm an der Abstimmung nicht teil. Das arabische „Palästina“ war nicht vertreten.

Wie alle Völker ...?

Подняться наверх