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Der moderne Sisyphos ist derjenige, der sich um die Überwindung des palästinensisch-israelischen Konflikts bemüht. Einer, der die Rolle eines solchen modernen Sisyphos übernommen hat, ist der unermüdliche Reiner Bernstein, Verfasser dieses Buches. Obwohl das Fragezeichen im Titel des letzten Kapitels – „Zu spät für den Frieden?“ – theoretisch die Zukunft noch offenlässt, täuscht Bernsteins Text nicht darüber hinweg, dass es sich um eine bloß rhetorische Frage handelt und Sisyphos davon ausgehen muss, dass eine Lösung erst in messianischer Zeit möglich sein wird.

Schlimmer noch: Wenn die Welt mit dem Messias zu rechnen hat, an den die israelische Siedlerbewegung glaubt, steht am Abschluss des langen Weges kein Happyend. Gerade weil der moderne Sisyphos sich in der Geschichte des Nahostkonflikts, der zionistischen Bewegung und des jüdischen Volks gut auskennt, muss seine Prognose äußerst skeptisch, ja pessimistisch ausfallen. Dieser düsteren Prognose wird der objektive Beobachter zustimmen müssen.

Es geht um den paradoxen Verlauf der zionistischen, also der nationaljüdischen Bewegung, vom Aufstand am Ende des 19. Jahrhunderts gegen die „Galut“ bis zur Kapitulation des säkularen Zionismus vor der Macht der messianisch-orthodox motivierten „Ganz Israel“-Ideologie, die das Land Israel auf Kosten des liberalen Nationalismus und demokratischer Überzeugungen zum höchsten Wert verwandelten, im Dienste einer ethnozentrischen Exklusionspolitik. 1948, 1967, 1993 waren die wichtigen Meilensteine auf diesem Weg. Ein Vierteljahrhundert nach der Prinzipienerklärung von Oslo sind die beiden demokratischen und humanen Alternativen – die Zwei-Staaten-Lösung wie auch der binationale Staat – nicht in Sicht. Auch ein optimistischer Sisyphos verliert somit den Mut: Das Scheitern der Bemühungen um eine gerechte und humane Lösung des Konflikts scheint prädestiniert zu sein.

Dass die israelische Politik, spätestens seit der politischen Wende im Jahr 1977, zu dieser aussichtslosen Perspektive zunehmend beitrug, ist auch Reiner Bernstein bekannt. Steht ein jüdischer Staat per definitionem im Gegensatz zum demokratischen Staat? Dabei hätte es ganz anders kommen können. Die Tradition von Achad Ha’am und des „Brit Shalom“ sowie die Tradition des liberalen Zionismus zielten auf eine andere Entwicklungsmöglichkeit. Bernstein ließ sich von Akiva Ernst Simon, dem Berliner Yecke, dem religiösen Juden, inspirieren, der die Verständigung mit den Palästinensern anstrebte. Simons Parole von der „fanatischen Toleranz“ fand jedoch keine Resonanz in Israel. Das letzte Wort hat der national-religiöse Fanatismus behalten, und zwar auf beiden Seiten. Mehr noch: Die kollektive Erfahrung als Opfer hat die israelisch-jüdische Gesellschaft nicht dazu motivieren können, über den Rollenwechsel zum Täter nachzudenken. Das Opfer von damals versteht sich als permanentes Opfer. Täter sind nur die anderen.

Über die Frage der starren Haltung der Kontrahenten hinaus stellt sich ein weiteres Problem: Weshalb konnten bislang die internationale Politik und deren Diplomatie die Kontrahenten nicht dazu bewegen, aus dem Teufelskreis auszusteigen? Weshalb deuten die USA, weshalb deutet die Bundesrepublik Deutschland höchstens an, dass sie mit der destruktiven israelischen Politik nicht einverstanden sind, sich aber nicht im Ernst um eine Lösung bemühen? Wieso erteilen sie den radikalen Varianten des Judentums – beim Islamismus haben sie keine derartige Scheu – keine klare Absage? Weshalb wird die Parole von der „besonderen Verantwortung für Israel“ missbraucht? Kurzum: Weshalb hat der internationale Sisyphos aufgegeben?

Prof. Dr. Moshe Zimmermann

Jerusalem, im Herbst 2018

Wie alle Völker ...?

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