Читать книгу Typen und Temperamente - Reinhold Ruthe - Страница 11
1.4 Die »Trotzmacht des Geistes«
ОглавлениеÜber die Wechselbeziehung zwischen Anlage und schöpferischer Gestaltung hat der Psychiater Viktor E. Frankl einleuchtend und überzeugend geschrieben:
»Ist denn der seelische Charakter eines Menschen nicht angeboren? Und gar erst der leibliche, der Körperbau-Typus – ist ihm der Charakter nicht schicksalhaft verbunden? Nun, wer so spricht, beweist damit nur, dass er über der Psychologie, Biologie und Soziologie, also über den seelischen, leiblichen und gesellschaftlichen Bedingt- und Gegebenheiten menschlichen Daseins, das spezifisch Menschliche vollends verkennt. Denn Mensch-Sein im eigentlichen Sinne fängt ja dort überhaupt erst an, wo der Mensch über alle Bedingtheit irgendwie auch schon hinaus ist, und zwar kraft dessen, was man die Trotzmacht des Geistes nennen darf.«4
Was heißt das im Einzelnen?
1 Vererbung und Anlagen sind zwar mächtig, aber nicht allmächtig. Der Geist formt letztlich den Charakter.
2 Wer sich ausschließlich auf Anlage und Vererbung beruft, denkt fatalistisch und möglicherweise neurotisch. Frankl sagt: »Und damit stehen wir vor einer typisch neuzeitlichen Verhaltensweise, nämlich dem Fatalismus, also dem Aberglauben an die Mächtigkeit des Schicksals.«5
3 Wer sein Schicksal für besiegelt hält, wird außer Stande sein, es zu besiegen.
4 Der Mensch hat Triebe, aber die Triebe haben nicht den Menschen. Der Mensch kann seine Triebe beherrschen, im Gegensatz zum Tier.
5 Der Mensch hat bestimmte Eigenarten und Eigenschaften. Aber er ist ihnen nicht willenlos ausgeliefert. Veränderung ist möglich.
Wir haben es in der Hand, was wir aus uns machen und machen lassen. Persönlichkeitsstrukturen sind kein unverrückbares Schicksal. Fehler, Sünden und schlechte Gewohnheiten können wir ablegen. (Das heißt jedoch nicht, dass wir eine Persönlichkeitsstruktur völlig umstrukturieren könnten. Aus einem hysterischen Typus lässt sich nun mal kein zwanghaftes Profil machen.)
Auch Paulus glaubt an die Veränderbarkeit des »alten Adam« und an die Korrektur unserer Persönlichkeitsstruktur, wenn er schreibt:
»Meine lieben Freunde! Diese Zusagen gelten uns. Wir wollen uns darum von allem rein machen, was Körper und Seele beschmutzt. Wir wollen den Willen Gottes ernst nehmen und uns bemühen, so zu werden, wie er uns haben möchte« (2. Kor. 7,1).
Wir haben uns bewusst und unbewusst Verhaltensmuster und Charaktereigenschaften zugelegt, mit denen wir das Leben meistern. Wir können diesen Persönlichkeitsstrukturen begegnen und sie Gott zum Gestalten und Korrigieren überlassen.