Читать книгу Ungelöste Rätsel - Reinhard Habeck - Страница 24
ОглавлениеWundersame Souvenirs
DIE FUSSABDRÜCKE VON JESUS UND MOHAMMED
Gibt es verborgene Kräfte, durch die Steine weich wie Butter werden können? Bei eigentümlichen Versteinerungen, die an Fuß-, Knie, Arm- oder Handspuren erinnern, könnte man zu dieser Auffassung gelangen. Solche Funde stehen meist in Verbindung mit Sagen über Hexen, Dämonen, Götter, Helden und Heilige. Die berühmtesten Beispiele sind die angeblichen Fußabdrücke von Jesus in den Kirchen „Quo vadis Domine“ und „San Sebastiano“ an der Via Appia Antica in Rom sowie in der Himmelfahrtskapelle auf der höchsten Stelle des Ölbergs in Jerusalem. Es soll jener Platz sein, wo Christus zum Himmel aufgefahren ist.
Fußabdrücke in der Kirche Santa Maria an der Via Appia Antica in Rom. Stammen sie wirklich von Jesus?
Dagegen gibt es in Srinagar im Himalaja-Staat Kaschmir ebenfalls Fußabdrücke, die Wundmale zeigen und einer Legende zufolge Jesus zugeschrieben werden. Einige Forscher schließen daraus, dass sich dort im Haus „Rozabal“ das Grab des Erlösers befindet. Ebenfalls deutliche Zeichen seiner Existenz soll der islamische Religionsstifter Mohammed im 7. Jahrhundert der Nachwelt hinterlassen haben. Eine Steinplatte mit dem angeblichen Fußabdruck des Propheten wird im Topkapi-Palast in Istanbul aufbewahrt. Und am Tempelberg in Jerusalem sieht man im Fels Fußspuren, die dem Glauben nach von Mohammed verewigt worden sind, als er der Überlieferung nach mit dem geflügelten Luftgefährt Al-Buraq zu einer Himmelsreise aufstieg. Auch Fingerabdrücke, die vom Erzengel Gabriel stammen sollen, sind im Stein zu erkennen.
UNBEACHTETES „CHRISTUS-RELIEF“
Ein einzigartiges Steinexponat stammt aus La Mana in Ecuador. Es ist erzhaltig, zieht Magnete an, misst 24 cm in der Länge, 18 cm in der Breite und ist 6 cm dick. Die Vorderseite zeigt unterschiedliche miteinander verschmolzene Gesteinsformen, die die Konturen eines bärtigen Gesichtes bilden. Manche Betrachter erinnert das Antlitz an das Aussehen jenes Mannes, das auf dem Turiner Grabtuch wiedergegeben ist. Für Gläubige ist es ja das Leichentuch, in dem Jesus von Nazareth nach der Kreuzigung begraben wurde. Die Rückseite des Steinfundes gibt ebenfalls Rätsel auf: Im Gestein ist eine linienförmige Einlegearbeit zu sehen, die in gewundener Schlangenform in die Spitze eines Dreiecks mündet. In den 1980er-Jahren wurde das Relikt gemeinsam mit rund 300 anderen grotesken Kunstobjekten unbekannten Ursprungs in einer verlassenen Goldmine entdeckt und befindet sich heute in Privatbesitz (siehe Farbabbildung S. 57).
Antlitz auf dem Turiner Grabtuch.
DAS SEEFELDER ALTARGEHEIMNIS
Es gibt Legenden mit sichtbaren Spuren, wo Menschen unvermittelt im weich gewordenen Steinboden versanken. Ein Vorfall hat sich als Altargeheimnis im österreichischen Wallfahrtsort Seefeld (17 Kilometer westlich von Innsbruck) erhalten. Die Chronik erzählt, dass am 25. März 1384 ein Ritter namens Oswald Milser sich nicht mit einer kleinen Hostie begnügen wollte, wie sie fürs arme Volk üblich war, sondern das „große Sakrament“ forderte. Aus heutiger Sicht ein lächerliches Ansinnen, damals jedoch ein unverzeihlicher Frevel. Der Pfarrer hatte eine Heidenangst vor dem Rüpel, reichte ihm widerwillig die große Hostie, und dann soll der Sage nach das Unfassbare passiert sein: Die Oblate begann zu bluten und Milser versank einen halben Meter tief in der Erde. In Panik hielt er sich am ebenfalls butterweich gewordenen Altarstein fest. Dort wurden Finger und Handfläche als steinerner Abdruck verewigt. Erst als der Priester die blutige, mit Bisszeichen versehene Hostie aus dem Mund des Ritters nahm, festigte sich der Boden wieder. In der Seefelder Pfarrkirche St. Oswald wird diese Wunderhostie in der Blutskapelle aufbewahrt. Wer dem Autor folgt und sich beim Schatzhüter Pfarrer Egon Pfeifer höflich nach dem Steinrätsel erkundigt, dem wird das Geheimnis enthüllt. Das Tuch wird vom Hochaltar entfernt und zum Vorschein kommen, an einer Kante Spuren der Vertiefung, in die Finger und Handfläche passen. Daneben am Kirchenboden hinter Gittern geschützt: jene Stelle, wo – der Legende nach – Oswald Milser knöcheltief im Erdreich versunken sein soll. Die Abdrücke seiner Schuhsohlen sind noch heute sichtbar.
Der Legende nach versank 1384 Ritter Oswald Milser knietief im plötzlich weich gewordenen Stein. Spuren seiner Hand- und Fußabdrücke sind am Fußboden und an der Altarkante der Pfarrkirche Seefeld in Tirol sichtbar.
NOCH MEHR HAND- UND FUSSSPUREN
Schwarzer Tritt am Boden der Eingangshalle der Münchner Frauenkirche. Der Sage nach stammt er vom Teufel.
Weniger spektakulär, aber genauso merkwürdig sind der „Teufelstritt“ im Boden der Liebfrauenkirche in München, die Abdrücke der angeblichen Hände der Jungfrau Maria in der Tiroler Erscheinungsstätte „Maria Tax“ in Stans, der wie ein Polstersessel geformte „Hemmastein“ im Dom von Gurk in Kärnten, der fußförmige „Teigstein“ in der Kirche von St. Wolfgang bei Altenmarkt an der Alz in Bayern oder der „Gallusstein“ bei der Pfarrkirche zu Arbon im Schweizer Kanton Thurgau. Dort befindet sich auf der Westseite der Galluskapelle eine unscheinbare Nische mit einer eingemauerten Steinplatte. Auf ihr sind zwei fußartige Vertiefungen hinterlassen, die vom heiligen Gallus stammen sollen. Die Sage erzählt, der Namenspatron der Stadt St. Gallen habe im Jahr 637 in Arbon gegen den leibhaftigen Höllenfürst gekämpft. Dabei hätte sich Beelzebub in einen Bären verwandelt und beim hitzigen Gefecht sei dann der Boden weich geworden. Als sichtbares Andenken für diese heilige Prügelei wären die Fußabdrücke des Gottesmannes zurückgeblieben.
NATÜRLICHE UND KÜNSTLICHE ZEICHEN
Der fromme Glaube an märchenhafte Episoden aus dem Heiligenlexikon hat an Überzeugungskraft eingebüßt. Wir wissen längst, dass versteinerte Wunder meist eine natürliche Ursache haben. Dazu zählen Schalen, Wannen und Mulden, die von Naturfreunden gerne als „Opfersteine“ oder „Altarsteine“ bezeichnet werden. Es gibt ebenso sonderbare Höhlungen mit flachen und tiefen Lösungsrinnen, die durch fließendes Niederschlagswasser entstehen. Der Fachmann nennt diesen Ablauf „Karren“. Beim Phänomen der Schalensteine reicht diese Erklärung aber nicht aus. Natürliche Auswaschungen können solche Mulden zwar entstehen lassen, doch die meisten der bizarren Steinformen sind künstlich geschaffene Vertiefungen. Sie sind in unterschiedlicher Größe und Form (von winzigen Näpfchen bis zu einem halben Meter im Durchmesser) auf Felsplatten, Steinwänden und bei Megalithgräbern von Menschen hinterlassen worden. Der Ursprung der Schalensteine reicht zurück bis in eiszeitliche Epochen.
Schalenstein in Kautzen, Niederösterreich
Archäologen rätseln über Sinn und Zweck dieser Mulden, die mitunter durch Linien oder geometrische Muster miteinander verbunden sind. Die häufigsten Erklärungsversuche reichen von Kalender, Fruchtbarkeitssymbolik und Wegweiser bis zu Darstellungen von Sternbildern. Es gibt prähistorische Schalensteine, manche künstlich geschaffen, andere natürlichen Ursprungs, die später zu Fußabdrücken christlicher Heiliger erklärt wurden. Beispiele dafür sind der Magnustritt im bayerischen Füssen oder der Christophorus-Stein bei Harmannstein im nördlichen Waldviertel. Dort markiert er auf dem 836 Meter hohen Johannesberg den Eingang zur Johanneskapelle.
Schalenstein-Rätsel aus Sonnenberg/Südtirol: Wozu dienten die künstlichen Vertiefungen?