Читать книгу Mit gläubigem Herzen und wachem Geist - Reinhold Stecher - Страница 21
Aufgaben eines Bischofs
ОглавлениеWas kann ich nun als eine legitime Aufgabe des Bischofs in solchen Bereichen wie dem, der hier zu Debatte steht, sehen?
Das eine, was der Bischof wohl leisten soll, ist so eine Art Wachdienst vor der Schatzkammer des Glaubens. Er muss dafür Sorge tragen, dass von dieser Substanz der Botschaft nichts verloren geht, gestohlen oder unterschlagen wird. Aber ich sehe in diesem Kreis keineswegs schwerwiegende Häresien wuchern. Hier scheint mir nur notwendig, dass man immer wieder auf die Wurzeln unserer christlichen Existenz zurückkommt, weil diese Tiefen von den Auseinandersetzungen des Alltags leicht überdeckt und überspielt werden.
Und eine andere Aufgabe des Bischofs im Bereich der Verkündigung ist sicher im Wort „Bischof“ angedeutet. „Episkopos“ heißt griechisch doch „der, der darüber hinschaut“, und ich lege das in besonderer Weise dafür aus, dass die kirchengeschichtliche Stunde immer dort schlägt, wo die ewige Botschaft und die Ströme der Zeit ineinanderfließen. Und da braucht es vielleicht doch so etwas wie einen „Dienst der Übersicht“, ein weitgespanntes Hineinhorchen in ebendiese Ströme der Zeit, in ihre trüben Defizite und ihre klaren Chancen und Hoffnungen, und auch in die Veränderungen, die heute in den Menschen und Gesellschaften schneller vor sich gehen als in vergangenen Jahrhunderten. Natürlich müssen wir diese Wachheit der Zeit gegenüber allen üben, ja ich bin in meinem Dienst auf viele, viele angewiesen, die da mithelfen zu erhellen, was sich so geändert hat in Bedürfnissen und Sehnsüchten des Einzelnen, in den Erwartungen und Haltungen in der Gesellschaft, an den soziologischen Daten und an den technischen und ökonomischen Entwicklungen. Vielleicht darf und soll der Bischof aus dem Überblick heraus diesen Dienst versuchen, den ihm nun einmal sein Amt heute präsentiert. Ich hielte das für sehr wichtig in der Kirche von heute, und es belastet mich, wenn in unserer Kirche diese Wachheit und nachdenklich-fromme Offenheit verschwindet.
Vielleicht darf ein immerhin alter Bischof auch noch ein Drittes einbringen: ein Stück Erfahrung. Erfahrung aus Tausenden von Briefen und Gesprächen, aus dem Besuch von Hunderten von Pfarrgemeinderäten und Gremien, aus unzähligen Kontakten mit allen Arten und Gruppierungen beruflicher und weltanschaulicher Prägung, aus vielen tausend Beichten, aus der Geschichte seelsorglicher und organisatorischer Initiativen, aus ihrem Gelingen und Scheitern, und aus einer großen Literatur.
Aus allem zusammen ergibt sich ein Dienst der Ermutigung, der – so Gott will – nicht in Illusionen, sondern in jener Wahrheit gründet, die frei macht.
Das musste ich vorausschickend bedenken, damit Sie, liebe Schwestern und Brüder, wissen, wie ich meine Rolle hier verstanden wissen wollte.