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Jäger, Sammler und Aasfresser – Leben in der Altsteinzeit

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Über die Lebensweise des Homo erectus geben die Fundplätze des Acheuléen Auskunft. Die meisten Fundstellen sind Freilandfundplätze, erst später wurden zunehmend auch Höhlen und Abris (Felsüberhänge) bewohnt. Erste sichere und nachgewiesene Spuren der dauerhaften Nutzung des Feuers in Mitteleuropa finden sich aus der Mindel-Kaltzeit (460.000–400.000 v. Chr). Wieweit es sich dabei um eine Fähigkeit der Menschen gehandelt hat, Feuer selbst zu erzeugen, oder ob man Feuer, das aus Bränden oder Blitzeinschlägen stammte, nur bewahrt hat, ist unsicher.

Die Freiland-Fundplätze zeigen keine Pfostenlöcher oder Steinsetzungen, die angeben könnten, dass man temporäre Schutzbauten gegen die Umgebung und das Klima errichtet hat. Ebenso finden sich keine Herde oder dauerhafte Feuerstellen. An den Lagerplätzen findet sich zahlreiches Fundmaterial, zumeist Abschläge von der Herstellung von Steinwerkzeugen und Knochen von Jagdtieren, gleichmäßig verteilt und legt nahe, dass es keine höhere Form der Organisation der Lagerplätze gegeben haben dürfte. Zahlreiche der Knochenfunde weisen Schnittmarkierungen auf, als man das Fleisch abtrennte, viele Knochen sind aufgebrochen, um an das Knochenmark zu kommen. Die Mehrzahl der gefundenen Abschläge, die bei der Herstellung von Steinwerkzeugen entstanden, stammen von Steinvorkommen, die oft in unmittelbarer Nähe der Lagerplätze liegen. Eine weitergehende Planung betreffend das Heranschaffen von Rohmaterial und dessen Verwertung scheint es nicht gegeben zu haben.

Die Speere von Schöningen legen nahe, dass diese Frühmenschen die Fähigkeit zur Jagd besaßen und nicht nur Aasfresser waren. Die Entwicklung von Fernwaffen muss ein entscheidender Vorteil bei der Jagd gewesen sein, der die Besiedelung von Nordeuropa in der Steinzeit ermöglichte, da man damit auch in kaltem Klima und bei wenig Tageslicht schnell und effektiv jagen konnte. Im Typ entsprechen sie modernen Speeren, sie sind aus Fichtenholz gefertigt und haben einen Schwerpunkt gegen die Spitze zu, was vermuten lässt, dass sie als Wurfspeere genutzt wurden. Untersuchungen in altsteinzeitlichen Höhlen und unter Abris haben ergeben, dass sich der altsteinzeitliche Mensch aus einer Diät von Pflanzen und Fleisch ernährt hat, wobei die Art der Ernährung stark von den jeweiligen Jahreszeiten abhing. Man hat errechnet, dass der Radius der Aktivitäten des Menschen sich etwa auf einen Umkreis von 10 Kilometern beschränkte, Entfernungen darüber hinaus wären in der Bilanz der aufgewendeten Energie zum Ergebnis unwirtschaftlich gewesen. Man kann also davon ausgehen, dass sich kleine Gruppen von 20 bis 30 Menschen feste Lagerplätze einrichteten, in diesen eine Zeitlang blieben und die Umgebung ausbeuteten, bevor sie weiterzogen. Die Funde von solchen Lagerplätzen zeigen, dass sich ihr Standort an den Wanderungen von Tieren orientierte. Besonders Knochen von Rentieren, Pferden und Hornträgern bis hin zu Mammut und Rhinozeros zeigen, dass die Jagd die wichtigste Quelle zur Gewinnung von Fleisch und Protein darstellte. Dass der Frühmensch ein geschickter Jäger war, der auch vor Großwild nicht zurückschreckte, zeigt der Fund eines Schulterblattes eines Rhinozerosses mit einer Speerwunde aus Boxgrove in England, dessen Alter auf 500.000 Jahre datiert wurde. Unbekannt ist, ob der Frühmensch in Gruppen im offenen Gelände jagte oder ob er die Beutetiere in Fallgruben lockte und sie dann tötete. In Schöningen wurden Tierknochen mit Schnittmarkierungen gefunden, die von Feuersteinklingen herstammen, die vermutlich in hölzerne Halter eingelassen waren, um sie besser führen zu können.

Unbekannt sind die soziale Organisation der Menschen der Altsteinzeit oder ihre religiösen Ansichten. Es ist anzunehmen, dass sie sich in Familien oder kleineren Sippen organisiert haben, die sich bei der Jagd und beim Sammeln von Beeren und Früchten gegenseitig unterstützten. Männer und Frauen waren offenbar gleichwertig an den Tätigkeiten von Jagd und Sammeln beteiligt, soziale Konflikte scheint es durch das Fehlen von Besitz nicht gegeben zu haben.

Nur wenig lässt sich über die Lebenserwartung der Menschen der Zeit aussagen. Neben einer hohen Kindersterblichkeit und Geburtensterblichkeit der Frauen scheint sie bei etwa 30 Jahren gelegen zu haben, wenngleich diese Zahl manchmal bestritten wird. Grund dafür ist, dass sich bei diesem niederen Todesalter bestimmte Merkmale des späteren Menschen, wie die Menopause bei Frauen und ein Bevölkerungswachstum, nicht hätte entwickeln können, sodass man von einem höheren durchschnittlichen Lebensalter ausgehen müsste.

Steinwerkzeuge, die 2008 und 2009 bei Plakias an der südwestlichen Küste Kretas gefunden wurden, legen die Vermutung nahe, dass die Frühmenschen schon vor 700.000 Jahren in der Lage waren, als Seefahrer ferne Küsten zu erreichen.14 Der Umgang mit dem Meer und Funde entlang den Ufern des Mittelmeeres haben gezeigt, dass auch das Sammeln von Muscheln und das Erbeuten von Fischen zur Ernährung der Menschen im Altpaläolithikum beigetragen haben.

Mehr Information über das Leben der frühen Menschen in Europa gewinnt man aus einigen Fundorten, die jünger als 500.000 v. Chr. datiert werden. Am Fundort Boxgrove in Südengland wurde eine Anzahl von Werkplätzen des Homo erectus heidelbergensis gefunden, an denen Steinwerkzeuge, im Besonderen Steinkeile, hergestellt wurden. Man benutzte zunächst steinerne Schlagwerkzeuge, um die grobe Form herauszuarbeiten und danach feinere Knochenwerkzeuge, um die Ränder detailliert zu formen. Knochenreste und andere Funde deuten darauf hin, dass man hier beträchtliche Mengen an Fleisch konsumiert hat, das von Großwild stammte, daneben fanden sich Reste von Muscheln und Pflanzen. Dies deutet auf eine bereits organisierte Jagd hin, genauso wie auf die Ernährung durch Aas. Am Fundort Terra Amata bei Nizza15 entdeckte man die Reste zehn großer, oval geformter Hütten. Vermutlich bestanden sie aus in die Erde gesteckten Ästen, über die man Häute gespannt hatte. Sie waren zwischen acht und zehn Meter lang, besaßen zentral gelegene Herdstellen, und entlang der Pfostenlöcher und Steine an den Längswänden befanden sich in Längsrichtung angeordnete Steine. Datiert auf etwa 300.000 v. Chr. wird dieser Fund als eine saisonal genutzte Niederlassung gedeutet, in der die Bewohner vom Fischen und vom Sammeln von Miesmuscheln, Austern und Napfschnecken lebten. Die Pollenanalyse des Fundortes zeigte, dass diese Siedlung besonders im späten Frühjahr genutzt wurde.

Die Fundplätze von Wallendorf und Markkleeberg in Deutschland scheinen darauf hinzuweisen, dass sich hier größere Gruppen von Menschen zur gemeinsamen Bearbeitung von Feuerstein zu Werkzeugen zusammengefunden haben.

7McHenry H. M.; Human Evolution. In: Michael Ruse und Joseph Travis; Evolution: The first four billion years, Cambridge, Massachusetts: The Belknap Press of Harvard University Press 2009

8Stringer, Chris; The Origin of Our Species, Penguin, 2011, S. 139

9Lordkipanidze, David et al.; A complete skull from Dmanisi, Georgia, and the Evolutionary Biology of Early Homo, Nature 10/2013

10 Bonifey, E. et al.; Soleihac (Blanzac, Haute-Loire), nouveau site préhistorique du début du Pléistocène moyen, Bulletin de la Société préhistorique française. Études et travaux, 73 (1976), Nr. H-S pp. 293–304

11 Foley, Robert; Menschen vor Homo sapiens. Wie und warum unsere Art sich durchsetzte, Jan Thorbecke Verlag 2000

12 Sandars, N.K.; Prehistoric Art in Europe, Yale University Press 1995, S. 36

13 Thieme, Hartmut (Hrsg.); Die Schöninger Speere. Mensch und Jagd vor 400.000 Jahren. Ausstellungskatalog, Stuttgart 2007

14 Simmons, Alan; Mediterranean Island Voyages, Science 16 November 2012: Vol. 338 no. 6109, S. 895–897

15 Villa, Paola; Terra Amata and the Middle Pleistocene archaeological record of southern France, Berkeley, University of California Press 1983

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