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Sprache

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Bisher gibt es nur einen einzigen skelettieren Fund, der darauf hindeuten könnte, dass der Neandertaler die Fähigkeit einer entwickelten Sprache besessen haben könnte. Es handelt sich dabei um den Fund eines Zungenbeines aus der Kebara-Höhle in Israel, der 1983 im komplett erhaltenen Grab eines vor 60.000 Jahren verstorbenen Neandertalers getätigt werden konnte. Das Zungenbein beweist, dass der Neandertaler all jene Bänder und Muskel besessen haben muss, die zur Fähigkeit des Sprechens notwendig sind. Wieweit diese Sprache entwickelt war, lässt sich allerdings aus der Anatomie des Zungenbeines nicht sagen.23

Neue Hinweise auf die Sprachfähigkeit des Neandertalers ergeben sich aus seinem Genom, das in den letzten Jahren weitgehend untersucht werden konnte.24 So besaß er das Sprachgen FOXB2 (Forkhead Box2), das bisher einzig bekannte Sprachgen, das den modernen Menschen befähigt zu sprechen. Unklar ist, wie komplex die Sprache des Neandertalers war. Zahlreiche Forscher sind der Ansicht, dass Neandertaler zwar Sprachvermögen hatten, aber in ihren sprachlichen und kognitiven Fähigkeiten den modernen Menschen, die ihnen nachfolgten, deutlich unterlegen waren. Dagegen spricht, dass sich der Neandertaler in Europa in einer extrem harten Umwelt behaupten musste, sodass eine fortgeschrittene Sprachfähigkeit zur Organisation der Gruppe und besonders bei der Jagd notwendig gewesen wäre, da er sonst als Spezies nicht so lange erfolgreich überleben hätte können.

Eine weitere Frage ist, ob der Neandertaler schon über die Anfänge von Kunstempfinden verfügte oder ob die Erfindung der Kunst alleine dem modernen Menschen zuzuschreiben ist. Funde dazu stammen aus letzter Zeit aus der Höhle von Aviones im südöstlichen Spanien in der Nähe des Mittelmeeres. Hier fanden sich auf 50.000 v. Chr. datierte Muscheln, die mit roten und gelben Farbpigmenten von Hämatit und Pyrit verziert waren und die gelocht waren, sodass man sie an einer Schnur um den Hals tragen konnte. An einer Muschel fanden sich Reste von Goethit, der aus einem 60 Kilometer entfernten Fundort stammte und darauf hindeutet, dass solche Muscheln, vielleicht als Schmuck, über längere Strecken vom Neandertaler mit sich geführt wurden.25

Funde von Zeichnungen aus der Höhle von Nerja in Südspanien deuten darauf hin, dass auch schon der Neandertaler diese Kunst beherrschte, wenngleich es sich bei diesen Darstellungen von sechs Seehunden um die einzigen bisher bekannten Höhlenmalereien des Neandertalers handelt.26

Aus den verschiedensten Fundorten in Europa, die mit Neandertalerfunden vergesellschaftet sind, stammen Knochen und Steine mit Schnittlinien-Verzierungen, Reste von Farbpigmenten bis hin zum Rest einer möglichen Knochenflöte. Da viele der Objekte nicht sicher in die Zeit des Neandertalers datiert werden können, bleibt die Zuschreibung fraglich. Allerdings legt die Fülle der Funde nahe, dass Neandertaler ein frühes Dekor- und Kunstempfinden in Form von Symbolen hatten. Man kann daher heute davon ausgehen, dass Neandertaler abstrakte Gedanken formulieren konnten. Sie verwendeten Pigmente, sammelten kuriose Fossilien und schmückten Knochen mit Perforationen, Ritzungen oder Liniengravuren. Aus diesen und weiteren Befunden kann man das Bild eines fürsorglichen, sozialen und körperbewussten Menschen ableiten. Als der moderne Mensch in Europa eintraf, wurde das symbolische Inventar beider Menschengattungen umfangreicher, Statuetten und Darstellungen von Tieren lassen sich beim Neandertaler dennoch nicht nachweisen. Die kognitive Befähigung zum abstrakten Denken war offenbar beim Neandertaler vorhanden, sie wurde allerdings nicht im gleichen Maße genutzt wie beim Homo sapiens.

Die Urgeschichte Europas

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