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DER TRAUM


Die Sonne versank langsam hinter der Spitze des Kahlenberges und beleuchtete den Abendhimmel tiefrot. Auf der gegenüberliegenden Seite der Donau stand nördlich von Wien, oben am Bisamberg die Burg Falkenstein. Das letzte Licht des Tages tauchte die Burg in dumpfe Farben. Die vielen Menschen, die hier wohnten, beendeten ihr Tagwerk und begaben sich anschließend zum gemeinsamen Abendessen in den Rittersaal. Die Zugbrücke wurde hochgezogen und das laute Rasseln und Poltern übertönte die letzten vereinzelten Stimmen im Burghof. Binsenlichter wurden angezündet, Türen schlugen ins Schloss und mit einem Male war alles menschenleer.

Dann brach die Nacht herein.

Silbriger Mondschein floss über die Dächer, während die letzten Lichter in den Gemächern verloschen. Eine Katze saß auf einem Mauersims, sprang plötzlich auf und tauchte blitzschnell in die Finsternis ein. Danach lag die Burg im Dunkeln, still und verschwiegen.


In dieser Nacht schlief Heinrich schlecht. Der Verwalter des Grafen Falkenstein, bewohnte mit seiner Frau Franziska, seinem Sohn Conrad und seiner Tochter Sybilla innerhalb der Burgmauer ein kleines Fachwerkhaus. Unruhig warf Heinrich sich herum. Im Traum hörte er eine sanfte Frauenstimme, die ihn rief.

„Heinrich! Hilf uns!“

Er öffnete die Augen und fand sich in einem Wald wieder.

Vor ihm lag ein kleiner See. Frühnebel hing wie schwerer Rauch zwischen den Bäumen und kroch langsam übers Wasser. Es war kühl und die Luft roch frisch und gut. Er sah zum Waldrand hinüber und durch die Nebelschwaden nahm er eine Gestalt wahr, die auf ihn zukam.

„Heinrich! Du musst sehr wachsam sein! Das Kind ist in Gefahr“, hörte er die Stimme wieder rufen.

Die Gestalt kam näher. Es war eine zarte, junge Frau mit langem, blondem Haar, das ihr über den Rücken fiel. Sie trug ein weißes, seidenes Gewand und war schön wie ein Engel. Heinrich spürte überwältigende Freude.

„Gertrud! Was machst du hier?“

Sie streckte die Arme nach ihm aus und als sie ihn erreichte, musste er erschrocken feststellen, dass sich ihre honigbraunen, freundlichen Augen rot färbten und ihr Gesicht sich zu einer widerlichen Fratze verzog. Vor Heinrich stand plötzlich ein Ritter in einer schwarzen, rostigen Rüstung.

„ Ich werde euch alle vernichten!“, donnerte die tiefe, furchterregende Stimme des Ritters.

Seine schrecklichen Augen blickten Heinrich zornig an und er versuchte, mit einem Dolch auf ihn einzustechen.

Heinrich schrie und schlug wild um sich.

Als er erwachte, war sein Leinenhemd feucht vom Angstschweiß. Er lag mit einem beklemmenden Gefühl in seinem Bett und starrte in die Dunkelheit. Franziskas warmer, weicher Körper lag neben ihm. Sie war aufgewacht, setzte sich auf und strich ihm sanft übers Haar.

„ Was ist? Du hast geschrieen“, flüsterte sie.

„ Es ist alles in Ordnung, meine Liebe. Schlaf nur ruhig weiter. Es war nur ein böser Traum. Morgen werde ich dir alles erzählen“, flüsterte Heinrich zurück, obwohl er sich gar nicht mehr sicher war, ob er das auch wirklich tun sollte.

Sein Herz hämmerte vor Aufregung und er war hell wach. Ein seltsames Gefühl beschlich ihn, das er nicht in Worte fassen konnte. Er hatte Gertrud gesehen, die schon lange tot war und plötzlich überkam ihn eine Art Gewissheit: Er wusste in diesem Moment genau, dass dieser Traum eine Warnung war. Bertram, dem einzigen Sohn des Grafen, drohte von irgendwoher Gefahr.

Ein kalter Schauer lief ihm über den Rücken und seine Nackenhaare sträubten sich. Heinrich konnte nicht wieder einschlafen. Er lag den Rest der Nacht wach und starrte auf die Dachbalken seines Hauses.

Heinrich die Suche

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