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HEINRICH


Es war der erste Sonntag im Oktober 1232, als Luise Schwab sich hochschwanger auf den Weg in den Wald machte, um Pilze zu sammeln. Die vergangenen Wochen waren feuchtwarm gewesen und die schmackhaften Gewächse schossen regelrecht aus den Waldböden. Ihr Mann war bereits aus dem Haus, auf dem Weg zu ihrem Nachbarn um den gemeinsamen Pflug auszubessern.

Luise und Lupold Schwab waren arme Bauern, die das Land für das Stift bestellten. Mit dem kleinen Hof konnte man durchaus eine kleine Familie ausreichend ernähren, doch Lupold war kein begnadeter Bauer und nach der letzten, kargen Ernte blieb nicht genug übrig, um die beiden mit einem Neugeborenen über den Winter zu bringen. Luise versuchte deshalb mit Waldfrüchten, Wurzeln und Pilzen den Speiseplan etwas aufzubessern.

Sie kannte gute Ernteplätze und um diese zu erreichen, musste sie eine kurze Strecke den Berg hoch wandern. Der Aufstieg fiel der schwangeren Frau trotz ihrer Jugend schwer. Luise begann zu schwitzen und lockerte den Schal den sie sich um die Schultern geschlungen hatte. Leicht schnaufend begann sie trotz allem gut gelaunt ein Lied zu summen. Luise liebte den frischen Waldgeruch, den Duft der Bäume und der feuchten Erde. Die Sonne sandte ihre Strahlen durch das herbstlich bunte Blätterdach und wärmte mit ihrer letzten Kraft die kühle Morgenluft. Die junge Frau schritt munter dahin, schwang in ihrer linken Hand den Sammelkorb und legte die Rechte auf ihren prallen Bauch, um die sanften Bewegungen ihres Kindes zu fühlen.

Der Waldboden war übersät mit Pilzen und Luise musste sich immer wieder bücken, um das Überangebot der Natur einzusammeln.

Anfangs beachtete sie die Schmerzen im Rücken nicht und schob sie in Gedanken auf die gebückte Haltung beim Sammeln. Doch eine Zeit lang später zog sich der Schmerz bis in den unteren Rücken und wurde stärker. Erst als ein heftiger Schmerz im Unterbauch sie zusammenfahren ließ, wurde sie aufmerksam.

„Das Kind kommt“, dachte sie erschrocken.

Sie richtete sich auf und sah sich um. Luise war beim Ernten der Pilze weit vom Weg abgekommen und versuchte, sich zu orientieren. Mit großen Schritten stieg sie über das trockene Gehölz. Nach wenigen Minuten hatte sie den Waldweg wieder erreicht, als eine heftige Wehe sie nochmals erzittern ließ. Luise krümmte sich vor Schmerz und im selben Augenblick spürte sie die warme Flüssigkeit über die Innenseite ihrer Beine fließen. Zuerst war es ihr nicht klar, aber in der nächsten Sekunde begriff sie, dass ihre Fruchtblase geplatzt war.

Oh, nein bitte nicht, flehte sie im stummen, nicht jetzt, liebe Mutter Gottes steh mir bei.

Sie presste die Hand zwischen die Beine und kreuzte die Knie, als könne sie damit den Geburtsverlauf aufhalten. Da fuhr der nächste Krampf durch ihren Bauch, lähmte ihre Glieder und drückte ihr Tränen in die Augen. Sie fiel auf die Knie und ließ den Korb fallen. Die mühsam gesammelten Pilze kullerten über die ganze Breite des Waldweges. Luise atmete heftig, sodass der Schmerz für kurze Zeit verschwand. Mühsam stemmte sie sich hoch und wankte mit gekrümmtem Oberkörper den Weg hinunter. Bei jedem Schritt spürte sie wie das Kind gegen ihre Schoß drängte. Luise wusste von einigen Frauen, das der Geburtsvorgang beim ersten Kind oft viele, schmerzvolle Stunden lang andauern konnte, doch dieses Kind, ihr Kind, kam schnell. Viel zu schnell.

Die nächste Wehe war heftig und warf sie regelrecht um. Auf allen Vieren kauernd, atmete sie stoßweise ein und aus. Luise spürte, dass es nun soweit war. Sie kämpfte sich in die Hocke, raffte ihre Röcke und fing an zu pressen. Mit den Händen griff sie zwischen ihre Beine und spürte wie der Kopf des Kindes sich bei jeder Presswehe aus ihr hinaus quetschte. Es folgten die Schultern und mit einem Schwall der restliche kleine Körper. Luise fing das Baby auf, zog es hoch und fiel im selben Augenblick nach hinten um. Erschöpft blieb sie, mit dem Kind auf dem Bauch, liegen. Sie spürte, wie der Schmerz sich auflöste und ihr ganzer Körper sich entspannte. Für einen kurzen Moment schloss sie die Augen und sammelte sich. Dann zog sie das Neugeborene hoch, biss die Nabelschnur durch und säuberte mit ihrem Schal die winzig Nase und den Mund. Gleich darauf vernahm sie als glücklichster Mensch dieser Erde, den ersten Schrei ihres Sohnes.


Luise lag mit offenen Augen da, das Kind an sich gedrückt und starrte in den Himmel. Sie war müde und ausgelaugt, doch dank ihrer jungen Jahre kehrte ihre Kraft bald wieder zurück. Sie wickelte das Kind in ihren Schal und rappelte sich hoch. Einen kurzen Moment drehte sich die Welt und Luise taumelte zwei Schritte vorwärts. Sie hielt das Kind fest im Arm und sog die frische Waldluft tief in ihre Lungen. Der Schwindel verging schnell. Auf leicht wackeligen Beinen machte sie sich auf den Heimweg. Luise bemühte sich nicht die Spuren der Geburt zu beseitigen, aber sie ging nicht, ohne vorher noch ein paar der verstreuten Pilze aufzusammeln.

Nach einer halben Stunde erreichte sie den heimischen Hof. Sie wusch sich und das Kind, wickelte es in saubere Tücher und fiel dann vollkommen erschöpft auf ihr Lager. Ihren neugeborenen Sohn legte sie sich an die Brust und der kleine Mann begann sofort schmatzend und glucksend zu saugen. Dann schlief Luise ein.

Als Lupold spät am Abend nach Hause kam, fand er, zu seiner großen Überraschung, eine friedlich schlummernde kleine Familie vor.


Lupold und Luise nannten ihren Sohn, Heinrich. Der strohblonde Knirps mit den wasserblauen Augen hielt sie ständig auf trab und war ihr beider ganzer Stolz. Lupold bemühte sich mehr Erträge aus seinem Land zu erwirtschaften und so kamen die Drei mehr schlecht als recht über die Runden. Im nächsten Jahr darauf wurde Luise wieder schwanger. Sie brachte ihre kleine Tochter an einem verregneten Frühlingstag genauso schnell und unkompliziert wie ihr erstes Kind zur Welt. Sie nannten sie Sophie. Die Kleine war das Ebenbild ihres Bruders, mit blonden Haaren und ebenso hellen, blauen Augen, nur dass auf Sophies kleiner Nase winzige Sommersprossen prangten.

Die folgenden Sommermonate waren warm, aber nicht zu trocken und Lupold brachte zum ersten Mal eine wunderbare Ernte ein. Das blieb auch die nächsten drei Jahre so und die Speisekammern, der hart arbeitenden Bauern, füllten sich bis oben hin. Es waren gesegnete Zeiten und das Glück der Familie Schwab schien perfekt zu sein. Bis zu dem Tag, an dem Gott seine schützende Hand von dem Land nahm.

Ein Hagelsturm zerstörte weite Teile nördlich der Donau und brachte große Verzweiflung in die Herzen der Menschen. Die Weinbauern klagten über den Verlust der Trauben von den besten Rebstöcken und dass der klägliche Rest nur mehr zur Herstellung von Essig taugte. Das wiederum verstimmte die Kirchenmänner vom Stift, weil dadurch die edlen Tropfen in der äußerst rentablen Stiftskellerei fehlten. Am schlimmsten traf es jedoch die Landwirtschaft. Die Ausmaße des Hagelsturms waren verheerend. Der Sturm hatte mit ungeheurer Gewalt, Häuser und Felder verwüstet und die ganze Ernte zerstört. Doch die Bauern waren es gewohnt zu kämpfen. Das emsige Volk hielt zusammen und brachte die Schäden an ihren Häusern gemeinsam, so gut es ging, wieder in Ordnung. Sie räumten die Felder auf und retteten was noch zu retten war. Immer wieder gab es gute und schlechte Zeiten, so war ihr Leben.

Nur für Luise war plötzlich alles anders. Die sonst so lebenslustige Frau verlor sich in immer schlimmer werdender Trübseeligkeit. Anfangs versuchte sie es mit Johanniskraut. Danach mit einer Mischung aus Ackerschachtelhalm, Brennnessel, Helmkraut, Birkenblättern und Schafgarbe, aber ihre Stimmung wurde nicht besser und danach waren selbst die kundigsten Kräuterfrauen ratlos.

„Ihr Körper wäre jung und stark“, meinten sie.

„ doch ihre Seele hat der Lebensmut verlassen. Dagegen, lieber Heinrich, ist kein Kraut gewachsen“.

Luise aß kaum noch und bestand bald nur mehr aus Haut und Knochen. Sie schleppte sich durch den Tag und der einzige Grund warum sie morgens noch die Augen öffnete, waren ihre Kinder. Eines Morgens, kurz vor Herbstbeginn, schlief sie jedoch für immer weiter.

Lupold begrub sie hinter dem Haus. Das schiefe Holzkreuz, das er auf ihr Grab setzte bewies sein Ungeschick für Handwerkliches.

„ Gott hat Mutter zu sich geholt“, war die knappe Erklärung für den sechsjährigen Heinrich und die vier jährige Sophie.

In den nächsten Tagen kamen immer wieder Nachbarn vorbei, um ihr Beileid zu bekunden, ließen was sie entbehren konnten an kleinen Gaben, da und strichen den Kindern mitleidig über die Wangen.

Heinrich konnte nicht verstehen, warum Gott seine Mutter geholt hatte, wo sie hier doch viel dringender gebraucht wurde. Er vermisste sie so sehr, sehnte sich nach ihrer weichen, warmen Umarmung und wollte ihren fantasievollen Geschichten lauschen. Warum ließ Vater sie draußen in der kalten Erde liegen und nicht hier, in ihrem Bett in der warmen Stube?

Er ging nach draußen und starrte lange auf das Grab. Dann wurde er zornig.

„ Gib Mutter wieder her“! schrie er und schlug mit seinen kleinen Fäusten in die Luft. Wenn er diesen Gott schon nicht sehen konnte, dann wollte er ihm wenigstens ein paar Prügel verpassen.

„Gib sie her!“ rief er wieder und dicke Tränen rannen über seine runden Wangen. Er hieb und trat schluchzend in die Luft und mit jedem Schlag befreite er sein kleines Herz vom großen Schmerz.


Lupold bemühte sich aus ganzem Herzen ein guter Vater zu sein. Jeden Tag versuchte er den Kindern wenigstens eine warme Mahlzeit auf den Tisch zu bringen, doch auch zum Kochen besaß er nur mäßiges Talent. Der kleine Heinrich und seine Schwester halfen wo sie konnten, doch die Arbeit am Hof und auf dem Feld, schien mehr und mehr zu werden, für Lupold kaum mehr zu bewältigen. Die Felder verwahrlosten zum Teil und im Wohnhaus begannen sich Ratten breit zu machen.

An einem eiskalten Sonntag Ende Februar, besuchte Lupold mit Heinrich und Sophie die heilige Messe im Ort. In mehrere Schichten warmer Kleidung eingepackt, stapften sie durch den schmutzigen, gefrorenen Schnee. Es war eine der seltenen Tage an denen die kleine Familie Zeit fand der Sonntagspredigt von Pater Paul beizuwohnen. Heinrich saß wie immer seit dem Tod der Mutter, stumm und unbeteiligt auf der Kirchenbank. Er hatte sich geschworen, nie wieder ein Wort mit Gott zu wechseln.

Nach der Messe versammelte sich die kleine Gemeinde vor der Kirche, um den neuesten Tratsch miteinander auszutauschen. Heinrich, Sophie und die anderen Kinder spielten fangen. Wie kleine Drachen stieß ihr Atem beim laufen kleine Wölkchen in die Luft. Der Himmel war grau verhangen und es roch nach Schnee. Rosa, die Frau eines benachbarten Bauern, trat an Lupold heran. Die Nase und die Wangen der mageren Frau waren gerötet von der Kälte und sie hielt einen dicken Wollschal um die Schultern geschlungen.

„ Poldi, du weißt ich meins gut. Du solltest den Vorschlag vom Eder-Bauer annehmen und seine Cousine heiraten. Die junge Witwe ist aus gutem Haus, anpacken kann´s und gut ausschauen tut sie auch. Poldi, sei vernünftig! Die Kinder brauchen eine Mutter und du brauchst a Frau“. Sie drehte sich um und ließ Lupold stehen. Lupold blieb mit gesenktem Kopf und den Händen in den Hosentaschen zurück. Er murmelte etwas Unverständliches und trat dann gegen einen Stein. Man sah ihm den Unmut über Rosas Worte an.

„ Kommt Kinder, wir gehen“! rief er knapp, wandte sich um und stapfte davon.

Drei Wochen später saß Lupold mit den Kindern früh morgens am Tisch und kaute an einer harten Kante Brot. Er starrte stumm und lange auf die Tischplatte. Kurz entschlossen sprang er plötzlich auf, warf das Brot hin, holte seine Jacke, schloss die Haustür ab und ohne ein Wort zu sagen, ging er.

Fünf Stunden später kehrte er zurück, mit Maria.


Der Vater stellte den Kindern die Fünfundzwanzigjährige wenig einfühlsam als seine zukünftige Frau und ihre neue Mutter vor. Maria hatte freundliche, braune Augen und eine kleine Nase in einem runden Gesicht. Ihre zart roten Lippen waren schön geformt und ihre Wangen zeigten zwei kleine Grübchen, wenn sie lächelte. Aus ihrer Haube drängten sich lange, braun gelockte Strähnen und sie roch gut. Maria begrüßte die Kinder mit einer kurzen, aber herzlichen Umarmung. Sophie war sofort von ihr hingerissen und wich nicht mehr von ihrer Seite. Es dauerte eine Weile, bis auch Heinrich begriff, dass Maria ein Segen für sie alle war.

Maria war ein intelligentes, wissbegieriges Kind. Dank ihrer Mutter wurde sie von Nonnen erzogen und durfte im Kloster lernen. Der Vater missbilligte das und nannte es Blasphemie. Als Maria später dann mit einem Spielmann namens Eduard davonlief und heimlich heiratete, verstieß er sie für immer. Maria und Eduard waren arm, aber glücklich.

Eduard fiel nach zwei Jahren Ehe vom Pferd und brach sich das Genick.

Als junge, mittellose Witwe blieb ihr nichts anderes übrig, als das Angebot ihres Cousins anzunehmen. Er bot Maria eine Stelle auf seinem Hof an, doch in Wirklichkeit entpuppte er sich als perverser Lustmolch, der ihr ständig an die Wäsche wollte. Eines Abends, als sie die Küchenabfälle nach draußen brachte, hörte sie die Ziegen im Stall gegen das Holz treten und aufgeregt blöken. Maria ging, um nachzusehen und starrte entsetzt auf ihren betrunkenen Cousin der mit offener Hose und steifen Glied versuchte eine Ziege, die er an den Hinterbeinen mit einem Strick gefesselt hatte, zu besteigen. Angewidert wandte sie sich ab und ging zurück in die Küche. Sie versuchte das Bild aus ihrem Kopf zu verdrängen und begann die Teller und Pfannen vom Abendbrot noch einmal zu schrubben.

Sie hörte ihn nicht kommen.

Als sie sich umdrehte stand er grinsend und mit offener Hose vor ihr. Er stank nach Branntwein und Maria sah auf seine schlaffe Männlichkeit. Ekel stieg ihr den Hals hoch und als er näher kam griff sie nach einer Pfanne und schlug ihm mit aller Kraft ins Gesicht. Dem Mann rutschte die Hose in die Knie und er fiel um wie ein Stück Holz.

Den ausgeschlagenen Vorderzahn und die gebrochene Nase verzieh er ihr nie und als Lupold sein Einverständnis gab Maria, zu heiraten, war er froh, diese Hexe aus dem Haus zu haben.


Maria gewann den gutmütigen Lupold und die Kinder bald sehr lieb. Sie besorgte sich Bücher von Pater Paul, um ihren ständigen Drang nach Wissen zu befriedigen und begann die Kinder zu unterrichten. Sie zeigte große Freude daran das Erlernte an sie weiterzugeben und Heinrich entwickelte sich zu einem eifrigen Schüler. Mathematik, schreiben, Geschichte und die Kräuterkunde liebte er sehr. Er war sogar bereit, Frieden mit Gott zu schließen. Auch Lupold profitierte von Marias umfangreichem Wissen. Sie zeigte ihm wie man die Obstbäume richtig schnitt und das Ziegenmist genauso gut zum Düngen und noch dazu viel billiger war wie Pferde und Kuhdung. Sie gruben gemeinsam einen Brunnen, von dem aus Lupold seine Felder schneller und besser bewässern konnte und nach wenigen Jahren war Lupolds Land fruchtbarer denn je. Für Maria war das natürlich alles nicht so leicht. Da sie ja jetzt die Frau eines Bauern war, musste sie auch Schwerstarbeit leisten um ihr aller Überleben zu sichern. Neben dem Putzen, Kochen, Wasserschöpfen, Spinnen, Feuerschüren, Käsen, Versorgen von Gemüsegarten und Vieh, Getreideeinbringen, Gerben, Mähen und vielem mehr, hatte sie ja jetzt auch noch eine Familie zu versorgen.

Maria aber schaffte das alles. Sie war eine wunderbare Frau.


Maria starb plötzlich und unerwartet, als Heinrich vierzehn war.

Blut rann aus ihrer Nase, sie schwitzte und fiel um. Minutenlang wurde ihr Körper von einem Krampf geschüttelt und weißer Schaum floss aus ihrem Mundwinkel. Maria stand nie wieder auf.

Es war am St. Veits -Tag, dem 15. Juni 1246. Das war auch der Tag, an dem Herzog Friedrich an der Leitha, in der Nähe von (Wiener) Neustadt, bei einer Schlacht gegen die Ungarn den Tod fand. Mit ihm starb der Mannesstamm der Babenberger aus und der deutsche König Friedrich II. zog Herzog Friedrichs Länder als erledigte Reichslehen ein.

Für Heinrich und seine Schwester stürzte eine Welt ein. Der Junge konnte nicht verstehen, warum ihm Gott zum zweiten Mal die Mutter nahm. Er verbrachte die nächsten Tage in einem Gefühl aus Trauer und Wut. Tagsüber versteckte er sich irgendwo auf dem Feld oder im Stall und nachts kroch er auf sein Lager, zog die Decke über den Kopf und weinte leise. Er fühlte sich einsam und wieder einmal von Gott verlassen. Nie wieder wollte er zu diesem grausamen Gott beten.


Nach fünf Tagen beschloss Heinrich, sein Elternhaus zu verlassen. Er war unendlich traurig und als er loszog, schien er ein alter Mann zu sein mit einem jungen Gesicht.

Heinrich schlug sich irgendwie durch und nach einiger Zeit kam er nach Wien und hörte, dass der Graf von Falkenstein, auf der anderen Seite der Donau, einen Schreiber suchte. Er überquerte den Fluss, bewies dem Grafen seine Geschicklichkeit und trat alsbald in dessen Dienst.

Heinrich merkte bald, dass der Graf eine große Vorliebe für Wein hatte und täglich eine Menge davon genoss. Aber der Graf war dem fleißigen und äußerst loyalen jungen Schreiber sehr zugetan und als der alte Burgvogt das Zeitliche segnete, übernahm Heinrich seine Aufgaben. Fortan kümmerte er sich um die Geschäfte und alle Ländereien des Grafen.

Vier Jahre versah Heinrich seinen Dienst gewissenhaft und verlässlich. Dann heiratete der damals schon über vierzigjährige Graf die erst siebzehnjährige Gertrud, die Tochter eines benachbarten Grafen. Er liebte seine junge Frau sehr, doch sie schenkte ihr Herz dem geschickten und gebildeten Verwalter der Burg. Der junge Heinrich war gerade achtzehn und sprühte förmlich vor Leidenschaft und Lebenskraft, doch er wusste auch, dass diese Liebe unrecht war und wollte Gertrud vergessen. Er verließ die Burg und folgte den Truppen des neuen Papstes Innozenz IV., eines gelernten Juristen und glänzenden Strategen, gegen den mittlerweile alten, deutschen König und römischen Kaiser Friedrich II. nach Italien.

Der Papst warf Friedrich II. eine lange Liste von Vergehen vor: Ketzerei, Kirchenraub, Meineid, Friedensbruch und Heiligenschändung. Überall im Lande waren Scharen planmäßig eingesetzter Bettelmönche unterwegs und forderten die Bevölkerung zum Widerstand auf. Kaiser Friedrich II. starb 1250 und Heinrich kehrte nach der rechtmäßigen Übergabe des Herzogtums Österreich an die siebenundvierzigjährige Königin Margarete und ihren neuen, dreiundzwanzigjährigen Gemahl Ottokar Premysl am 6. Mai 1252 auf die Burg Falkenstein zurück.

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