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2. DAS KLIMA
ОглавлениеVor etwa 2,6 Millionen Jahren begann mit dem Quartär das jüngste Eiszeitalter, das bis heute andauert. Schon während des Tertiärs (65 Mio. Jahre v. Chr. – 2,6 Mio. Jahre v. Chr.) war die Temperatur weltweit allmählich abgesunken, sodass die Antarktis seit dem Oligozän vor rund 30 Millionen Jahren mit einer Eiskappe bedeckt war. Vor etwa 3,2 Millionen Jahren fiel die Temperatur noch einmal deutlich ab. Im Gelasium (2,58 Mio. Jahre – 1,8 Mio. Jahre v. Chr.) bildete sich am Nordpol eine Eiskappe, und die bis heute andauernden Temperaturschwankungen begannen.
Für den Zeitraum von 3,2 bis 1,6 Millionen Jahren v. Chr. konnte eine Zykluszeit von 41.000 Jahren für die Temperaturschwankungen ermittelt werden. Im Temperaturverlauf der letzten 2,6 Millionen Jahre, also innerhalb des Pleistozäns, traten die beobachteten Temperaturschwankungen in Zyklen von etwa 100.000 Jahren auf.4 Gemessen an der Klimageschichte der letzten 100 Millionen Jahre ist es derzeit kalt, da wir uns im quartären Eiszeitalter befinden. Innerhalb dieses Eiszeitalters ist es aber heute relativ warm, da wir seit etwa 11.625 Jahren in einer Warmzeit des Eiszeitalters leben, dem Holozän.
Allein in den letzten 800.000 Jahren, also seit Menschen in Europa leben, ereigneten sich in dieser Zeit mindestens neun Wechsel zwischen Kalt- und Warmzeiten. Die Eisvorstöße und Rückzüge haben dabei an Land zahlreiche Ablagerungen in Form von Findlingsblöcken, Seiten- und Endmoränen hinterlassen. Die unterschiedlichen Temperaturen innerhalb der Warm- und Kaltzeiten werden als »Stadiale« für relativ kalte Zeiten und als »Interstadiale« für relativ warme Zeiten bezeichnet. Allein in der Würm-Kaltzeit gab es drei Stadiale, etwa vor 60.000, 40.000 und 18.000 Jahren. Damals wich die Temzwar nur um etwa vier bis fünf Grad Kelvin nach unten von der heutigen Erdmitteltemperatur ab, was jedoch dazu führte, dass sich etwa dreimal so viel Eis wie heute bilden konnte. Vor 18.000 Jahren hatte das zur Folge, dass der Meeresspiegel weltweit um etwa 135 Meter niedriger lag als heute. Der Golfstrom wurde dadurch stark abgeschwächt, die Nordsee verschwand fast ganz und machte dem trockenen Festlandsockel Platz. Der Umschwung der Weichsel-Kaltzeit zur heutigen Warmzeit wird von den Wissenschaftlern als eine abrupte Klimaveränderung gesehen, obwohl er sich im Laufe mehrerer tausend Jahre (vor 15.000 bis vor 7.000 Jahren) vollzog. Der Wechsel zwischen Kalt- und Warmzeit wird auf 11.000 Jahre vor heute datiert.
Während des Höhepunktes des letzten glazialen Maximums (LGM, um 26.000–19.000 v. Chr.) bedeckte ein massiver Eisschild Irland, den Großteil Englands und ganz Skandinavien sowie die Ebenen Nordeuropas, kleinere Eisschilde lagen über den Alpen und Pyrenäen. Das Gebiet südlich davon wies ein alpines Klima mit der Vegetation und Fauna der Tundra auf, nur an den Küsten des Mittelmeeres gab es nennenswerte Wälder. Starke Winde führten zu einer vermehrten Erosion der baumlosen Ebenen Europas und zu starken Lössablagerungen des verblasenen Lehms des Nordens. Der Meeresspiegel lag weltweit bis zu 135 m niedriger als heute und erweiterte zahlreiche Küstenebenen hinaus ins Meer. Die Adria war nur halb so groß wie heute, Britannien und Irland waren mit dem europäischen Festland durch eine Ebene verbunden, die weit in die Nordsee hinausragte. Das Baltische Meer war ein gewaltiger Inlandsee ebenso wie das heutige Schwarze Meer.
Nach dem Ende des letzten glazialen Maximums kam es zu einer langsamen Erhöhung der Temperatur, welche bis etwa 8.500 v. Chr. das heutige Niveau erreichte. Die Gletscher schmolzen ab und legten neues Land für die Besiedelung durch den Menschen frei. Von der Last des Eises befreit hoben sich Teile von Skandinavien und des nördlichen Britannien, während der in der Eiszeit freigelegte Küstenschelf unter Wasser verschwand und etwa ab 6.000 v. Chr. Britannien und Irland zu Inseln machte. Um 5.500 v. Chr. durchbrach die steigende Nordsee die Landbarriere am Belt und strömte in den Süßwassersee (Ancylussee) des Baltischen Meeres. Ebenso durchbrach das Mittelmeer um diese Zeit den Bosporus und füllte das Schwarze Meer mit Salzwasser auf5, in beiden Fällen verschwanden große Teile des Kontinentalschelfs unter den Wassermassen.
Am Festland führte der Rückzug der Gletscher im Alpenvorland zur Bildung von Gletschertrögen, die von Wasser aufgefüllt und zu Seen wurden, die Fische und Pflanzen schnell besiedelten und zu bevorzugten Siedlungsplätzen machten.
Durch die Erwärmung des Klimas kam es ab 7.000 v. Chr. zu vermehrten Niederschlägen in Europa, dies ermöglichte den Bäumen und Büschen, neben anderer Vegetation aus dem Mittelmeerraum, rasch nach Norden vorzudringen und die ehemals baumlosen Ebenen zu besiedeln. Die Küsten des Mittelmeeres waren von dichten Wäldern bedeckt. Weitere Erwärmung führte zum Rückzug der Wälder nach Norden und ließ am Mittelmeer nur jene Pflanzen zurück, die sich den gestiegenen Temperaturen anpassen konnten.
Mit dem Vordringen der Wälder rückten Tierarten wie das Rentier weiter nach Norden in die Tundra vor und wurden in den neuen Wäldern Zentraleuropas durch Hirsch und Reh ersetzt. Etwa um 4.000 v. Chr. hatten Klima, Vegetation, Fauna und Flora jenen Stand erreicht, der dem heutigen entspricht. Die Menschen hatten zu dieser Zeit begonnen, Einfluss auf die Gestaltung der Oberfläche Europas zu nehmen. Bereits die Jäger- und Sammlergesellschaften der Mittelsteinzeit, des Mesolithikums, hatten Wälder gerodet und eine Umgebung geschaffen, um jene Tiere anzulocken und heimisch zu machen, die ihre bevorzugte Jagdbeute war. Von 7.000 bis 3.000 v. Chr. breitete sich die Landwirtschaft in Europa aus und rodete Wälder, um Boden für Felder zu gewinnen. Dies führte in einigen Landschaften zur Erosion des Bodens und dessen Abtragung durch Wind und Wasser, wovon er sich in manchen Regionen Europas bis heute nicht erholt hat. Die Veränderung der Landschaft durch den Menschen erfolgte nicht allein durch seine Tätigkeit, auch die von ihm domestizierten Tiere wie Ziege, Schaf, Rind und Schwein nutzten das Land intensiv, fraßen die jungen ausgetriebenen Bäume und verwandelten so Waldflächen in Grasland. Wildtiere waren nicht länger nur Jagdwild, sondern auch Konkurrenten bei der Nahrungsgewinnung und wurden in einigen Fällen, wie beim Auerochsen, bis in die Ausrottung gejagt.
Die Klimaänderung nach der letzten Eiszeit hatte Europa zu einem Kontinent geformt, in dem die Besiedelung und Entwicklung durch den Menschen besonders rasch voranschreiten konnte. Nach neuen kulturhistorischen Erkenntnissen war dafür das Vorhandensein einer größeren Anzahl von domestizierbaren Tieren und von kultivierbaren Pflanzen verantwortlich, die es in dieser Menge in den östlich daran angrenzenden Regionen nicht gab.6
4Bourroughs, William James; Climate change in prehistory. The end of the reign of Chaos, Cambridge University Press 2005; Ludwig, Karl-Heinz; Eine kurze Geschichte des Klimas. Von der Entstehung der Erde bis heute, Herbst 2006
5Yanko-Hombach, Valentina; The Black Sea flood question: Changes in coastline, climate and human settlement, Springer, Dordrecht 2007
6Diamond, Jared; Arm und Reich. Die Schicksale menschlicher Gesellschaften, Ulm 1997