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3. DER MENSCH KOMMT NACH EUROPA (800.000–240.000 v. Chr.)
ОглавлениеDie evolutionäre Phase, die zur Aufspaltung der Entwicklungslinien von Menschen und Schimpansen führte, datiert etwa sieben bis sechs Millionen Jahre vor unserer Zeit und führte in Afrika zu einer Anzahl von Arten, die den Hominiden (Menschenähnlichen) zuzurechnen sind.7 2,5 Millionen Jahre vor unserer Zeit war darunter eine körperlich relativ kleine, aber bereits mit einem größeren Gehirn ausgestattete Art, die zu unserer heutigen Spezies Homo gezählt wird: Homo habilis (geschickter Mensch) und sein Verwandter, Homo rudolfensis (Mensch vom Rudolfsee). Etwa zur selben Zeit begannen diese Arten mit der Herstellung und Verwendung von ersten Steinwerkzeugen in Form großer Kiesel, von denen man mit anderen Steinen Abschläge herunterschlug. Mit diesen Steinwerkzeugen beginnt die Altsteinzeit (Altpaläolithikum), die je nach Region bis etwa 300.000–200.000 v. Chr. andauern wird. Eine größere Spezies von Homo (Homo ergaster) erschien etwa 1,9 Millionen Jahre vor unserer Zeit, breitete sich von Zentralafrika kommend rasch aus und gelangte in einer ersten Wanderungswelle bis nach China und Java, aber nicht nach Europa. Dieser Vorgang wird sich schnell ändernden klimatischen Verhältnissen und dem Druck einer sich wandelnden Umwelt zugeschrieben. Vermutlich gab es starke Veränderungen im Verhalten der Spezies, wie die Annahme der Gewohnheit Fleisch zu essen, was zu einer Bevölkerungsvermehrung und zur Auswanderung in neue Gebiete führte. Vielleicht ab 1,6 Millionen Jahre vor unserer Zeit, mit Sicherheit aber erst vor 750.000 Jahren, begann der Mensch der Gattung Homo erectus das Feuer zu nutzen, um zu kochen, sich warmzuhalten oder sich gegen Fressfeinde zu verteidigen.8 Vor etwa 1,5 Millionen Jahren entwickelte Homo erectus neue fortgeschrittene Arten von Werkzeugen wie Faustkeile mit einer symmetrischen Form und einer scharfen Schneide, die sich für viele Arten von Arbeit eigneten, besonders aber zum Verarbeiten von Beutetieren.
Neuere Funde, besonders aus Georgien9 (Schädel fünf aus Dmanisi), könnten nahelegen, dass unsere ältesten Vorfahren nur einer Art des Homo erectus entstammten, und nicht mehreren, wenn man annimmt, dass die Unterschiede im Knochenbau, an den Zähnen und in der Schädelform einer Spezies größer waren, als man bisher angenommen hat.
Es ist noch nicht ganz gesichert, ab wann die Vorfahren des modernen Menschen begonnen haben, Europa zu besiedeln. Nach einigen Steinartefakten aus der Region des Mittelmeeres könnte man vermuten, dass dies zwischen 1,8 Millionen und einer Million Jahre v. Chr. geschehen ist. Die gesicherte und datierte Fundstelle Isernia La Pineta südlich von Rom deutet eher auf eine spätere Besiedelung um oder vor 750.000 v. Chr. hin. Die Fundstelle besteht aus Ablagerungen von Bisonknochen, unter denen sich einige tausend Abschläge und Steinwerkzeuge gefunden haben, leider gibt es von hier keine menschlichen Überreste. Andere Fundorte wie Soleihac in der Auvergne10 könnten je nach Interpretation auf eine Besiedelung ab 900.000 v. Chr. hindeuten und zeigen, welche Schwierigkeiten die Datierung dieses Ereignisses bildet, da der Mensch dieser Zeit nur wenige Spuren hinterlassen hat.
Vermutlich hat das damalige extreme Klima mit Durchschnittstemperaturen unter zehn Grad Celsius die Besiedelung Europas erschwert, sodass diese in einem größeren Unfang erst begann, als der Mensch das Feuer mit Sicherheit beherrschte. Die ersten archäologischen Spuren menschlicher Besiedelung stammen aus der Zeit um 800.000 v. Chr. aus Gran Dolina bei Atapuerca in Spanien, mit dem Fund von sechs Skeletten, die zu einer entwickelten Form von Homo ergaster gerechnet werden und auch unter Homo antecessor oder Homo mauritanicus klassifiziert werden. Schneidemarken auf den Knochen sowie die Art wie sie aufgebrochen wurden lassen vermuten, dass diese Menschen Opfer von Kannibalismus wurden. Ein weiteres Schädelfragment dieser Art und etwa in dieselbe Zeit datiert stammt aus Ceprano in Latium in Italien.
Archäologische Reste des Homo erectus sind in Europa nur wenige bekannt, ein gesichertes Fragment ist ein Unterkiefer aus einer Kiesgrube bei Mauer in der Nähe von Heidelberg, der einer Chronospezies des Homo erectus, dem Homo erectus heidelbergensis zugewiesen wird.11
Das Hauptkriterium der Veränderung der Spezies war weniger die Vergrößerung des Schädels und damit des Gehirnvolumens, sondern die Verringerung der Anzahl der Zähne. Die Schädel selbst bleiben robust mit dicken Knochen und vorgewölbten Augenwülsten, vom Skelettaufbau ist nur wenig bekannt. Auf Grund dieser Schädelreste, wovon die Mehrzahl ungefähr in die Zeit von 400.000 bis 200.000 v. Chr. eingeordnet werden können, wird diese Art des Homo erectus heidelbergensis als der archaische Typ des Homo sapiens angesehen, um ihn von den späteren Entwicklungen in Europa und besonders in Afrika zu unterscheiden.
Es ist bedingt durch die geringe Anzahl menschlicher Fossilien in Europa kaum möglich, eine chronologische und topographische Karte der Besiedelung dieser Zeit zu erstellen. Erst um 200.000 v. Chr. änderte sich die Situation, als sich die archaische Form des Homo erectus heidelbergensis zur am besten in Europa bekannten Art des Urzeitmenschen weiterentwickelt, dem Neandertaler (Homo neanderthalensis).
Es ist wahrscheinlich, dass die Technik der Steinbearbeitung bereits von Homo erectus aus Afrika nach Europa gebracht wurde. Produkte dieser Zeit werden dem Acheuléen zugerechnet, dessen Technik darin bestand, kleinere und größere Faustkeile und Schaber herzustellen. Die gesamte Altsteinzeit hindurch änderte sich an dieser Technik nur wenig, von einem Grundprodukt wurden Teile abgeschlagen, um ein Werkzeug mit Spitzen oder scharfen Kanten herzustellen. In Europa wurde dazu meist Feuerstein verwendet, wie er in Flüssen oder Gesteinsadern vorkommt. Wo solcher nicht vorhanden war, konnten Quarzite oder Hornstein verwendet werden. Die Produkte dieser Zeit sind dadurch charakterisiert, dass sie allgemein und für jede Art von Gebrauch verwendet werden konnten, eine Spezialisierung fand nicht statt.
In die Zeit des Jungacheuléen, es begann in der späten Riß-Kaltzeit und endete zu Beginn der letzten Kaltzeit, fällt der Übergang vom Homo erectus heidelbergensis zum Neandertaler, dabei gewannen die hergestellten Steinwerkzeuge weiter an Qualität. Besondere Techniken bei der Herstellung konnten im Mittelpaläolithikum (200.000–40.000 v. Chr.) vom Neandertaler eingesetzt werden, so haben die Produkte der Levallois-Technik die Eigenschaft, dass ihre Form bereits vor Beginn der Bearbeitung feststand, die je nach zukünftigem Gebrauch aus dem Ausgangsmaterial herausgeschlagen wurde. Hergestellt werden konnten neben Faustkeilen auch spezialisierte Instrumente wie Schneidemesser zum Zerteilen von Fleisch, Geräte zum Zerschlagen von Knochen, Schaber zum Bearbeiten von Fellen und Häuten und Bohrer.
Es treten lanzenförmige, aber auch herz- und mandelförmige Faustkeile auf, die sich durch fein herausgearbeitete Spitzen und geradlinige Seitenkanten auszeichnen. Die teilweise über die reine Funktionalität hinaus gestalteten Faustkeile, besonders die in einer stark symmetrischen Form, werden als Anzeichen ästhetischen Empfindens interpretiert.12 Die mit der Levallois-Technik bearbeiteten Geräte verbreiteten sich schnell, Abschlaggeräte dieser Technik aus späterer Zeit sind oft vom Moustérien, der typischen Steinkultur des Neandertalers, kaum noch zu unterscheiden.
Es ist die Frage, wie weit die Menschen der Alt- und Mittelsteinzeit auch hölzerne Gerätschaften eingesetzt haben, da sich diese in Europa durch die klimatischen Umstände und Bodenverhältnisse kaum erhalten haben. Die Funde einer etwa 40 cm langen hölzernen Speerspitze aus Eibe aus Clacton-on-Sea in Essex und von acht hölzernen Speeren aus Schöningen bei Hannover13 (datiert in die Zeit um 400.000–270.000 v. Chr.), die dem Homo erectus heidelbergensis zugeschrieben werden, legen eine Verwendung hölzerner Gerätschaften zumindest für die Jagd nahe.