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Die Jugend – Zeit des Selbstzweifels und der Unsicherheit

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Endlich ist es so weit. Die Kindheit ist vorbei und die goldene Jugendzeit kann beginnen. Weißt du noch? Ich kann mich jedenfalls ziemlich gut daran erinnern.

Doch zuerst sollten wir klären, was eigentlich Jugend heißt. Wann genau findet sie statt?

Einige sagen, es sei die Zeit zwischen Kindheit und Erwachsensein, also etwa das Alter von vierzehn bis höchstens zwanzig. Doch ist man mit zwanzig schon erwachsen? Ich habe da meine Zweifel.

Andere teilen die ungefähr neunzig Jahre, auf die wir mittlerweile hoffen dürfen (gerade wir Frauen übrigens), so ein: von null bis dreißig Jugend, von dreißig bis sechzig mittlere Jahre und von sechzig bis neunzig Alter.

Sicherlich hängt die Beurteilung, wann die Jugend aufhört oder das Alter beginnt, von der allgemeinen Lebenserwartung ab. In Zeiten, in denen viele Menschen kurz nach Erreichen des sechzigsten Lebensjahres starben, galten mann und frau schon mit vierzig als alt.

Dabei fällt mir ein, wie meine fast neunzigjährige Mutter mir eines Tages verkündete, sie habe jetzt einen tollen, neuen, ganz jungen Arzt. Auf meine Frage: »Wie alt ist er denn?« kam ihre prompte Antwort: »Etwa so alt wie du.« Ich war zu diesem Zeitpunkt über fünfzig. Ja, Jugend und Alter sind relativ. Und ich freue mich schon auf den Moment, wo ich im Brustton der Überzeugung zu einer zwanzig Jahre Jüngeren werde sagen können: »Sie sind ja erst achtzig!«

Was macht Jugend aus? Erfrischende Unbedarftheit, um nicht zu sagen Naivität, radikale Ansichten über alles und jeden und eine ziemlich unerschöpfliche Energie. Und äußerlich? Dieser zarte Schmelz aus schimmernden Haaren, glatter Haut und großer Beweglichkeit. Nicht übel also. Doch schauen wir uns nicht nur die äußere Hülle an. Gehen wir nach innen. Dort lauert eine tiefe Unsicherheit sich selbst, anderen und der Welt gegenüber. Nicht selten wird diese seelische Fragilität mit einem Auftritt kompensiert, der besonders selbstbewusst wirken soll. Denn das Problem der Kindheit, nicht ernst genommen zu werden, hat sich mit achtzehn oder zweiundzwanzig Jahren nicht plötzlich in Luft aufgelöst. Es gilt nach wie vor, die Mitmenschen davon zu überzeugen, dass man zwar jung ist, aber trotzdem schon etwas kann und beizutragen hat.

Ich amüsiere mich immer, wenn so ein einundzwanzigjähriger Rapper mit aufgeblasenem Oberkörper, dunkler Brille und dicker Hose loslegt und mir im Stakkato die Welt erklären will. Fast ebenso lustig finde ich Jungmänner, die ihre zarte, glatte Stirn in dekorative Falten legen, damit bloß niemand auf die Idee kommt, dahinter würde sich nicht viel abspielen. Die jungen kichernden Frauen, die in Grüppchen zusammenstehen und über denen wie eine übergroße Denkblase die Frage schwebt: »Bin ich schön?«, machen mich dagegen eher nachdenklich. Doch das ist bestimmt meiner feministischen Prägung geschuldet.

Jung zu sein ist schön, aber auch ganz schön anstrengend. Alles ist offen, alles ist neu. Man will so viel und kann so wenig. Vergessen wir nicht, dass das menschliche Gehirn erst mit ungefähr fünfundzwanzig Jahren voll entwickelt ist. Ständig müssen junge Leute beweisen, dass sie schon erwachsen sind. Wer bin ich? Was will ich? Und was tue ich hier eigentlich? Diese Fragen mögen sich immer mal wieder im Leben stellen. Doch in der Jugend sind sie besonders drängend. Berufswahl, Wohnort, Partnerschaft, Kinder oder nicht: Das alles sind keine leichten Entscheidungen. Es braucht oft Jahrzehnte, um sich selbst einigermaßen gut zu kennen: die eigenen Bedürfnisse, Vorlieben, Fähigkeiten und Unfähigkeiten. Auch der Umgang mit anderen Menschen will gelernt sein. In der Jugend haben wir höchstens eine Ahnung von alldem, mehr nicht.

Wer keine Falten hat, hat nie gelacht

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