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6 – Heinz

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Stuttgart, Sonntag, 20. Juli 1986

»Fuck!«, sagte German Heinz zu seinem Spiegelbild. »Ich nehm’ Strom!« Das Spiegelbild grinste ihn an, ein verzerrtes, schiefes Wolfsgrinsen, nicht nur wegen der unzähligen weißen Flecken von Zahnpasta und verkalktem Wasser auf dem Glas und weil der Spiegelschrank in seinem Badezimmer arg schräg, nämlich nur noch an einem Nagel hing. »Ja, ja, ich auch, ha ha. Mächtig unter Strom, mein Lieber. Feines Stöffchen, das uns der liebe Steuerzahler da beschert hat!« Unbewusst rieb Heinz über die verschorften Einstichstellen in seiner Ellbogenbeuge. »Aber ich meine den Meisterkiffer. Wir könnten einen kleinen, unverdächtigen Unfall inszenieren, ein bisschen Strom auf seine Gitarre legen und ihn in die Fußstapfen von Leslie Harvey und John Rostill schicken. Einfach die Erde vom Netzstecker seines Scheiß-Amps abklemmen – und schwups! Ghost riders in the sky! Ha ha! Lacrimosa, dies illa statt Legalize it!« Der Spiegel blieb unbeeindruckt. »Lacrimosa, dies illa …«, sang Heinz übertrieben pathetisch die achtzehnte Strophe von Thomas von Celanos Hymnus vom Jüngsten Gericht. Dann kicherte er. »Kannst ja mal sehen, was die Richter da oben von deiner Kampagne halten, Alter!«

»Na, vielleicht kiffen die auch«, sagte das Spiegelbild, und Heinz setzte sich erschrocken auf die Kloschüssel. »Du glaubst doch nicht wirklich, dass es damals um einen beschissenen Apfel ging, oder?«

»Baum der Erkenntnis«, murmelte Heinz und spürte, wie ihm kalte Schweißtropfen auf Stirn und Schläfen traten.

»Padah!«, bot ihm der Spiegel einen Tusch. »Erste Erkenntnis: Man muss wissen, welchen Verstärker das Opfer benutzt. Zweitens: Dann muss man dessen Netzkabel für ein paar Minuten unter Kontrolle bringen. Unbeobachtet. Denn drittens: Um den Verstärker herum wimmelt es von Bühnenhelfern, Ordnern, Musikern, Roadies … Viertens: Das Kabel muss wieder an seinen Platz. Fünftens: Das bisschen Strom auf Gitarrensaiten ist zwar unangenehm – aber möglicherweise tödlich nur dann, wenn das Opfer gleichzeitig mit nackter Haut die Saiten berührt und das Mikrophon. Oder barfuß auf einer nassen Bühne steht. Vielleicht kriegt es aber auch bloß kräftig eine gewischt, setzt sich auf seinen Hintern und ist für zwei, drei Minuten ein wenig blass um die Nase und hat ein Weilchen eine taube Lippe. Und wird dann noch gefeiert, weil es trotzdem weiterspielt. Baum der Erkenntnis …!«, giggelte der Spiegel. »Dass ich nicht lache. Die allererste Erkenntnis lautet ja wohl: Nachdenken, Heinzi! Erst denken, dann handeln!«

Dann schwieg der Spiegel. Eine ganze Weile. Aber schließlich entfuhr ihm noch einmal ein schrilles Kichern. »Ach, du Scheiße!«, quiekte er – und der letzte Nagel löste sich aus dem schimmeligen Putz, und der ganze Spiegelschrank rutschte mit Geschepper und Geklirre ins Waschbecken.

Heinz war ziemlich froh, dass er schon auf der Toilettenschüssel saß. Und dass er, obwohl er es sich seit vier Monaten fast täglich vornahm, immer noch nicht den abgebrochenen Klodeckel ersetzt hatte. Und dass er sich nach dem Duschen noch nichts angezogen hatte.

Paaf!

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