Читать книгу Der Wiener Kongress - Reinhard Stauber - Страница 12
Konstitution
ОглавлениеIm Modell der französischen Charte schloss die restaurierte Monarchie ein Bündnis begrenzter Reichweite mit dem Konstitutionalismus und akzeptierte die Bindung an ein Verfassungsdokument, betonte aber gleichzeitig den Vorrang der monarchischen Souveränität. Solche in der Regel durch einen einseitigen Willensakt des Herrschers erlassenen („oktroyierten“) Verfassungen frühkonstitutionellen Typs wurde zu einer wichtigen Signatur des vormärzlichen Europa.
Auch auf dem Wiener Kongress spielten geschriebene Verfassungen eine Rolle, etwa in der Selbstverpflichtung des Zaren, für sein neues Königreich Polen eine solche zu erlassen, oder bei der Neukonstitution der Niederlande. Von politisch zunächst durchaus erwünschter Doppeldeutigkeit war Art. 13 der Deutschen Bundesakte, der den Erlass einer „landständische[n] Verfassung“ „in allen Bundesstaaten“ vorsah. Der Streit, ob damit die Konstitutionen neuen Typs nach dem Modell der „Charte“ oder die altständischen Modelle des Ancien Régime gemeint waren, gewann in den Jahren nach dem Kongress an Brisanz und wurde [<<16] im Zuge der konservativen Wende der Bundespolitik bis 1820 im Sinne des altständischen Typus entschieden. Vorher waren freilich 1818–1820 in Bayern, Baden, Württemberg und Hessen-Darmstadt Repräsentativverfassungen neuen Typs in Kraft gesetzt worden.
Die beiden deutschen Großmächte Österreich und Preußen blieben allerdings ohne Verfassung, und der Versuch, auch Drittstaaten auf solche antikonstitutionelle Politikmodelle zu verpflichten, kam nicht erst während der europäischen Mächtekonferenzen ab 1820 auf: Schon im Juni 1815 schloss Metternich einen Vertrag mit Ferdinand I., König von Neapel und Sizilien, in dem er entsprechenden Einfluss auf die Ausgestaltung der Institutionen des neu zu gestaltenden Doppelkönigreichs beider Sizilien nahm.