Читать книгу Ungelöste Rätsel - Reinhard Habeck - Страница 15
„Spitzkuchen“ überall
ОглавлениеPyramiden, diese großartigen Bauwunder der Geschichte, faszinieren seit Generationen Reisende und Wissenschaftler. Meist werden sie mit den bekannten Königsgräbern in Ägypten in Verbindung gebracht. Die mächtigsten Monumente stehen in Giseh bei Kairo, wo sie seit Anbeginn des alten Pharaonenreiches allen Stürmen der Zeit trotzen. Ihr Name leitet sich aus dem Griechischen „pyramis“ ab und bedeutet übersetzt „Spitzkuchen“. Die praktische Anwendung der Baumethoden, der mythologische Ursprung und der eigentliche Zweck der Wunderwerke sind nicht restlos geklärt.
Das gilt gleichermaßen für viele spitze und treppenförmig angelegte Steintürme, die wir rund um den Globus entdecken können: Besonders spitz mit auffälligem Neigungswinkel, wenn auch nicht ganz so hoch wie die ägyptischen Verwandten, sind die Pyramiden von Meroe im Sudan. Sie liegen rund 200 Kilometer östlich von Khartum und wurden um 300 v. Chr. als Grabstätten für Angehörige nubischer Königsdynastien errichtet. Pyramiden kennen wir aber ebenso aus Mexiko und Guatemala sowie aus der Volksrepublik China. Ob man auch mesopotamische Zikkurate („Himmelshügel“) und megalithische Tumuli („Hügelgräber“) im engeren Sinne zu den pyramidenartigen Bauten zählen möchte, ist Auslegungssache. Bautechnische Ähnlichkeiten sind jedenfalls vielerorts sichtbar. Lässt sich der Gleichklang immer plausibel mit Zufälligkeit abtun? Oder schöpften die Architekten der Vergangenheit aus einer kollektiven Urquelle?
Pyramiden von Giseh, Ägypten
Pyramiden von Meroe, Sudan
Eine große Anzahl kleinerer Pyramiden gibt es in Gegenden, wo man diesen Bautyp nicht unbedingt erwarten würde. In der Alpenrepublik Österreich? Sicher nicht. Und doch steht auf einer bewaldeten Bergkuppe im niederösterreichischen Waldviertel nahe Oberneustift eine rätselhafte Rundpyramide. Sie ist ohne Mörtel aus vielen Steinbrocken auf vier Ebenen zusammengesetzt und hat eine Höhe von nahezu sieben Metern. Ihr größter Durchmesser am Fundament beträgt 14 Meter. Mauerreste in der Umgebung lassen auf eine ursprünglich größere Anlage schließen. Alter und Verwendungszweck sind ungeklärt. Manche Historiker bezeichnen das Bauwerk als „Keltenpyramide“. Wahrscheinlicher ist seine Entstehung im Mittelalter oder in der Barockzeit.
Dagegen wurde die auf Sizilien entdeckte Stufenpyramide Pietraperzia nahe Enna tatsächlich in grauer Vorzeit errichtet. Ebenfalls gesichert aus prähistorischer Zeit stammt eine der ältesten pyramidenförmigen Strukturen auf Sardinien in der Nähe der Provinzhauptstadt Sassari. Sie nennt sich „Terrasse des Monte d’Accoddi“ und soll um 3000 v. Chr. entstanden sein. Pyramiden waren auch im Alten Griechenland nichts Ungewöhnliches. Reste davon können entlang der antiken Straße von Argos nach Epidauros auf der Halbinsel Peloponnes aufgespürt werden.
Pyramide von Kukulkan, Mexiko
Pyramide von Kukulkan, Mexiko
Pyramide Koh Ker, Kambodscha Unten: Pyramide von Oberneustift, Österreich
Das berühmteste Monument ist zugleich das ungewöhnlichste und älteste: die Pyramide von Hellenikon. Ihre Mauern aus Kalkstein ragen noch heute drei Meter hoch auf. Aus dem 55 Grad Neigungswinkel der noch vorhandenen Seitenflächen lässt sich ermitteln, dass das Baudenkmal grob acht Meter hoch gewesen sein muss.
Die Ruine erinnert verblüffend an einen anderen ungewöhnlichen Pyramidenbau, dem ebenfalls die spitze „Krone“ – das Pyramidion – inzwischen abhanden gekommen ist. Der Kultbau befindet sich wiederum in einer für steinerne „Spitzkuchen“ untypischen Landschaft, nämlich in Südfrankreich, nur wenige Kilometer nördlich der Hafenstadt Nizza.