Читать книгу Falsche Annahme - Renate Amelung - Страница 7

5

Оглавление

Leicht verstimmt reagiert Richrath schon als Elisa den ausgeliehenen Wagen erheblich verspätet am Sonntagabend bei ihm auf den Hof stellt. Sofort reißt er die hinteren Türen auf. “Ja Herrschaftssakramendnochemal! Was hast du denn diesmal mit dem Wagen angestellt!”, brüllt er, “ich weiß nicht was mich reitet dir den Wagen auszuleihen?” Er fuchtelt mit den Armen über dem Kopf und greift mit beiden Händen und gespreizten Fingern Hilfe suchend an die Stirn, er drückt vom Wahn gesteuert zittrig auf die Schädeldecke in dem Augenblick als die Kupferrohre aus der Halterung fallen und sich das überdimensionale Mikado Spiel zu seinen Füßen auf dem Hof ausbreitet. Die Schweißschutzmaske titscht hinterher, das Glas splittert auf dem Boden. Dichtungen, Hanf, Paste bilden ein wildes Chaos, der Engländer paart sich mit der Brechstange, die Uni-Boxen sind leer. Das war mehr als die Spur einer wilden Verfolgungsjagd die Elisa sonst mit seinem Wagen an den Tag legt, und dabei vergießt, dass es nicht sein kleiner brettharter Sportwagen ist.

“Das schlechte Gewissen”, antwortet Elisa gelassen, “ich musste notgedrungen etwas evakuieren und habe von einem Trümmergrundstück gerettet was zu retten war. Tut mir leid ich habe den Plunder wohl nicht wieder richtig eingeräumt.”

“Verschwinde, bevor ich mich vergesse! Und such dir einen anderen Leidtragenden, wenn dein Schlaglochsuchgerät wieder nicht anspringt.”

Elisa ist nicht zimperlich und verschwindet gleich, denn der nächste Schritt ist ihm bekannt und endet tödlich mit einer Flasche Bier in der Hand auf den Stufen sitzend und dem Gejammer über etliche Zahlenkolonnen von geplatzten Aufträgen. Heute Abend gilt seiner Sehnsucht einzig einer warmen Dusche die ihm den Kohlenstaub von der Haut wäscht, danach ein gemütlicher Drink und vielleicht ein Pizzataxi. Doch die Erinnerung trifft ihn hart, je näher er per Pedes seinem Haus kommt. Da wartet Lea!

Bedächtig langsam dreht er den Schlüssel im Schloss.

“Vorsicht!”, brüllt sie.

Zeitung schiebt sich unter den Türspalt und hemmt die Bewegung. Sachte, sachte, drückt er die Tür auf. Tritt auf das Düsseldorfer Stadt Feuilleton von vor sechs Wochen und blickt 2 Meter weiter auf dem Wirtschaftsteil. Der nächste Schritt führt ihn auf den Heiratsmarkt direkt über das Leserrezept am Montag, mit einem Fuß in der weißen Farbe ist der Kurzkrimi zu Ende und er macht sicher das gleiche belämmerte Gesicht wie Richrath eben. Bis auf seinen kleinen Erker strahlen die Wände in Alpinaweiß.

Lea strahlt nicht minder von der Leiter runter. “Jetzt mach kein Spökenkieker!”, kickst Lea.

“Kein Was?”, will er wissen.

“Verbal-Gymnastik! Sag schlicht ob es dir gefällt oder nicht. War wirklich ein bisschen muffig und die ganzen Löcher in der Wand.” Lea klettert die Sprossen runter, taucht den Zeigefinger in den Farbeimer und zieht mit jugendlichem Elan einen Strich auf seine Wange. “Macht sich gut. Onkel Elisa kommt gerade vom Karneval in Venedig.”

“Ich begreif gar nichts. Kannst du mir Mal verraten, hast du in deinem Wagen nicht nur eine komplette Teestube mitgebracht, sondern gleich noch 10 Eimer Farbe? Und...” Er traut seinen Augen nicht, Kartons, Kartons...

“Also irgendwie musste ich mir schließlich die Zeit vertreiben. Da bin ich eben spazieren gegangen und habe mir die Gegend gründlich angesehen. Plötzlich stand ich vor einem Schild: Malerwerkstatt Selm. Und da du gesagt hast hier ist die Diaspora habe ich auch wie in der Diaspora gehandelt... Ehrlich, dein Name wirkte wie ein Worp-Antrieb auf die kleine Friseuse. So und jetzt scheuch ich dich unter die Dusche, bevor Joseph mit den Pizzas zurückkommt. Morgen lässt du die Kreditkarte rüberwachsen und ich besorge was wir noch brauchen. Was für ein Drink willst du?”

“Wie bitte?”

“Ihr habt einen fantastischen Bahnhof in Düsseldorf, da kann man am Sonntag wirklich alles erstehen.”

“Ich verstehe nur Bahnhof. Wie lange war ich denn weg?”, fragt Elisa.

“Morn, Morn, Hummel, Hummel. Vergiss es einfach! Übrigens, jenes war dann das Wochenende welches du nur für euch beide eingeplant, reserviert hattest. Du benötigst keinen Terminplaner, sondern eine Frau die damit klarkommt. Also, was willst du trinken?”

Perplex wendet Elisa sich ab, will endlich die dreckigen Klamotten vom Leib haben und strebt die Dusche an. Er wirft die Akte von Rebecca auf das Bett. Bett! Eine Mattratze 1-Meter-20 breit, für zwei im Grunde fremde Menschen. Was jetzt? Letzte Nacht löste sich das Problem von selbst, aber ein paar Stunden Schlaf benötigt auch er. Sicher er fährt zu Rebecca Eden, erklärt ihr, dass er längere Zeit keine Frau hatte und sich danach verzehrt und sie für das geeignete Objekt hält.

Elisa räumt der Brause den Vorrang ein, zu diesem Zweck zieht er eine frische Short aus dem Einbauschrank und eine Jeans, nimmt beides mit ins Badezimmer. Er streift die Hose und den Pullover ab und denkt über Waschmaschinen nach, die Lücke klafft wie ein hohler Zahn in der Nische wo einst die Waschtrockenkombination stand.

“Wodka, Elisa”, sagt Lea, “das hat wenigstens Mama so erzählt. Ich habe sie kurz kontaktiert.”

Lea...!”

“Ist schon okay ich verschwinde, wenn du Schwimmen gehst hast du sicher auch nicht mehr an.”

Viel warmes Wasser schmeichelt seiner Haut und ein Drink unter prickelndem Strahl ist sicher eine neue Dimension in seinem Leben, keine Schlechte bemerkt er, und wie das Down in den Ausguss spült. Natürlich kann er gleich noch in Windeseile den Text sich reinziehen und dann bei dieser Kommissarin vor der Tür stehen und alles mit ihr durchgehen... könnte, könnte! Einen riesen Korb auf seinen Notsitz laden! Oder von einem Hünen der seine Rechte demonstriert sein Gebiss präpariert bekommen!

Er stellt das Wasser auf kalt, eiskalt und erscheint irgendwann zwischen Strophe eins und zehn mitten im Heavy Metal zwischen Knoblauch und Oreganodüften bei Lea und dem fleißigen Joseph. Er darf sogar noch wählen zwischen Thunfisch, Salami und Spinat. Heute geht nichts mehr, also klappt er den Teigdeckel unpoetisch zusammen und verzieht sich mit der Schachtel auf seinen Sessel. Jongliert die Käse überbackene Pappe erfolgreich über seinen Norwegerpullover und genießt den Geschmack gleich Null. Das muss nicht an dem Pizza-Gigolo liegen. Das kann auch die Gänsehaut sein die er bei seinen zurückschweifenden Gedanken an diesen Morgen bekommt: …so, der Regierungspräsident wird fickerich. Wahlen stehen an und diese Schule ist sein privates Lieblingskind was er ins Leben rief, um ganz neue Wege in der Schulpolitik aufzuzeigen. Elisa Emilian, warum hast du dich da rein zerren lassen? Warum ist das Streetworker-Café wirklich abgebrannt? Und warum stand der Stadtdirektor unvermittelt neben ihm in den Trümmern und hat ihm ohne Umschweife neue größere Räume angeboten, sogar verkniffenen Auges mit einem Etat gewunken?

Bei einem zweiten Wodka widmet er sich mit seiner Brille, die er verstohlen an die Oberfläche befördert den drei Fällen der Soko 9350, bis ihm die Augen zufallen.

Falsche Annahme

Подняться наверх