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7. Briefliche Äußerungen

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Es wurde bereits gesagt, dass sich nur wenige private Zeugnisse aus den Jahren 1918/19 finden. So ist ungeklärt, wie Schmitt seit 1916 seinen Lebensschwerpunkt als Privatdozent in Straßburg und Soldat in München gestaltete. Das Vorwort zur zweiten Auflage betont, dass die Politische Romantik „1917/18 entstand und Anfang 1919 erschien“ (PR 27). Einige Briefe an den befreundeten Verleger Feuchtwanger (CSLF 17ff) belegen, dass Schmitt im Juli 1918 noch am Text schrieb, im Oktober eine „Einfügung“ nachschob und das Buch Anfang 1919 erschien. Es ist also von einem definitiven Abschluss des Textes spätestens im Dezember 1918 auszugehen. Jahrzehnte später, 1978, schreibt Schmitt, fast 90 Jahre alt, seinem Bonner Schüler Huber zum Erhalt des fünften Bandes der monumentalen Verfassungsgeschichte, der Weltkrieg, Revolution und „Reichserneuerung“ in den Jahren 1914 bis 1919 behandelt:

„Seit fast einem Monat lese ich in Ihrem Bd. V. der Deutschen Verfassungsgeschichte und bei jedem Abschnitt war ich von neuem gefesselt. Es ist ein ungewöhnliches, bewunderungswürdiges Werk, sowohl in der Forschungsarbeit und Dokumentierung, wie in der Urteilskraft seiner Konklusionen und in der erquickenden Sicherheit seiner klaren Darlegung. Sie haben Recht, wenn Sie vermuten, dass ich diese Geschichte des ersten Weltkriegs und der anschließenden Nachkriegsjahre als Zeitgeschichte mit autobiographischem Interesse lesen kann: denn ich war vier Jahre lang Referent für Kriegszustandsrecht (nach dem bayerischen Kriegszustand-Gesetz) der Abteilung P beim Stellvertretenden Generalkommando I beim Armee-Korps in München in der Herzog-Max-Burg, anschließend Objekt der Eisner- und Niekisch-Republik und dann wieder beim Stabe der Regierungstruppen (Hauptmann Roth, der spätere bayerische Justizminister) – alles Abschnitte Ihrer verfassungsgeschichtlichen Darstellung, die ich persönlich verifizieren kann. So bin ich ein geradezu prädestinierter Leser und Benutzer Ihres Werkes und darf mir ein Urteil erlauben“. (CSHU 384f)67

Huber schickte 1981 noch den folgenden sechsten Band über die Institutionen der Weimarer Verfassung. Dazu schrieb Schmitt, bereits 93 Jahre alt, aber nur noch: „Der wahre und angemessene Dank ist mir nicht mehr möglich.“ (CSHU 390) 1978 unterschied er rückblickend zwischen seiner Tätigkeit im Generalkommando und der anschließenden Rolle als „Objekt der Eisner- und Niekisch-Republik“. Dass er Huber gegenüber von einer Niekisch-Republik sprach, nicht etwa von Leviné o.a., resultiert wohl aus der gemeinsamen Bekanntschaft mit Niekisch im Jünger-Kreis. Schmitt scheint sich 1978 jedenfalls erneut von der Räterevolution zu distanzieren. Eine beachtliche zeitgenössische Äußerung ist dazu der erwähnte Brief vom August 1920, den er zusammen mit dem befreundeten Georg von Schnitzler in der Münchner Post zur öffentlichen Verteidigung des Hauptmanns Roth publizierte. Schmitt schreibt hier:

„Wir waren jahrelang in der von Dr. Roth geleiteten Abteilung des Generalkommandos tätig und standen, wie Roth bekannt war, auf einem ganz anderen politischen Standpunkt als er selbst. […] Die Abteilung Roth war kein Scharfmacherbüro und Dr. Roth alles andere als ein bornierter Militarist. […] Bei der Abteilung waren offen demokratische Mitarbeiter, was Dr. Roth wusste, ohne sie in ihrer Selbständigkeit zu beeinträchtigen.“ (TB 1915/19, 519)

Es ist hier nicht zu klären, ob dieses Zeugnis zutreffend war und Schmitt sich selbst zu den „offen demokratischen Mitarbeitern“ zählte. Er reklamiert jedenfalls einen „ganz anderen politischen Standpunkt“ für sich, und so merkwürdig das im Kontext sonstiger Bekenntnisse klingt, so strategisch der Brief auch geschrieben ist, gibt es hermeneutisch doch schwerlich sichere Gründe, Schmitts Erklärung nicht ernst zu nehmen. Will man seinen damaligen „Standpunkt“ genauer fassen, so ist neben der Politischen Romantik vor allem Die Diktatur zu berücksichtigen. Sie ging im Herbst 1920 in den Druck.

Carl Schmitts Gegenrevolution

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