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6.Sonderbetriebsplan „Folgen des Grundwasseranstiegs“
Оглавление70Die bergbauliche Praxis hat im Sanierungsbergbau ferner den Sonderbetriebsplan „Folgen des Grundwasseranstiegs entwickelt. Bedingt durch die Entnahme von Braunkohle, Kiesen, Sanden oder Tonen wurde ein Massendefizit geschaffen, es entstanden Tagebaurestlöcher. Die Einstellung des Gewinnungsbetriebs und der betriebsbedingten Grundwasserabsenkungsmaßnahmen führt naturgegeben zu einer Füllung der Tagebaurestlöcher mit aufsteigendem Grundwasser. Hinzu kommt unter Umständen noch eine Flutung mit abgeleitetem Oberflächenwasser. Zu Rechtsfragen des Braunkohle-Sanierungsbergbaus s. § 53 Rn 86.
71Der bei Einstellung des Gewinnungsbetriebs erforderliche Abschlussbetriebsplan regelt alle mit der technischen Durchführung der Betriebseinstellung verbundenen Fragen und den Nachweis der Zulassungsvoraussetzungen. Dazu gehört auch die Sicherstellung der Wiederherstellung der Oberfläche gem. § 55 Abs. 1 Nr. 7. Die vom einzustellenden Tagebaubetrieb in Anspruch genommene Fläche wird durch das ansteigende Grundwasser zwangsläufig durch das Entstehen des Tagebausees wieder nutzbar gemacht. Das Abschlussbetriebsplanverfahren ist damit „Mutterverfahren“ für die Wiedernutzbarmachung und die Wiederherstellung des Gewässers (s. auch § 52 Rn 81a, 81b; § 53 Rn 89).
72Ergänzend dazu ist das wasserrechtliche Planfeststellungsverfahren zur Herstellung eines Gewässers gem. § 68 Abs. 1 WHG und der Sonderbetriebsplan „Folgen des Grundwasseranstiegs“ zu verstehen (hierzu Spieth, Leipziger umweltrechtliche Dokumentationen, Band 6, S. 77 ff. und Cottbuser Schriften, Band 1, Bergrecht-Wasserrecht S. 53 ff. sowie ZUR 2001, 66 ff.).
73Die Inhalte des wasserrechtlichen Verfahrens sind nur Teilvorhaben des gesamten Sanierungsprozesses. Sie beziehen sich auf die mit der Gewässerherstellung speziell verbundenen Fragen (Gestaltung der Seen und der Ufer, Anbindung an die Vorflut, Gewässerqualität, Wassermenge u. a.). Wasserrechtliches- und bergrechtliches Verfahren sind jedoch miteinander verzahnt und überschneiden sich teilweise. Für die Abschlussbetriebsbetriebsplan-Zulassung muss nachgewiesen werden, ob gemeinschädliche Einwirken nicht zu erwarten sind. Anhaltspunkte dafür sind die Vorschriften der § 12 Abs. 1 Nr. 1 und 9 Abs. 2 Nr. 2 WHG, wonach schädliche Veränderungen des Gewässers zu vermeiden sind. Ist die Schwelle der Beeinträchtigung des wasserwirtschaftlichen „Wohls der Allgemeinheit“ i. S. von § 3 Nr. 10 (früher § 6 WHG a. F.) WHG überschritten, sind zugleich gemeinschädliche Einwirkungen im Sinne § 55 Abs. 1 Nr. 9 zu erwarten (BVerwGE, 100, 34 f. = ZfB 1995, 295). Damit wird im Abschlussbetriebsplan bereits eine wesentliche Grundentscheidung auch im Hinblick auf wasserwirtschaftliche Belange getroffen (Spieth, a. a. O., S. 89). Die Entscheidung über das „Ob“ des Gewässerausbaus ist mit der bergrechtlichen Zulassung bereits getroffen.
74Der planerische Koordinierungsbedarf für die Entstehung eines Gewässers ist hinsichtlich der bereits durch den Betriebsplan vorgegebenen Komponenten Ufer, Gewässersohle, Gewässerfläche, Endwasserspiegelstand, Grundwasserflurabstände im wasserrechtlichen Verfahren nicht mehr gegeben. Die Einzelheiten des der Wasserbehörde verbleibenden Bewirtschaftungsermessens für das „Wie“ des Gewässerausbaus hängen davon ab, in welchem Umfang in der bergrechtlichen Erstgenehmigung insofern schon Entscheidungen vorweggenommen wurden.
75In dieses Zulassungssystem ist der Sonderbetriebsplan „Folgen des Grundwasseranstiegs eingebunden. Ziel des Betriebsplans ist es, mögliche gemeinschädliche Auswirkungen und mögliche schwere Bergschäden, die über kleine und mittlere Schäden hinausgehen und eine Verletzung der Eigentums-Substanzgarantie des Art. 14 Abs. 1 GG zur Folge haben (hierzu § 52 Rn 51 ff., § 53 Rn 88), im Rahmen von Prognosen und Alternativen rechtzeitig zu ermitteln und nach Möglichkeit auszuschließen. Der räumliche Geltungsbereich dieses Betriebsplans entspricht der Größe des bergbaubedingt entstandenen Grundwasserabsenkungstrichters zum Zeitpunkt der Betriebseinstellung. Auf der Grundlage von hydrogeologischen Modellen und Prognoseberechnungen werden die räumlichen und zeitlichen Grundwasserwiederanstiege und deren Auswirkungen dargestellt. Das bedeutet, dass im Betriebsplanverfahren die Auswirkungen des Wiederanstiegs des Grundwassers zu bewerten sind. Dazu ist eine Einordnung der Auswirkungen in betriebsbedingte Gemeinschäden, nicht betriebsbedingte Gemeinschäden, Vernässungen von Infrastruktur und von Flächen sowie sonstige nachteilige Beeinträchtigungen notwendig. Ferner sind die zu erwartenden nachteiligen Auswirkungen zu beschreiben, die kritischen Grundwasserflurabstände und der Zeitpunkt anzugeben, an dem die Beeinträchtigungen eintreten werden. Daraus sind die notwendigen Gegenmaßnahmen abzuleiten. Soweit nichtbetriebsbedingte Gemeinschäden oder Beeinträchtigungen vorliegen, sind die Angaben im Betriebsplan nicht verpflichtend, sondern nur nachrichtlich.
76Der Sonderbetriebsplan wird in den vom Grundwasserwiederanstieg betreffenden Gemeinden im Rahmen einer Anhörung zum Zulassungsverfahren öffentlich einen Monat lang ausgelegt und anschließend erörtert (§ 48 Abs. 2 Sätze 2–5). Durch die Öffentlichkeitsbeteiligung ist den vom Grundwasseranstieg betroffenen Grundstückseigentümern die Möglichkeit zu Einwendungen und Anregungen im Sonderbetriebsplanverfahren gegeben. Es behandelt diese Thematik ausschließlich und abschließend. Es gilt im Verwaltungsverfahren die Präklusionsvorschrift des § 48 Abs. 2 Satz 4 für verspätet gehobene Einwendungen.
77Die Folgerungen aus der Beantragung des Sonderbetriebsplanverfahrens, aus etwaigen Einwendungen von Betroffenen und Bewertung von Prognosen über die Auswirkungen des Grundwasserwiederanstiegs für die Zulassung des Sonderbetriebsplans und die Verantwortlichkeit des Bergbauunternehmers sind am Maßstab des sog. Rammelsbergurteils des Bundesverwaltungsgerichts (BVerwGE, 100, 40 = ZfB 1995, 298) zu ziehen. Danach ist der Bergbauunternehmer bei der Einstellung seines Betriebes nur für „die Abwehr von Risiken, die aus dem Bergwerksbetrieb herrühren“ zur Nachsorge verpflichtet. „Gefahren dagegen, die im Zeitpunkt der Betriebsbeendigung zwar manifest werden, ihre Ursache aber nicht in der vorangegangenen Bergbautätigkeit haben“, hat der Bergbauunternehmer nicht im Abschlussbetriebsplan zu verantworten. Schäden, die auf bloßen Wiederanstieg des Grundwassers zurückgehen, sind keine betriebsbedingten Schäden. Sie sind naturbedingt. Die natürlichen, vorbergbaulichen Verhältnisse stellen sich wieder ein. Das Baugrundrisiko des Grundstückseigentümers wird wieder evident. (ausf. Spieht/von Daniels, Leipziger Schriften zum Umwelt- u. Planungsrecht 2009, 67 m. w. N.; Spieth/Wolfers, ZfB 1997, 273 ff.; Spieth, Grundsatzfragen S. 81; Beckmann, ZfB 2016, 1, 8; Boldt/Weller (2016), § 114 Rn 33; Knöchel, ZfB 1996, 52 und in: Frenz/Preuße, Spätfolgen S. 103, 108; Beyer Verantwortung S. 107 und in: Bergschäden und Altlasten S. 21 ff.; Kühne, DVBl 2006, 1221; Spieth/Appel, LKV 2007, 501 m. w. N. Oberstes Gericht (Ostberlin), ZfB 1964, 245; OLG Hamburg, ZfW 1990, 485; OVG Lüneburg, NordÖR 2012, 47; VG Halle v. 2.3.2006 – Az. 3 A 35/04HAL – bestätigt von OVG LSA NUR 2008, 578 – 2L187/06 – VG Dessau v. 25.10.2006 – Az. 1 A 290/05DE – zum Baugrundrisiko bei Staatshaftung für ein Baugebiet mit Grundwasseranstieg im Braunkohlenabbaugebiet LG Düsseldorf BADK – Inf. 2005, 195; OLG Düsseldorf v. 18.12.2002 – AZ18U88/02 = BADK – Inf. 2004, 110, bestätigt vom BGH am 29.4.2004 – III ZR31/03; OLG Düsseldorf BADK – Inf. 2004, 183 anderer Ansicht zur Bergschadenschadenshaftung bei Grundwasserwiederanstieg; Frenz, NUR 2006, 661 ff. = Glückauf 2007, 245 ff. und LKV 2010, 49; Terwiesche, ZFW 2007, 3). S. auch § 53, Rn 89i.
78Zu den Folgen des Grundwasserwiederanstiegs, die nicht betriebsbedingt sind und nicht durch Abschluss – oder Sonderbetriebsplan zu erfassen sind, gehören z. B. Vernässungsschäden durch Wiedereinstellung natürlicher Grundwasserflurabstände (Spieht Leipziger umweltrechtliche Dokumentationen, Band 6, 92; Spieht/Wolfers, ZfB 1997, 273), ansteigendes Grundwasser dringt in nicht gegen Grundwasseranstieg gesicherte bauliche Anlagen ein (Beyer, S. 108 unter Hinw. auf RG, ZfB 1939/40, 362), eine zwischenzeitlich angelegte Deponie wird durch Ansteigen des Grubenwasser ausgewaschen (Beyer, S. 108), eine Altlast gerät durch den Wiederanstieg von Grundwasser auf vorbergbauliche Verhältnisse in Bewegung (Knöchel, ZfB 1996, 52). Durch das Ende der Wasserhaltung kommen auch Hebungen der Tagesfläche, der oberirdische Austritt von Wasser oder Methangas, eine Mineralisierung von Grundwasser oder eine Beeinträchtigung der Standsicherheit alter Schächte in Betracht (Lenz, in: Wasseranstieg im Steinkohlenbergbau, GDMB-Schriftenreihe Heft 108 S. 69, zu Auswirkungen des Grubenwasseranstiegs auf die Tagesoberfläche auch Sroka/Preuße/Holzheim, ebd. S. 57 ff., zu Schadensentwicklung im Erkelenzer Steinkohlenrevier nach Beendigung der Grubenwasserhaltung: Baglikow ebd. S. 9 ff.
79Weitere Folgerungen für die Entscheidung der Bergbehörde über die Zulassung des Abschlussbetriebsplans und des Sonderbetriebsplans „Grundwasseranstieg“ trotz Einwendungen betroffener Grundstückseigentümern ergeben sich aus dem sog. Moers-Kapellen-Urteil (BVerwG, 81, 329 = NVwZ 1989, 1157 = ZfB 1989, 199). Danach hat der Grundstückseigentümer einen auf § 48 Abs. 2 gestützten Anspruch, bei zu erwartenden schweren Schäden am Verfahren der Betriebsplanzulassung beteiligt und – materiell rechtlich – in seinem Eigentum gegenüber unverhältnismäßigen Beeinträchtigungen durch den Bergbau geschützt zu werden. Sind nur kleine und mittlere Schäden im üblichen Umfang zu erwarten, sind die Betroffenen – verfahrensrechtlich – im Betriebsplanverfahren nicht zu beteiligen und – materiellrechtlich – auf den Ausgleich des Bergschadenrechts verwiesen.
80Aber auch bei „schweren Schäden vom Ausmaß eines Gemeinschadens“ (BVerwG, a. a. O.) ist die Zulassung des Abschluss- oder Sonderbetriebsplans möglich. Der Grundstückseigentümer hat keinen Anspruch auf Unterlassung dieser schweren Schäden schlechthin, sondern auf angemessene Berücksichtigung seiner Rechtsposition in einer abwägenden Entscheidung am Maßstab des Verhältnismäßigkeitsgebots (Gaentzsch, Oberflächeneigentum und Bergbau, S. 48; Kühne, DVBl 2006, 1220; Frenz, Unternehmerverantwortung S. 18). Etwas anderes ergibt sich auch nicht, wenn man § 55 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 für den Sachgüterschutz außerhalb des Betriebs mobilisieren möchte. Der Personen- und Sachgüterschutz dieser Vorschrift erfasst nur den innerbetrieblichen Bereich (BVerwG, DVBl 2005, 925; Boldt/Weller (2016), § 55 Rn 25; VG Kassel, ZfB 2004, 68, 71; Niermann, S. 188 ff.; Stüer/Wolff, LKV 2002, 13, a. A. noch BVerwG, 89, 246 = ZfB 1992, 40; OVG Berlin, ZfB 1990, 212; VG Berlin = ZfB 1989, 135; Frenz, Unternehmerverantwortung, S. 30 „jedenfalls für Abschlussbetriebsplan“). Im Übrigen ist im § 55 Abs. 2 Nr. 1 das Wort „Sachgüter“ (§ 55 Abs. 1 Nr. 1) nicht mehr enthalten und somit Sachgüterschutz über diese Vorschrift nicht im Abschlussbetriebsplan sicherzustellen (Kühne, DVBl 2006, 1220). Zu den Folgen des Grundwasseranstiegs im untertägigen Steinkohlenbergbau und den Auswirkungen auf die Tagesoberfläche, Schächte, Trinkwassergewinnung und auf Methanaustritte sowie zum sog. Boxmodell: Fischer/Wildhagen, in: Glückauf, 2007, 280 ff. m. w. N.; Baglikow, in: Markscheidewesen 2003, 45 ff.; Sroka/Preuße/Holzheim in Heft 108 der Schriftenreihe des GDMB, S. 57 ff. Ferner hierzu § 53 Rn 74 und § 114 Rn 17.