Читать книгу Die verkannten Grundlagen der Ökonomie - Riane Eisler - Страница 25
3.3 Die Entfremdung der Care-Arbeit
ОглавлениеAls Marx und Engels den Sozialismus als Alternative zum Kapitalismus forderten, schrieben sie auch über die Entfremdung der Arbeit.9 Sie erklärten, dass die Abwertung und Ausbeutung der Industrie- und Landwirtschaftsarbeiter die Wurzel der wirtschaftlichen Ungerechtigkeit darstelle. Bei meiner Forderung nach einer Wirtschaftsform, die über Kapitalismus und Sozialismus hinausgeht, verweise ich auf die Entfremdung der Care-Arbeit und benenne die Abwertung und Ausbeutung dieser grundlegenden Arbeit als Hauptfaktor für wirtschaftliche Ungerechtigkeit.10
Die Abwertung und Ausbeutung von Care-Arbeit gehen auf Zeiten zurück, in denen der weibliche Körper und die weibliche Arbeitskraft als männliches Eigentum galten.11 Infolgedessen waren Frauen und alles, was mit ihnen assoziiert wurde, in der Wirtschaftstheorie im Grunde genommen unsichtbar und der Fokus der Wirtschaftsdenker lag auf den Transaktionen zwischen Männern.
Sowohl Adam Smith als auch später Marx ordneten die von Frauen in Haushalten geleistete Care-Arbeit eher dem zweitrangigen Bereich der Reproduktion als dem Produktionsbereich zu und räumten dieser »Frauenarbeit« in ihren umfangreichen Werken nur minimalen Platz ein. Das Versäumnis, die stereotypisch als weiblich betrachtete Care-Arbeit in Wirtschaftstheorien und -modellen sichtbar zu machen, hat bis heute noch direkten negativen Einfluss auf wirtschaftliche Kennzahlen und Praktiken sowie die Wirtschaftspolitik.
Manche werden nun sagen, dass Care-Arbeit sehr wohl wertgeschätzt wird und dabei auf die Blumen und Süßigkeiten zu Muttertag und die traditionelle Anerkennung der mütterlichen Arbeit verweisen. Doch in der Realität erfährt Mutterschaft keine Wertschätzung. Wäre es nämlich so, dann läge in den USA die Armutsrate älterer Frauen – von denen die Mehrheit Mütter sind – nicht deutlich höher als die älterer Männer.12 Dasselbe lässt sich für den deutschen Kontext feststellen.13 Und Frauen und Kinder würden dann auch nicht die Mehrheit der Armen in der Welt stellen.