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Twiggy

Einen Haufen Tresen und Schlampen würde ich heute Abend wohl auch noch zu sehen kriegen. Twiggy hatte dienstags frei, und das hieß, er konnte in irgendeiner der achthundert Kneipen zwischen Rodenkirchen im Süden Köln und Worringen im Norden, zwischen Rösrath im Osten und Bocklemünd im Westen hängen. Ich hatte ziemliches Glück. In Kneipe Nummer fünf, dem Florchen in der Friesenstraße, fand ich seine Spur in Form seiner verheult aussehenden Dauerverlobten Roswitha.

»Dä blöden amerikanischen Hungk! Dä soll mer bloß nimmieh unger die Aure kumme! Vun wäje: ‚Dienstag frei, do maache mir uns ene schöne Oovend zesamme!’ Am Suffe un am Käue un am Zocke es dä Drecksack ald widder!«* Sie heulte sich vier Bacardi-Cola wässrig und erzählte mir zum zigsten Mal die Geschichte ihres Liebesleids mit »däm Mister Kritt-dä-Hals-nit-voll«.*

Aber nach einer knappen Stunde hatte ich raus, mit wem er denn heute unterwegs war, und wo sie angefangen hatten. Danach war’s einfach. Ich fand ihn im Silberne Saddel in Weidenpesch, nahe der Pferderennbahn. Hier verkehrten die Jockeys und die Wettgeschäftemacher, die Fans und die Zocker, Zuhälter aus der nördlichen Hemisphäre der Stadt und ihre Puppen, die aussahen wie die Frauen der dort ansäßigen Geschäftsleute, die ihrerseits aussahen wie Zuhälter. Alle palaverten lautstark und wild durcheinander, das Kölsch floss in Strömen, hauptsächlich in die Mini-Gläser, die in Köln »Stößjen« heißen. Und Abba ließen die Musikbox klirren.

Twiggy stand mit bloßem Oberkörper mitten in einem Knäuel Loddel und hielt vornüber gebeugt den Gürtel von Hämches Jupp zwischen den Zähnen. Jupps schlappe hundert Kilo schwebten einen halben Meter über dem fast schwarzen Parkettboden. Er machte einen Haufen Kies mit Imbissbuden, die für ihre gegrillten Hämchen berühmt waren. Das einzige, was er selber noch an Arbeit leistete, war zweimal die Woche morgens um fünf im Schlachthof-Restaurant mit ein paar Großhändlern Asbach-Cola zu saufen und dann eigenhändig ein paar Zentner Schweinshaxen in einen seiner Lieferwagen zu schmeißen – »domet die Arschlöcher nit meine, se künnten dä Jupp bedrieße!«*

Einer der Umstehenden begann, von einer Rolex mit einem goldenen Armband so breit wie anderer Leute Manschetten die letzten zehn Sekunden runterzuzählen. Twiggy ließ sich auf die Knie sinken und ließ seinen Gegner so sanft auf dem Boden ab, als sei er ein Tablett voll Jack Daniels. Er reichte Hämches Jupp seine rechte Schaufel und zog ihn spielerisch auf die Füße. Dann trank er drei Bier auf ex, machte die Runde und kassierte ab. Es kam ein ziemliches Bündel blauer Scheine zusammen. Nein – keine Zehner.

»Lokälrunde!«, schrie er in seinem breiten amerikanischen Akzent und grinste sein Lausbubengrinsen. Die meisten applaudierten und hieben ihm anerkennend auf die verschwitzten nackten Schultern. Ein paar – hauptsächlich die Loddel-Fraktion – guckten eher missmutig drein. Sie hätten »däm Ami« einen Dämpfer gegönnt – er war ihnen ein Dorn im Auge mit seiner unglaublichen Kraft, seinem Stehvermögen und seiner jungenhaft großen Schnauze. Und er machte keinen Hehl daraus, dass er keine Zuhälter mochte. Er prügelte sich bei jeder passenden Gelegenheit mit ihnen – und verlor nie.

***

Als er noch Sergeant beim Los Angeles Police Departement gewesen war, hatten vier schwarze Pimps seine Frau in Streifen geschnitten, weil sie einem von ihnen bei einer erzwungenen Orgie den halben Schwanz abgebissen hatte. Twiggy hatte seine Magnum mit selbst angefertigten Dumdum-Geschossen geladen, sich ein paar Tage krank gemeldet und die Kerle der Reihe nach aufgespürt.

»Not much left of them motherfuckers, when I’m thru’ with ’em, Boob. Blew one of ’em right thru’ a fuckin’ motel room wall.”* Land of the brave.

Seine Kollegen hatten zwar durchweg viel Verständnis für ihn, aber durchgehen lassen konnten sie ihm das natürlich nicht. Nicht einmal in L.A. Sie erklärten ihn für unzurechnungsfähig aufgrund von Schockwirkung und suspendierten ihn. Er reiste ’ne Weile in der Welt herum und landete dann hier in Köln als Nahkampflehrer für den Polizei-Sport-Verein. Nebenbei arbeitete er als Türsteher im Session in der Ehrenstraße. Da saß er dann oben an der Tür, trank Jack Daniels auf Eis, kaute Haschischklumpen und grinste jeden, der rein kam, freundlich an. Wenn’s unten im Laden Ärger gab, und den gab’s öfter, ertönte oben an seinem Platz ein Summer. Dann war er in zwei Sekunden unten, griff sich die Störenfriede, schlug sie mit den Köpfen aneinander, schleifte sie die Treppe hoch, manchmal an den Füßen, wobei ihre Köpfe bei jeder Stufe dieses hässliche Geräusch machten, und warf sie auf die Straße. Wenn sie sich bis oben immer noch nicht beruhigt hatten, warf er sie auch schon mal durch die Tür. Allerdings ging er nach dem ersten Mal, das ihn eine Stange gekostet hatte, immer hinterher und nahm ihnen ihr Geld ab.

»Ick kann doch nickt jedes Mal die fuckin’ Scheißdoor beßahlen, shit, man!«, kauderwelschte er fröhlich, klatschte mit einer reinigenden Geste in die Hände und ließ sich einen neuen Jackie bringen.

»Make it double, man, der Ahbeit macht Duahst!« Sie kriegten ihm nie beigebracht, Leute, die nach Ärger aussahen, gar nicht erst rein zu lassen. »Dafür braukt Ihr doch good ole Twiggy nickt, däs kann jede fuckin’ Klofrau!« Einmal waren es sechs junge Türken, was morgens um halb sieben sogar für ihn zwei zuviel waren. Sie richteten ihn und seinen Arbeitsplatz ziemlich übel zu.

»Türken, ha?«, meinte er nach zwei Tagen Erholungspause. Er fuhr in die Weidengasse, ging in die erste türkische Imbissbude und machte Kleinholz aus ihr. Dann ging er in die nächste. In der Weidengasse gibt es jede Menge davon – die Kölner nennen dieses Viertel Klein-Istanbul. In der vierten erwartete ihn der alte Metin und fragte ihn, was das sollte.

»You Turkish guys komm in mein Laden und mack trouble, Twiggy komm in dein Laden mack trouble, okay?« Metin telefonierte. Nach ’ner halben Stunde tauchten die drei der sechs Jungs auf, die nach ihrer Begegnung mit Twiggy noch laufen konnten, ließen eine Standpauke von Metin über sich ergehen und entschuldigten sich bei dem Amerikaner. Dann tranken sie ein paar Flaschen Raki zusammen, hauten sich auf die Schultern und nannten sich gegenseitig Arkadas. Es gab nie wieder Ärger mit Türken im Session.

Wir waren Freunde geworden, weil ich einer der Wenigen war, die seinen L.A.-Slang verstanden, weil er darauf stand, wie ich Schlagzeug spielte, und weil ich bei einer Session im gleichnamigen Laden einem Loddel, der vor der Bühne eine seiner Nutten verdrosch, eins meiner Becken auf den Schädel gedengelt hatte. Ich bin etwas altmodisch in manchen Dingen. Außerdem zog er gerne nach Feierabend mit mir durch die Kaschemmen, knobelnd und saufend, und wenn ein paar Loddels da waren, fing er an mir beizubringen, wie man mit einem Gegner fertig wird, der nicht allzu viel auf die goldenen Regeln der Fairness gibt. Das war mir einerseits immer ein wenig peinlich – Twiggy zog sich Jacke und Hemd aus und zeigte mir an irgendeiner Theke unter den finsteren Blicken der Jungs ein paar Tricks. Andererseits hatten wir immer eine Menge Spaß dabei – meistens gipfelte die Vorstellung darin, dass er vor mir stand und schrie: »Hit me in the face as fast an’ hard as you can! Come on, Boob!«* Ich versuchte es immer wieder, aber trotz meiner Boxerfahrung traf ich ihn nie, sondern landete regelmäßig in irgendeiner Ecke. Tae Kwon Do oder so ähnlich. Woraufhin er sich zu den Jungs rumdrehte und einen von ihnen anbellte:

»Warum lachst du, dumbshit, du glaubs, du bist schneller? Hier – zweihundert Mark, wenn du der courage hast, hey!« Und schon war wieder ’ne lustige Keilerei im Gange. Ach ja, goldene Jugendzeit …!

Nie wieder Apfelkorn

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