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1.4 Kirchliche Veränderungen, Transformationen der religiösen Landschaft ENTKIRCHLICHUNG, ENTTRADITIONALISIERUNG

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radikaler Übergang

An mehreren Stellen im bisherigen Gang der Ausleuchtung kontextueller Bedingungen für Bildung, insbesondere religiöse Bildung Erwachsener, war von „Transformation“ die Rede (gesellschaftlich, die Lebensweise betreffend etc.). Eine solche Transformation ereignet sich insbesondere im Bereich des Religiösen. Denn hier geht es im wahrsten Sinne des Wortes um eine transformatio, die tiefer zu verstehen ist als reine „Veränderung“. Wenn sich etwas verändert, bleibt die Sache im Wesentlichen gleich, es treten nur einige Merkmale in einem neuen, äußeren Erscheinungsbild auf. Bei der transformatio wird das Wesen der Sache angetastet: Es erfolgt ein Übergang (trans) in eine neue Gestalt (formatio), d.h. eine neue Wirklichkeit. Die religionssoziologischen Analysen der Gegenwart lassen vermuten, dass die Formen von Religion und des Religiösen in den nachmodernen Gesellschaften sich so radikal verändern, dass sie relativ wenig mit den traditionellen Formen von Religion zu tun haben werden. Bisher hat der christliche Glaube die Länder des „Abendlands“ geprägt und sich in Gestalt der christlichen Kirchen unterschiedlichster Konfessionen manifestiert. Diese kirchlichen Glaubens- und Lebensformen sind momentan im Umbruch, was sich an den soziologischen Stichworten der Entkirchlichung, Enttraditionalisierung oder Entchristlichung festmacht (Kaufmann 2012, 2011).

Eine wichtige Nebenbemerkung ist in diesem Zusammenhang zu machen: Die Rede vom „christlichen Abendland“ ist dann fragwürdig, wenn sie suggeriert, es hätte eine ausschließliche christliche Prägung der Kultur Europas gegeben. Die Kulturgeschichte ist jedoch weitaus vielfältiger. So war und ist das Judentum wesentlicher Faktor der europäischen Kultur- und Geistesgeschichte, das zwar von der herrschenden Dominanzkultur oft genug unterdrückt, negiert, verfolgt wurde, das sich aber durch vielfältige Interaktionen mit christlicher Kultur und Religion immer wieder behauptete – bis heute, nach der großen Zerstörung des europäischen Judentums im Holocaust. Auch der Islam bleibt durch die Jahrhunderte hindurch ein wichtiger kultureller, geistiger und religiöser Impulsgeber für die abendländische Welt, sei es durch philosophischen Austausch im Mittelalter, durch kulturelle Einflüsse in den südlichen Ländern (insbesondere Spanien, Portugal, Italien), durch kriegerische Interventionen oder durch Handel und kulturellen Austausch.

Fremdsprache Religion

Der Begriff Entkirchlichung ist selbstredend. Er meint die fortschreitende Entfremdung der Menschen und ihrer Lebenswelt von kirchlichen Bezügen (ebd.). Zwar sind noch ca. zwei Drittel der Bevölkerung in Deutschland getauft, ihr Bezug zu Kirche im alltäglichen Leben ist aber eher lose oder gar nicht mehr erkennbar. „Kirche“ ist eine „fremde Heimat“ geworden (Höhn 2012), die Sprache der Religion für viele eine „Fremdsprache“ (Altmeyer 2011a). Hans-Joachim Höhn fasst die Situation der Zeit auf drastische Weise zusammen:

„Für viele Zeitgenossen ist das Christentum als einstige ‚Leitreligion‘ Europas zu einer Größe geworden, mit der sie fremdeln. Dies gilt erst recht für ihr Verhältnis zur Kirche als Sozialform und Institution des Christseins. In ihren Augen ist deren Zeit schon längst abgelaufen. Sie gehöre eigentlich in die Museen der Kulturgeschichte.“ (Höhn 2012, S. 15) Höhn beschreibt mehrere Aspekte dieser Entfremdung (ebd., S. 21ff.):

„Fremde Heimat Kirche“ kann bedeuten …

• … dass die religiöse Herkunft einem Menschen mit der Zeit fremd wird, weil er/sie schon lange nicht mehr an jenem Ort lebt, von dem er/sie herkommt;

• … dass die religiöse Herkunft nur noch vom Hörensagen bekannt ist;

• … dass die Kirche eine Zuflucht für jene geworden ist, die mit der modernen Welt nicht mehr mitkommen, die sich abgehängt fühlen vom Fortschritt und sich als Modernisierungsverlierer betrachten;

• … dass Menschen auf der Suche nach neuen spirituellen Niederlassungen‘ sich schwer tun mit der Akzeptanz jener kirchenrechtlichen Normen und dogmatischen Bedingungen, an welche die Kirche die Teilhabe an ihrem religiösen Leben knüpft;

• … dass die Kirche Menschen verliert, weil sie pastoral verprellt werden;

• … dass in einem sehr unmittelbaren Sinn Christen den architektonischen Ausdruck ihrer Religionszugehörigkeit verlieren (durch Kirchenschließungen, -umwidmungen, -profanisierungen).

Während die Diagnose der weitgehenden Kirchendistanz in quasi allen Studien zur heutigen religiösen Einstellung der Menschen nachgewiesen wurde, ist es umstritten, ob wir deshalb in einer säkularen (weltlichen) Gesellschaft angekommen sind. Seit Jahrzehnten ist die Frage: Leben wir in der Situation der Säkularität?

Einführung in die religiöse Erwachsenenbildung

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