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2.1 Wie gewinnen wir Erfahrungen?
ОглавлениеEin Kind erlebt seine Umgebung, seine Familie, seine Eltern und Geschwister. Es wird mit dem Denken, Fühlen, Handeln und Bewerten der nächsten Angehörigen konfrontiert und registriert alle Eindrücke. Sämtliche Erlebnisse und Geschehnisse werden aber nicht nur gespeichert, sondern auch verarbeitet. Der Mensch ist kein lebloser Gegenstand, der alles passiv über sich ergehen lässt. Das Kind gestaltet seine Eindrücke, es zieht – unbewusst – Schlüsse daraus. Kinder werden also nicht nur in Rollen gedrängt, wie wir früher geglaubt haben. Rollen bestehen nicht aus Erwartungen, die an Kinder herangetragen werden, sondern Kinder bewerten und bearbeiten ihre gemachten Erfahrungen. Sie fügen sich oder sie begehren auf, sie reagieren auf irgendeine Weise auf die Erwartungen der Großen. Sie sind also nicht unbeteiligt.
Wie geschieht nun das »Machen« von Erfahrungen? Ein Kuchen beispielsweise wird mithilfe einer Kuchenform »gemacht«. Plätzchen und Waffeln werden mithilfe bestimmter Formen und Waffeleisen gebacken. Wir benötigen offenbar vorgefertigte Formen und Schablonen, mit denen wir schon öfter gearbeitet haben. Erfahrungen kommen auf die gleiche Weise zu Stande. Das Kind bevorzugt bestimmte Schablonen und Wahrnehmungsmuster, um die Welt, um Menschen und Situationen bewerten und einordnen zu können.
So hat jeder Mensch seine Wahrnehmungsmuster,
so hat jeder Mensch seine persönlichen Deutungsrahmen,
so hat jeder Mensch seine Vorurteile,
so hat jeder Mensch seine private Logik,
so hat jeder Mensch seine tendenziöse Apperzeption, d. h. seine zielgerichtete Wahrnehmung und Identifizierung.
Der Mensch wählt das aus, was seinem Lebensstil entspricht. Er lässt das fallen, übersieht und überhört das, was diesem Deutungsrahmen widerspricht. Mit anderen Worten: Der Deutungsrahmen ist die Brille, mit der er alle Ereignisse, Erlebnisse und Geschehnisse betrachtet. Jeder Mensch trägt eine solche Brille, mit der er die Welt sieht,
mit der er die Menschen wahrnimmt,
mit der er Konflikte und Auseinandersetzungen registriert,
mit der er alle Lebensvorgänge interpretiert.
Ist diese Brille, dieser Deutungsrahmen nicht richtig eingestellt, werden alle Erfahrungen »schief« gedeutet.
So kommen Lebensirrtümer zu Stande,
so entwickeln sich falsche Überzeugungen,
so kommen Fehldeutungen von Beziehungen und Menschen zu Stande,
so entstehen Glaubensfehleinschätzungen,
so werden Fanatiker »gezüchtet«,
so werden Idealisten geboren,
so entwickeln sich Menschenfeinde und Menschenfreunde.
Es handelt sich um Verhaltensmuster, die in den vier Persönlichkeitsstrukturen eine große Rolle spielen.