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General Jay Sindraman, seines Zeichens Chef der verschiedenen PAZIV-Geheimdienste und Kommandant von X-Point blickte durch die Sichtscheibe hinaus in die Unterwasserwelt der Tiefsee. Zumindest jene wenigen Dutzend Meter, die von den Scheinwerfern erleuchtet wurden. Danach war nichts als ewige Dunkelheit.

Kein Lichtstrahl gelangte je in diese Tiefe. Und doch gab es Leben hier. Der Meeresboden war alles andere als ein totes Areal. Ganz im Gegenteil, es wimmelte nur so von Pflanzen und Tieren, die sich perfekt an ihre Umgebung angepasst hatten. Die schnell wachsenden Oktopoden beispielsweise, die von den Gentechnikern der PAZIV in großen Herden gezüchtet wurden. Sie hatten Rinder, Schweine und andere klassische Nutztiere zur Erzeugung von Eiweißnahrung längst den Rang abgelaufen. Zumindest, was den Machtbereich der PAZIV anging, in der weit über die Hälfte der Weltbevölkerung lebte. Massen, die ernährt werden mussten. Die Lösung dieser Frage hatte die PAZIV unter Wasser gefunden. Zwei Drittel der Erdoberfläche war von Wasser bedeckt und die Artenvielfalt übertraf die an Land um ein Vielfaches. Einst war das Leben aus dem Wasser an Land gekrochen. Jetzt schickte sich ein Landgeschöpf mit dem Namen Mensch dazu an, diesen Bereich des Planeten endlich von einer Wildnis in ein gartenähnliches Nutz-Areal zu verwandeln.

Jay Sindraman, der bereits über neunzigjährige, aber keineswegs greisenhaft wirkende Geheimdienstgeneral mußte unwillkürlich lächeln bei diesem Gedanken.

Er hatte einen Sinn für feine Ironie.

Noch war der Großteil des Meeresbodens für den Menschen so fremdartig und lebensfeindlich wie die Oberfläche des Mars oder irgendeines anderen fremden Planeten. Aber das würde sich ändern. Die PAZIV hatte sich vorgenommen, dieses Areal Stück um Stück für sich zu erobern. Während die Westunion ihre Anstrengungen auf die Eroberung des Weltraums konzentriert hatte, nur um feststellen zu müssen, dass dort draußen offenbar bereits andere das als ihren rechtmäßigen Besitz betrachteten, was die Westunion zu erobern trachtete.

Aber auf den Meeresgrund hat bislang niemand Anspruch erhoben, dachte Sindraman. Niemand außer uns...

Dennoch hatte Sindraman es immer als Fehler betrachtet, dass die PAZIV sich so einseitig auf ihr Programm zur Erschließung des Meeresgrundes konzentriert und darüber die Weltraumfahrt sträflich vernachlässigt hatte. Und das, obwohl einige Länder, die später die PAZIV gegründet hatten - darunter Indien und China - ursprünglich beachtliche Weltraumprogramme auf die Beine gestellt hatten.

Aber das war längst Vergangenheit.

Inzwischen reichten die Fähigkeiten der PAZIV auf diesem Gebiet gerade noch, um selbständig Satelliten in den Weltraum zu schießen und auf stabilen, geostationären Umlaufbahnen zu halten. Schließlich wollte man in dieser Hinsicht nicht auf die Dienste der Westunion und ihrer Star Force angewiesen sein.

Ein Summton war zu hören.

Sindraman wurde aus seinen Gedanken herausgerissen. Er aktivierte einen kleinen Bildschirm auf dem großen Konferenztisch in der Mitte des Raumes.

Das ebenholzfarbene Gesicht von Joseph Mkama, dem Computerspezialisten Nummer eins von X-Point erschien.

"Was gibt es?", fragte Sindraman.

Wenn Mkama sich bei ihm meldete, hatte das in letzter Zeit immer nur bedeutet, dass er dem Kommandanten von X-Point irgendwelche Hiobsbotschaften beizubringen hatte. Hiobsbotschaften, die sich auf das ausgefeilte und hochmoderne Computersystem von X-Point bezogen. Es handelte sich um eines der modernsten und leistungsfähigsten Rechner-Verbundsysteme der Welt. Aber im Zuge der sogenannten Operation Chaos, die inzwischen grandios gescheitert war, war dieses Herzstück der PAZIV-Geheimdienste stark in Mitleidenschaft gezogen worden. Mit Hilfe von hypnotisierten Saboteuren, die durch über das weltweite Datennetz vertriebene Bilder zu willenlosen Saboteuren im Bereich der Westunion geworden waren und dort unter anderem für den Supergau des Reaktors Candermere bei Minneapolis gesorgt hatten, war es der PAZIV gelungen, erhebliche Unruhe und Chaos in der Westunion zu verursachen. Ein unerklärter, verdeckter Krieg war das gewesen. Und nun war dieser Angriff fürs erste beendet. Auf bisher unbekannte Art und Weise waren die Rechnersysteme von X-Point lahmgelegt worden. Zumindest jener Teil, der Kontakt zur Außenwelt hatte und nicht zum völlig abgeschotteten internen Verbundsystem gehörte. Ein Virus war dafür verantwortlich.

Ein sich selbst reproduzierender Datensatz, der dafür gesorgt hatte, dass die Operation Chaos auf jene zurückgeschlagen hatte, die es inszeniert hatten.

Natürlich war es schwer, die Herkunft eines derartigen Virus zu ermitteln. Selbst dann, wenn alle Systeme einwandfrei funktionierten. Aber es lag nahe, dass die Westunion ihre Hand im Spiel hatte. Die Westunion - oder noch ein dritter Spieler im globalen Machtspiel: John Darran. Sindraman hatte instinktiv an diese Möglichkeit gedacht, auch wenn er keine Beweise dafür gehabt hatte. Und auch Sindraman selbst hatte nicht im entferntesten geahnt, wie nahe er mit seiner Vermutung der Wahrheit gekommen war.

"Wir haben das externe Rechnersystem einigermaßen wiederhergestellt", berichtete indessen Joseph Mkama.

"Was ist mit den Störungen?"

"Die werden wir noch eine ganze Weile in Kauf nehmen müssen, General."

"Es muss doch eine Ursache dafür geben!"

"Tut mir leid."

Sindraman ballte unwillkürlich die Hände zu Fäusten. Er hat Recht!, ging es ihm durch den Kopf. Und vor allem hatte Mkama wirklich in den letzten Tagen sein Bestes gegeben. Ihm war es am wenigsten anzulasten, wenn nicht alles so lief, wie Jay Sindraman sich das wünschte.

Sindraman war das nur zu bewusst.

Schließlich war er selbst gelernter Informatiker, hatte in den Anfangsjahren des Jahrhunderts in Deutschland als EDV-Spezialist gearbeitet, als die dort für einige Jahre knapp geworden waren. Von einer gewissen Komplexitätsstufe an reagiert ein System nicht mehr hundertprozentig rational, ging es Sindraman durch den Kopf. Das traf auf biologische Systeme ebenso zu, wie auf große Organisationen oder Computer.

Von einer gewissen Größe und Komplexität an regierte das Chaos, bei dessen Erforschung die Mathematik noch ganz am Anfang stand.

"Mehr ist im Moment nicht drin, General. Wir werden natürlich regelmäßige System-Checks vornehmen und ich glaube auch, dass sich die Störungen in Grenzen halten werden. Aber..."

"Schon gut, Mkama. Versuchen Sie es weiter und halten Sie mich auf dem Laufenden."

General Sindraman schaltete den Bildschirm auf seinem Schreibtisch ab.

Ein Stimme meldete sich über das Interkom.

"Ortungsoffizier Ravindraman Singh bittet um Einlass." Es handelte sich um eine computeranimierte Stimme. Bevor jemand zu General Sindraman vordringen konnte, musste er sein Iris-und Handflächenmuster scannen lassen. Wurde derjenige mit ausreichendem Security-Faktor identifiziert, meldete die Kunststimme ihn über Interkom.

"Soll hereinkommen", erwiderte General Sindraman. Mit einem surrenden Laut öffnete sich die Schiebetür. Ortungsoffizier Ravindraman Singh trat ein.

"Was gibt es?", fragte General Sindraman.

"Sir, wir empfangen seit einiger Zeit merkwürdige Signale, die wir nicht zuordnen können. Ein U-Boot, das auf einer Patrouillenfahrt war, informierte uns über die Signale..." Noch ehe der Ortungsoffizier fortfahren konnte, unterbrach Sindraman ihn.

"Was heißt 'seit einiger Zeit'?", fragte er etwas unwirsch.

"Um genau zu sein, seit 24 Stunden." Ravindraman Singh war diese Antwort äußerst unangenehm, denn er ahnte, was jetzt folgen würde. General Sindraman stand mit hochrotem Kopf auf. "Sie empfangen seit 24 Stunden ein unbekanntes Signal und ich werde erst jetzt informiert", donnerte er los.

"Sir, ich dachte, ich gebe die Information erst an Sie weiter, sobald das Signal entschlüsselt ist."

"Niemand hat Ihnen selbstständiges Denken befohlen", erwiderte Sindraman.

"Ja, Sir."

Der Ortungsoffizier nahm Haltung an.

"Und nun wüsste ich auch gerne, was Sie bereits herausgefunden haben." Die Ironie, die in den Worten des Generals mitschwang, war überdeutlich zu hören.

"Sir, das Signal, das von unserem U-Boot aufgezeichnet wurde, stammt eindeutig aus dem Pazifik und zwar innerhalb des Gebietes der PAZIV. Leider kann ich bis jetzt nicht sagen, von wem es kommt und was es bedeutet."

Dem Ortungsoffizier waren diese Auskünfte sichtlich unangenehm. Er wäre sicher auch lieber zum obersten Chef mit erfreulichen Nachrichten erschienen.

"Ist es möglich, dass die Westunion dahinter steckt?"

"Wir wissen es nicht." Leutnant Ravindraman Singh schüttelte den Kopf.

"Mit wie vielen Leuten arbeiten Sie an der Entschlüsselung des Signals?", erkundigte sich Sindraman.

"Bisher nur zu zweit, wobei Sergeant Pawlak eigentlich nicht offiziell damit betraut ist."

"Diese Sache hat ab sofort oberste Priorität. Nutzen Sie sämtliche Kapazitäten sowohl technischer als auch menschlicher Art. Und wenn Sie nur das Geringste herausfinden, dann will ich sofort informiert werden. Und wenn ich sofort sage, dann meine ich das auch, zu jeder Zeit. Haben wir uns verstanden?" General Sindraman stand jetzt so nah vor Ravindraman Singh, daß er das Weiße in seinen Augen sehen konnte.

"Jawohl, Sir", beeilte sich dieser zu sagen.

"Wegtreten!"

Mit schnellen Schritten verließ der Ortungsoffizier den Raum. Wenn man nicht alles selber macht, dachte General Sindraman.

Terras kosmische Bestimmung: SF Abenteuer Paket

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