Читать книгу Krankheiten - Signale der Seele - Reinhold Ruthe - Страница 13

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III. Krankheiten haben und krank sein

Das ist kein Spiel mit Worten, sondern ein existenzieller Unterschied. Viele Menschen formulieren:

 „Die Frau hat eine Krankheit.“

 „Der Mann hat einen kranken Magen.“

 „Das Kind hat eine kranke Lunge.“

 „Der Arbeitskollege hat ein krankes Auge.“

 „Der Nachbar hat ein krankes Herz.“

Wir gehen davon aus, dass eine Krankheit irgendein Organ befällt und damit genau lokalisiert werden kann. Der gesamte übrige Mensch ist gesund, nur eine „faule“ Stelle gibt es – wie beim Apfel. Dieses Denken entspricht jedoch nicht dem Bild vom ganzen Menschen.

Die Bedeutung des Krankseins

Viele Menschen, auch Christen, betrachten vergiftete Nahrungsmittel, Luft- und Wasserverschmutzung, übergroße Lärmbelästigung, Verkehrs- und vor allem Arbeitsstress als Krankheitsursachen. Diese Faktoren sind nicht unwichtig, aber wo bleibt unsere persönliche Verantwortung? Wir suchen die Ursache im Körper, der unerklärlich und geheimnisvoll mit Krankheitssymptomen reagiert.

Wir sprechen von

… Stoffwechselstörungen,

… Hirnanomalien,

… Übersäuerung des Magens,

… Bluthochdruck,

… Nervenentzündungen,

… Verstopfung.

Hinzu kommt, dass die Krankheiten nur unter dem Gesichtspunkt des Funktionierens beurteilt werden.

 Das Herz funktioniert nicht mehr richtig,

 die Leber funktioniert schlecht,

 der Darm funktioniert träge,

 die Schilddrüse funktioniert überstark.

Auch in den Kliniken wird häufig dieser Anschauung Vorschub geleistet. Auf Station 3 liegen die „Magenkranken“, auf Station 1 die „Herzkranken“, in Zimmer 400 die „Lungenkranken“ und am Ende des Flurs die „Hautkranken“. Und wie gehen wir mit diesen Symptomen um? Wir gehen zum Arzt und lassen die Anzeichen der Krankheit behandeln:

 Wir schlucken Tabletten.

 Wir streben eine Kur an und lassen unseren Körper therapieren.

 Wir stellen die Nahrung um und essen fettärmer.

 Wir treiben Sport und gehen schwimmen.

Ist das schlecht und abwegig? Nein. Aber es sind einseitige Behandlungswege. Die Krankheit soll behoben, das alte Lebenskonzept aber beibehalten werden. Sport und Schwimmen sollen den Körper wieder fit machen, damit beispielsweise der nie endende Ehrgeiz wieder neu befriedigt werden kann.

Christen neigen oft dazu, so zu tun, als hätten Krankheiten nichts mit unseren Lebensgrundüberzeugungen zu tun. Viele sehen die Krankheit auch als Strafe Gottes an. Jesus hat diese „Logik“ nicht bestätigt. Selbst seine Jünger waren verunsichert und spiegelten das Denken der damaligen Zeit wider. „Herr: Hat er (der Blindgeborene) oder haben seine Eltern gesündigt, dass er blind geboren wurde?“ (Johannes 9, 2). Was Jesus darauf antwortet, korrigiert die alttestamentliche Auffassung, dass Krankheit und Not Folgen einer persönlichen oder kollektiven Schuld seien. Jesus stellt klar: „Weder er noch seine Eltern, es sollten an ihm offenbar werden die Werke Gottes“ (Johannes 9, 3).

Gott straft nicht, sondern er handelt am Menschen. Ein nicht funktionierender Organismus reagiert gesund und richtig und macht auf das Kranksein des Menschen aufmerksam. Viele Symptome bedeuten, dass im Menschen etwas nicht stimmt, dass er von verkehrten Wegen umkehren muss. Krankheiten und Nöte spiegeln das Unheil des Menschen. Kranksein ist eine existenzielle Frage.

Kranksein offenbart unser ganzheitliches Heilungsbedürfnis. Darum fragt die therapeutische Seelsorge:

 „Was will dir dein Leiden aufzeigen?“

 „Welche Deutung gibst du deinen Störungen?“

 „Weißt du, was dir fehlt?“

Der Theologe und Psychotherapeut Jörg Müller formuliert: „Jede Störung im sozialen, seelischen, körperlichen Bereich muss als normale, sinnvolle Reaktion beachtet werden: als normale Reaktion auf eine abnorme, theologisch gesprochen, sündhafte Aktion. Nehmen wir als Beispiel den Kopfschmerz. Er ist weit verbreitet und trägt wesentlich zum enorm hohen Schmerzmittelkonsum bei. Welche Bedeutungen kann er haben? Er ist Symptom eines dickköpfigen Charakters, der mit dem Kopf durch die Wand will. Er ist der Ausdruck eines übertriebenen Ehrgeizes, dem irgendein Ziel zu Kopf gestiegen ist.“1

Therapeutische Seelsorge will die Ursache des Krankseins angehen. Das Kranksein beinhaltet

… ein verzerrtes Gottes- und Glaubensbild,

… Misstrauen Gott gegenüber,

… verzweifelte Verdammungsangst,

… eine tief sitzende Selbstwertstörung,

… eine ungeistliche Leistungsfrömmigkeit,

… einen Hang zur Verantwortungslosigkeit,

… die Angst, dem Leben nicht gewachsen zu sein,

… eine unverbindliche Lebenshaltung.

Haben wir den Mut, unsere Krankheiten zu hinterfragen? Oder dämpfen wir mit Schmerzmitteln und anderen Medikamenten die Symptome, die etwas zur Sprache bringen wollen, die etwas bedeuten? Noch einmal Jörg Müller: „Die eigentliche Wunde bleibt stets die gestörte oder fehlende Beziehung des Menschen zu seinem Schöpfer. Sie ist die Ursache des privaten wie kollektiven Unheils in der Welt. Um diesen Zusammenhang deutlich zu machen, ist Jesus auf die Erde gekommen., Seid vollkommen wie euer Vater im Himmel!‘ (Matthäus 5, 48). Gemeint ist: Seid ungeteilt! Ihr könnt nicht Gott und dem Mammon dienen! Ihr könnt euch nicht mit faulen Kompromissen einen behaglichen Glaubensbungalow schaffen, frei von sozialer Verantwortung bei regelmäßigem Kirchgang. Wer Gott lieben will, zugleich aber dem Nachbarn dauernd eins auswischen möchte; wer eine kalkulierte Mittelmäßigkeit im Glauben lebt, erkrankt. Seine Krankheit ist lediglich spürbarer Ausdruck einer verborgenen defekten Gottesbeziehung.“2

Ist Krankheit ein Segen?

Der hebräische Ausdruck, der in unseren Bibelübersetzungen des Alten Testamentes mit „Krankheit“ wiedergegeben wird, umfasst ein breites Spektrum. Was wird hier alles mit Krankheit umschrieben?

 Krankheit beinhaltet körperliche Schwäche.

 Krankheit meint fehlende Lebenskraft.

 Krankheit wird als Müdigkeit und Erschöpfung interpretiert.

 Krankheit umfasst jedes körperliche und seelische Leiden.

 Krankheit bedeutet auch Hoffnungslosigkeit und Resignation.

 Krankheit schließt auch Kränkungen und seelische Verwundungen ein.

Die ganze Palette menschlicher Nöte, Schwächen und Leiden kommt hier zur Sprache. Müssen wir sie denn stumm erdulden?

Wenn wir der Botschaft des Neuen Testamentes folgen, gehören sowohl Krankenheilung als auch Verkündigung zum Kern des christlichen Auftrags. Nun halten nicht wenige den Gedanken, dass Krankheit Segen beinhalte, für einen zentralen biblischen Gesichtspunkt.

Das andere Extrem vertreten einige charismatische Gruppierungen, die glauben, Gott wolle jeden Menschen von Krankheiten heilen. Krankheit kann zum Segen werden. Das wissen viele erst im Nachhinein. Aber das ist nicht grundsätzlich so.

Der Theologieprofessor Adolf Köberle kommentiert: „Krankheit, die bei einem Menschen bleibt, muss nicht in jedem Fall Ausdruck von Kleinglauben und Unglauben sein. Es kann dahinter sehr wohl auch eine göttliche Bestimmung, eine göttliche Erziehungsmaßnahme, ja sogar eine göttliche Auszeichnung stehen. Dem natürlichen Empfinden des Menschen wird es immer schwer fallen, eine solche Würde zu bejahen und anzunehmen. Zweifellos aber gibt es Beispiele genug, wie gerade die Art und Weise, mit der das Kreuz und Leid getragen wurde, zu einem besonderen Segenszeugnis für die ganze Umgebung geworden ist.“3

Aber auch das andere gilt: Krankheit ist vom Bösen. Die Menschheit leidet bis heute an einer ursprünglichen sündhaften Situation, an der „Erbsünde“, wie die meisten Theologen formulieren, aus der sich niemand aus eigener Kraft befreien kann. Wir leben in einer gefallenen Welt, zu der Krankheiten, Altwerden und Tod gehören. Aus unserer Schuld Gott gegenüber sind Schwäche, Ohnmacht und Krankheit entstanden.

Jesus ist in die Welt gekommen,

… um uns zu retten,

… um uns zu befreien,

… um uns von den Auswirkungen der Sünde zu entbinden,

… um Krankheiten als Folge der Sünde zu heilen.

Jesus ist in die Welt gekommen, um sich der kranken Menschen anzunehmen. Er hat den Kampf mit den zerstörerischen Kräften aufgenommen. Er will den Mächten der Finsternis die Opfer entreißen. Die Evangelien berichten übereinstimmend, dass die Kraft zu befreien und zu heilen auf die Jünger und damit auf seine Nachfolger übertragen wurde: „Jesus rief die zwölf Jünger zusammen und gab ihnen Kraft und Vollmacht, alle bösen Geister auszutreiben und Krankheiten zu heilen. Er sandte sie aus mit dem Auftrag:, Verkündet, dass Gott jetzt seine Herrschaft aufrichten und sein Werk vollenden will, und heilt die Kranken‘“ (Lukas 9,1+2).

Haben wir diesen Auftrag vergessen?

Fehlt uns der Glaube, die Botschaft Jesu in die Tat umzusetzen?

Krankheiten - Signale der Seele

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