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5. HOMO SAPIENS KOMMT NACH EUROPA (60.000–13.000 v. Chr.)

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Seine Entwicklungsgeschichte und die Geschichte seiner Ausbreitung über die gesamte Welt sind für den modernen Menschen, Homo sapiens, noch immer unklar. Die allgemeine Ansicht sagt, dass er sich von 200.000 bis 150.000 v. Chr. in Afrika entwickelt hat und von dort aus mit etwa 2.250 Individuen um 117.000 v. Chr. in zwei Wellen die Welt besiedelt hat, ein Vorgang, bei dem er alle anderen Arten von Menschen erfolgreich verdrängte, assimilierte oder in das Aussterben trieb.34 Ob dies ohne Vermischung mit anderen Menschenarten vor sich gegangen ist, bleibt fraglich, wie das Beispiel des Kindes von Riparo di Mezzena gezeigt hat. Es hat vermutlich ein gewisses Maß an Vermischung gegeben, offensichtlich besonders in Europa.35 In West-Asien, wo der moderne Mensch mit dem Neandertaler für fast 100.000 Jahre gleichzeitig existierte, gab es keine signifikanten Unterschiede in ihren Werkzeugen und offensichtlich auch nicht in ihrer Lebensweise, beide Arten dürften über diese lange Zeit kulturell und geistesmäßig auf demselben Niveau existiert haben.

Etwa vor 60.000–40.000 Jahren v. Chr. kam es zu einer Änderung im Kulturniveau in Europa, dies zu einer Zeit, als sich der moderne Mensch aufmachte, nach Europa einzuwandern. Die großen und eher rau bearbeiteten Steinwerkzeuge wurden schlanker und in verschiedenen Typen hergestellt, die jeweils spezialisierten Zwecken dienten. Man konnte unterschiedliche Klingen aus einem Werkstück herausarbeiten und ging so sorgfältiger und sparsamer mit dem seltenen Ausgangsmaterial um. Dadurch, dass die Steinwerkzeuge schmaler wurden, waren sie auch leichter und konnten einfacher auch über weite Strecken transportiert werden. Neben Steinen wurden auch Werkzeuge und Jagdwaffen aus Holz, Knochen, Elfenbein und Geweihstücken hergestellt. Ab etwa 30.000 v. Chr. finden sich auch Nadeln im Fundinventar, dies legt nahe, dass der Cro-Magnon-Mensch36, benannt nach dem Fundort von Cro Magnon bei Les Eyzies in der Dordogne in Frankreich, zu dieser Zeit damit begonnen hat, sich Kleidung aus Tierhäuten zusammenzunähen.

Das fortschrittlichste Gerät der Zeit war die Speerschleuder, welche es durch ihre Hebelwirkung ermöglichte, Speere mit großer Wucht über weite Entfernungen zu schleudern. Parallel dazu treten erstmals zeremonielle Gegenstände und Statussymbole auf, die häufig mit elegant geschnitzten Mustern verziert oder wie Tiere geformt wurden. Es wurden zahlreiche Formen von Meißeln gefunden, die belegen, wie der Mensch mit dem Rohmaterial umgegangen ist.

Andere Lebensbereiche wie das Errichten von Unterkünften oder sicher deutbare Begräbnisse und besser entwickelte Jagdtechniken zeigen, dass sich der menschliche Geist in kurzer Zeit stark weiterentwickelt hat. Man hat versucht, dies mit dem Aufkommen einer artikulierten und begriffsorientierten Sprache zu erklären. Diese neue Sprachfähigkeit erlaubte es dem modernen Menschen Ideen auszudrücken, Wissen über Generationen mündlich weiterzugeben und eine gemeinsame Zukunftsplanung zu machen, und sei es nur, um eine Taktik für die Jagd am nächsten Tag zu entwickeln. Diese Sprachfähigkeit des modernen Menschen dürfte über die des Neandertalers hinausgegangen sein und war wahrscheinlich einer jener evolutionären Vorteile, die dem modernen Menschen langfristig seine Vorrangstellung in Europa sicherte, während er den Neandertaler verdrängte.

Den Beginn des Erscheinens des modernen Menschen setzt man in die Epoche des Aurignacien, etwa in die Zeit vor 60.000–45.000 Jahren. Die ersten modernen Menschen dürften Europa aus dem Nahen Osten oder aus dem Kaukasus kommend im Südosten über den Balkan erreicht haben, von hier aus verteilten sie sich rasch auf das gesamte südliche Europa von Bulgarien über Frankreich bis nach Spanien. Von Beginn an ist das Fundmaterial dieser Epoche durch schmale Steinklingen charakterisiert, dazu kommt die Anfertigung von Schmuckgegenständen, Elfenbeinfiguren und Felsgravierungen, wie auch etwas später die eindrucksvollen Malereien in Höhlen.

Aber auch der Neandertaler scheint vom modernen Menschen noch gelernt zu haben. In der Kultur des Châtelperronien, benannt nach dem Fundort der Grotte des Fées bei Châtelperron in Südfrankreich, erscheinen auch in Fundorten von Neandertaler-Stätten feiner gearbeitete Werkzeuge, wobei es fraglich ist, ob der Neandertaler diese neue Art der Steinbearbeitung selbst erfunden oder sie sich vom modernen Menschen abgeschaut hat. Dennoch sind diese Werkzeuge des Aurignaciens mit großer Sorgfalt hergestellt und deuten darauf hin, dass die intellektuellen Unterschiede vom Neandertaler zum modernen Menschen nicht allzu groß gewesen sein dürften.

In diese Zeit ist auch ein Übergang in der Hautpigmentierung des Cro-Magnon-Menschen zu datieren. Allmählich hellte sich die ursprünglich dunklere Hautfarbe auf, um die Aufnahme der schwächeren Sonneneinstrahlung besser zu gewährleisten und so dem Problem der Rachitis mit ihrem Vitamin-D-Mangel vorzubeugen.

Man muss sich vorstellen, dass zu dieser Zeit Europa noch eine andere topographische Gestalt hatte als heute. Die gesamte skandinavische Halbinsel, große Gebiete in Norddeutschland, der Norden Englands und Irlands waren von einer kilometerdicken Eisschicht bedeckt. Der Meeresspiegel lag wesentlich niederer als heute, was dazu führte, dass ein weites trockenes Gebiet das Festland mit den heutigen Inseln von England und Irland verband. Die Adria hatte nur die Hälfte ihrer modernen Größe, die Bucht von Biskaya war weitgehend trocken und das Schwarze Meer ein Binnensee. Die Alpen und auch die Pyrenäen waren von einem dicken Eispanzer überzogen. Südlich der Eisgrenze hatten sich weite Tundraebenen mit einer reichen Fauna von Rentieren, Pferden, Auerochsen, Wisenten, Hirschen, Mammuts und Nashörnern gebildet. Löwen, Leoparden, Hyänen und Wölfe waren Nahrungskonkurrenten der Menschen. Nur in Südeuropa war das Klima freundlicher, an den Ufern des Mittelmeeres erreichten die Temperaturen im Sommer bis zu 15 Grad Celsius und ermöglichten eine höherwertige Flora und Fauna.

Bei der archäologischen Untersuchung des Jungpaläolithikums hat man begonnen, die Werkzeuge nach ihrer Art und Herstellung chronologisch und geographisch zu ordnen. Diese Unterteilung wird noch heute genutzt, um die einzelnen Zeitabschnitte des Jungpaläolithikums zu benennen. Da der größte Teil dieser Forschungen aus Frankreich stammte, sind diese Zeit- und Kulturabschnitte zumeist nach französischen Fundorten benannt. Wieweit diese Fundorte in der Urgeschichte untereinander in Verbindung standen, ist nur wenig bekannt, die meisten werden regionale Zentren gewesen sein, die nur lose über die Zeiten und die Geographie mit anderen Zentren vernetzt waren.

Die Anfänge der Technologie im Jungpaläolithikum Europas werden in zwei kulturelle Abschnitte geteilt, das Aurignacien und das Châtelperronien, benannt nach französischen Fundstätten, die beide in die Zeit von 45.000 bis 30.000 v. Chr. datiert werden. Es war dies die Kultur des Cro-Magnon-Menschen, und zahlreiche Funde von Artefakten und Gräbern stammen aus dieser Zeit37. Die Châtelperronien-Kultur war lokal enger begrenzt und steht mit dem modernen Menschen im Zusammenhang, sieht man von einem Neandertalerschädel ab, der in einer der Fundstätten ausgegraben wurde und belegt, dass Cro-Magnon-Menschen und Neandertaler noch lange Zeit nebeneinander und vielleicht auch miteinander in Europa gelebt haben. Wieweit es dabei zu einem Austausch von Technologien gekommen ist und ob auch der Cro-Magnon-Mensch sich Wissensgut des Neandertalers angeeignet hat, ist nicht sicher zu beantworten.

Vor etwa 30.000 Jahren erscheint die Gravettien-Kultur (benannt nach dem Fundort La Gravette in der Dordogne in Frankreich), der sich ab etwa 23.000 v. Chr. die Solutréen-Kultur (nach dem Fundort von Solutré-Pouilly im Burgund, Frankreich) anschloss. Die Gravettien-Kultur dürfte von einer Wanderungswelle moderner Menschen aus Zentralasien ausgelöst worden sein, die um diese Zeit in Osteuropa eintrafen. Sie brachten neue Technologien mit, darunter Kenntnisse der Korbflechterei, des Gebrauchs von Seilen, des Fischfanges mit der dazugehörigen Ausrüstung und Nadeln mit einem Öhr zum Nähen. Diese neuen Technologien scheinen es dem Menschen leichter gemacht zu haben, sich dem ständig kälter werdenden Klima anzupassen, und die Gravettien-Kultur breitete sich von 30.000 bis 27.000 v. Chr. über ganz Europa aus. Typisch für das Gravettien ist der Beginn der Kunst des Cro-Magnon-Menschen, die sich zunächst in der Anfertigung kleiner stilisierter weiblicher Figuren ausdrückte, die als Venus-figurinen bekannt sind.38 Es war dies eine Weiterentwicklung einer Kunstform des Aurignacien, in der sich die Menschen symbolhaft durch Kunst ausdrückten, im Aurignacien waren dies besonders Formen des Sexualsymbolismus mit expliziten Vulva-Darstellungen. Diese eher einfachen Darstellungen wurden nun durch zahlreiche, oft abstrakt anzusehende Venusfigurinen ersetzt, welche übertrieben schwellende Brüste und Hüften aufweisen. Das bekannteste Beispiel dafür ist die Venus von Willendorf aus Österreich.39 Die gleichzeitige und weite Verbreitung dieser Figurinen belegt, dass sich rituelle und zeremonielle Einrichtungen auch über Entfernungen festigten und es eine gemeinsame Weltsicht und eventuell auch Jenseitssicht des Cro-Magnon-Menschen gegeben haben könnte. Diese Figuren finden sich von der Atlantikküste im Westen bis nach Sibirien im Osten. Die Fundorte liegen meist nur wenig südlich der damaligen Eisgrenze und belegen, dass der Mensch es zu dieser Zeit verstanden hat, auch über weite Entfernungen Kontakte herzustellen und Gedanken auszutauschen. Daneben treten auch Objekte im Fundmaterial auf, die belegen, dass auch Muschelschalen oder Bernstein über große Entfernungen transportiert und gehandelt wurden. Dies weist darauf hin, dass die einzelnen, verstreut lebenden Gruppen von Menschen immer wieder Kontakte zu anderen Gruppen hatten und sich mit diesen ausgetauscht haben müssen, die Anfänge eines sozialen Systems, das im Laufe der Zeit offenbar immer wichtiger wurde.

Über die Lebensweise der Menschen zu dieser Zeit geben einige Fundplätze Auskunft. In Dolní Věstonice in Südmähren wurden Lagerplätze ausgegraben, die auf ein Alter von etwa 27.000 Jahren v. Chr. datiert wurden. Die Menschen lebten zeitweise in Grubenhäusern, deren Böden etwa um einen Meter abgesenkt waren, die Wände bestanden aus hölzernen Pfählen, die mit Tierhäuten bespannt waren. Die versenkten Bauten sollten die Menschen vor Wind und den starken Winterstürmen schützen. Offenbar hatte man in dieser Siedlung für etwa 100 bis 125 Menschen ständig ein Feuer brennen, und da Holz knapp war, verbrannte man stattdessen Mammutknochen. Hier wurden auch zahlreiche kleine Venusfigurinen aus Ton gefunden, die man, offenbar aus rituellen Gründen, im Feuer zerstört hatte.

Aus der Zeit um 25.000 v. Chr. stammen zahlreiche Siedlungen und Lager, die bei Kostenki in der Ukraine freigelegt wurden. Durch den Mangel an Holz baute man hier bis zu 12 Meter messende Langhäuser völlig aus Mammutknochen, die vermutlich mit Tierhäuten überzogen waren.

Die meisten Funde aus dem Jungpaläolithikum stammen aus Südfrankreich, was aber nicht bedeutet, dass dies die bedeutendste Region des modernen Menschen zu dieser Zeit war. Die Lebensbedingungen dürften hier aber besonders günstig gewesen sein, es fand sich eine Anzahl von Freilandsiedlungen, die Mehrzahl der Menschen dürfte aber unter Felsüberhängen, die typisch für diese Kalksteinregion sind, gelebt haben.

Etwa um 22.000 v. Chr. fiel die Temperatur in Europa weiter, bis sie von 20.000 bis 18.000 v. Chr. in den Höhepunkt der letzten Eiszeit mündete (LGM = Letztes Glaziales Maximum). In dieser Zeit, benannt als Solutréen, zogen sich die Menschen vermehrt aus dem Norden in den Süden zurück. Ihre Fundorte sind durch besonders feine Steinspitzen charakterisiert, die zu grazil für die Jagd waren und für einen kultischen Zweck bestimmt gewesen sein dürften.

Obwohl sich aus dieser Zeit keine Kleidung erhalten hat, zeigt der Fund von Knochennadeln, dass es üblich war Kleidung anzufertigen. In den Gräbern von Sungir in Russland hat man zahlreiche kleine Elfenbeinperlen gefunden, die einst die Kleidung eines vermutlich hochstehenden Mannes dekorierten. Daraus kann man schließen, dass der Bestattete Hosen trug und dazu ein Übergewand mit Kapuze oder eine eigene Kappe. In anderen Begräbnissen fanden sich kleine Muscheln, Tierzähne und Fischgräten als Dekoration der Kleidung sowie Anhänger, die um den Hals getragen wurden. Man hat darin den Beginn der Individualisierung des Menschen gesehen und nimmt an, dass diese Gegenstände dem einzelnen Menschen eine unverwechselbare Identität verschaffen sollten, die ihn vielleicht als Mitglied einer sozialen Gruppe ausgewiesen hat. Diese soziale Interaktion war vermutlich überlebenswichtig in den Verhältnissen dieser Zeit, da sie Hilfe und Unterstützung versprach, wenn die Ressourcen einer Region oder eines Stammes knapp wurden. Da in dieser Epoche die Bevölkerungsdichte in Europa anstieg, war es auch notwendig, Regeln und Rituale im Verhältnis verschiedener Gruppen zu erstellen. Obwohl sich diese Gruppen in einem bestimmten begrenzten, klimatisch günstigen Umfeld niedergelassen hatten, unterhielten sie dennoch Beziehungen mit anderen Gruppen zum Austausch von Materialien und Ideen. Man hat festgestellt, dass Gegenstände wie Bernstein, Muscheln und bestimmte Steinarten über Strecken von bis zu 1.000 Kilometern weitergegeben wurden und so die Wichtigkeit dieser Verbindungen der Gruppen untereinander belegen.

Die wirtschaftlichen Verhältnisse der Zeit hatten sich ab 30.000 v. Chr. grundsätzlich geändert. Hatte der Neandertaler noch geschickt die natürlichen Gegebenheiten ausgenutzt, die sich ihm boten, so verfolgte der Cro-Magnon-Mensch eine geplante und organisierte Strategie in der Nahrungsversorgung. Vermutlich verfügte er über eine Reihe unterschiedlicher Jagdstrategien mit geplanten Hinterhalten, die jedem Jagdteilnehmer eine Rolle zuwiesen, vielleicht verwendete er schon neben den natürlichen Gegebenheiten Zäune, um das Jagdwild in eine Richtung zu treiben, wo es dann von den Jägern erwartet wurde. So war der Fundort von Solutré in Frankreich eine Schlucht ohne Ausgang, hier wurden Herden von Pferden hineingetrieben und abgeschlachtet. Die Menschen nutzten die Jahreszeiten und die Wanderungen der Herden, man jagte Großwild bevorzugt im Herbst, wenn man das Fleisch in Eisgruben speichern konnte. Die Menschen unternahmen lange Wanderungen, um in bestimmten Gegenden zu speziellen Zeiten zu jagen. Man errichtete dafür kurzlebige Lagerplätze, in denen zahlreiche Menschen zusammenkamen, man hatte Werkplätze, um bestimmte Steinvorkommen gemeinsam zu nutzen, daneben scheint es auch einfache erste Siedlungen gegeben zu haben, die das ganze Jahr hindurch genutzt wurden. Vermutlich war in diesen Siedlungen ein dauerndes Kommen und Gehen von Jagdgruppen, nur im Winter, wenn man von gespeicherten Vorräten leben konnte, scheinen sich größere Gruppen dauerhaft zusammengefunden zu haben. Der Fund von großen Feuerstellen belegt die Wichtigkeit des Feuers zum Auftauen und Kochen der Jagdbeute. Man machte Gebrauch von fast allem, was die Natur bot, in einigen Regionen scheint man sich auf besondere Tiere als Beute konzentriert zu haben, im Osten auf Pferde und im Westen auf Rentiere. Man kannte bereits geknotete Netze vermutlich zum Fangen von Hasen und verwendete Speerschleudern, um die Reichweite der Jagdwaffen zu verlängern. Ob man auch schon mit Pfeil und Bogen gejagt hat, ist noch unsicher, die ältesten Pfeilspitzen aus der Höhle von Parpallo bei Valencia werden in das Solutréen etwa 22.000–18.000 v. Chr. datiert.40

Die bedeutendste Veränderung des Menschen des Jungpaläolithikums fand im Bereich der Kunst statt. Der Grund für diese Entwicklung ist Gegenstand einer breiten Diskussion, eine einfache Erklärung für das Volumen der künstlerischen Manifestationen, von gravierten Steinen über dekorierte Knochen und Elfenbeinstatuetten bis hin zu den Höhlenmalereien des Magdaléniens, gibt es nicht. Mögliche Erklärungen hat man in ersten Aufzeichnungen über die Abfolge der Jahreszeiten oder über Phänomene der Natur gesehen, man hat versucht, in der Kunst Ausdruck von Planung und Erziehung zu sehen, Repräsentation von Schamanen und Totems oder einfach den Wunsch nach Dekoration und der Verbesserung des Lebens. Andere Gründe wie Jagdzauber kann man eher ausschließen, da die mögliche Beute zu selten dargestellt ist, und wegen der Abwesenheit von Jagdszenen oder von verwundeten Tieren.

In die Zeit des Jungpaläolithikums fällt auch der Beginn von Begräbnissen mit Grabbeigaben, die sowohl in Höhlen wie auch im offenen Gelände gefunden werden. Es ist dies kein Beseitigen des Leichnams mehr, wie man es eher dem Neandertaler zuschreibt, sondern die neuen Grabsitten scheinen die Gedanken der Menschen über ein Leben nach dem Tode auszudrücken. Manche Gräber enthalten mehrere Bestattungen, was vermuten lässt, dass man im Winter die Toten wegen der gefrorenen Erde nicht beerdigen konnte. Grabbeigaben wie Schmuck, Werkzeuge und Waffen sowie kleine Figurinen finden sich nun vermehrt in den Begräbnissen.

Um etwa 18.000 v. Chr., am Höhepunkt der letzten Eiszeit, wurde die Kultur des Solutréen von der des Magdalénien abgelöst. Diese verdankt ihren Namen der Abris-Siedlung von La Madeleine, die nahe Les Eyzies-de-Tayac in der Dordogne an den Ufern des Vézère-Flusses liegt. Das Magdalénien dauerte bis um 10.000 v. Chr. und brachte die intensivsten Veränderungen in der Lebensweise der Menschen im gesamten Jungpaläolithikum. Der Mensch hatte sich zu dieser Zeit perfekt an die klimatischen Verhältnisse der Eiszeit angepasst. Seine handwerkliche Geschicklichkeit in der Bearbeitung von Steinen und Knochen waren am Höhepunkt und ab etwa der Zeit vor 15.000 bis 12.000 Jahren v. Chr. entstanden 80 Prozent aller bekannten Höhlenmalereien.

Das Klima in dieser Zeit war starken Schwankungen unterworfen. Nach dem Höhepunkt der Eiszeit etwa um 18.000 v. Chr. kam es um 12.700 v. Chr. zu einer starken Erwärmung, wobei Klimawerte erreicht wurden, die etwa den heutigen entsprechen. Um 10.800 v. Chr. wurde es schnell wieder kälter mit einem letzten Vorstoß der Gletscher, aber um 9.800 v. Chr. stiegen die Temperaturen wieder deutlich an. Jede dieser klimatischen Veränderungen hatte einen deutlichen Einfluss auf die Flora und Fauna Europas und damit auch auf die hier siedelnden Menschen.

Die Menschen des Magdalénien waren in erster Linie Jäger des Großwildes, besonders von Rentieren, die im Fundmaterial zu fast 90 Prozent dominierend sind. Da die Rentierherden je nach Jahreszeit umherwanderten, war es für die Menschen des Magdalénien notwendig, mit diesen zu ziehen, oft über weite Strecken von bis zu 1.000 Kilometern. Man kann ihre saisonal nomadische Lebensweise mit der von heutigen Rentierjägern in der Tundra Sibiriens vergleichen. Wieweit sie dazu übergingen, ihre Jagdtiere auch zu domestizieren, ist noch nicht ganz geklärt, vielleicht war es ihnen schon möglich, Rentiere zur Milchversorgung oder als Lasttiere zu gebrauchen.

Elfenbeinschnitzereien aus der Zeit lassen vermuten, dass neben Rentieren auch Pferde domestiziert wurden, besonders da auf einigen Figurinen halterähnliche Gegenstände im Bereich des Kopfes von Pferden aufscheinen. Das könnte belegen, dass man Pferde nicht nur als Lasttiere, sondern auch schon zum Reiten verwendet hat. Der Vorgang der Domestizierung könnte so gewesen sein, dass man bei der Jagd Jungtiere verschonte, sie aufzog und so an den Menschen gewöhnte. Dadurch konnten nicht nur Last- und Reittiere gewonnen werden, die Tiere standen auch als Fleischreserve für magere Zeiten zur Verfügung.

Die verbesserten Jagdtechniken des Magdaléniens führten zum Aussterben von Großwild wie der Moschusochsen und Riesenhirschen. Neue Techniken in der Jagd kamen auf. Kleine Steinspitzen deuten darauf hin, dass man diese an Pfeilen befestigt hat und vermehrt mit Pfeil und Bogen auf die Jagd ging. Eventuell hat man in Europa auch schon Hunde als erste Spezies domestiziert, die der Mensch in seinen Haushalt aufnahm.41

Nicht außer Acht lassen darf man den Umstand, dass der Mensch des Magdalénien höchst unterschiedliche Lebensbedingungen vorfand. An den Küsten der Meere war die Nahrungsversorgung durch Muscheln und Fische ständig gewährleistet, was zu einer gewissen Sesshaftigkeit beigetragen haben mag. Im Inneren des Kontinentes folgte man den großen Rentierherden auf ihren Wanderungen. In Westeuropa gab es vermutlich mehr pflanzliche Nahrung, im Osten hingegen war der Fleischkonsum vorherrschend. Alle diese Faktoren führten zu einem unterschiedlichen Bevölkerungswachstum und zur Ausbildung verschiedener Gesellschaftsstrukturen.

Das Ansteigen der Bevölkerung, im Magdalénien wuchs die Zahl der Menschen in Südfrankreich vermutlich auf das Dreifache an, machte neue Formen sozialer Organisation notwendig. Die Menschen teilten sich in verschiedene Gruppen, Stämme oder Familien auf, die eine bestimmte Größe haben mussten. Diese hing einerseits davon ab, wie viele Menschen friedlich miteinander leben konnten, wieweit eine Region eine Gruppe versorgen konnte oder wie groß eine Gruppe sein musste, um Inzucht zu vermeiden. Notwendig war es daher, dass sich diese Gruppen ab und zu wieder zusammenfanden, sei es um Ideen, Material oder auch heiratsfähige Menschen auszutauschen. Besonders in Südfrankreich scheint man bestimmte Plätze als Versammlungsorte genutzt zu haben, in denen sich das soziale Leben abgespielt hat.

Die Lebenserwartung der Menschen des Magdalénien war nur kurz. Nach der Untersuchung von 76 Gräbern des Jungpaläolithikums scheint nur die Hälfte der Menschen ein Alter erreicht zu haben, das höher als 21 Jahre lag, nur 12 Prozent waren älter als 40 Jahre, und es gibt kein Skelett einer Frau, die älter als 30 Jahre war. Viele Skelette wiesen Zeichen von Mangelerkrankungen wie etwa Rachitis auf, zahlreiche Knochenbrüche ließen sich ebenfalls nachweisen.

Die Ausstattung der Gräber wie die von Sungir oder die Kindergräber aus der »Grotte des Enfants« bei Balzi Rossi in Italien legen die Vermutung nahe, dass die Menschen begannen, sich in verschiedene soziale Schichten aufzuteilen. Soziale Stellung dürfte vielleicht auch schon als Erbe weitergegeben worden sein und äußerte sich beim Tode in reichen Beigaben in den Gräbern. Da man offenbar besonderen Wert auf Begräbnisse legte, muss es auch Menschen gegeben haben, die als Schamanen diese leiteten und den Kontakt zum Jenseits, vielleicht auch zu einer Gottheit, herstellten.

34 Sheehan, S; Harris. K; Song, YS; Estimating variable effective population sizes from multiple genomes: a sequentially markov conditional sampling distribution approach, Genetics. 2013 Jul;194(3):647–62, doi: 10.1534/genetics.112.149096. Epub 2013 Apr 22

35 Sankararaman Sriram et al.; The genomic landscape of Neanderthal ancestry in present day humans, Nature 29.1.2014, online: doi:10.1038/nature12961

36 Der Cro-Magnon-Mensch ist eine – in der europäischen Forschungstradition begründete – Bezeichnung für den anatomisch modernen Menschen (Homo sapiens) der letzten Kaltzeit. Als Epoche der Cro-Magnon-Menschen gilt die Zeitspanne vom ersten Nachweis von Homo sapiens in Europa vor etwa 60.000–40.000 Jahren bis zum Übergang vom Pleistozän zum Holozän vor etwa 12.000 Jahren.

37 Darunter die ältesten Skulpturen der Menschheit, Tierdarstellungen aus der Vogelherdhöhle, dem Geißenklösterle und dem Hohlen Fels im Bereich der Schwäbischen Alb, siehe: Werner, Jürgen; Die Eiszeitjäger auf der Schwäbischen Alb. Bad Schussenried, 2008

38 Delporte,Henri; L’image de la femme dans l’art préhistorique, Ed. Picard 1979

39 Antl-Weiser, Walpurga; The anthropomorphic figurines from Willendorf. In: Wissenschaftliche Mitteilungen aus dem Niederösterreichischen Landesmuseum 19 (2008), S. 19–30

40 Pericot, Garcia L.; La cueva del Parpallo, Madrid 1957

41 Thalmann, O. et al.; Complete Mitochondral Genomes of Ancient Canids Suggest a European Origin of Domestic Dogs, Science 15, Nov. 2013, Vol 342, no. 6160, S. 871–874

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