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12.

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Andrejs Pferd schnaubte und stampfte kurz mit den Vorderhufen auf den Boden. Er zog am Zügel. Es lohnte sich, ein gut dressiertes Pferd zu reiten, wenn man so viel allein unterwegs war wie er. Sein Gaul hatte einen anderen Gaul gerochen. Andrej musterte die Umgebung, so weit man sie vor Baumstämmen und Felsflanken sehen konnte. Der Weg vor ihm war die ganze Strecke über so gut wie unberührt gewesen; natürlich hatte er nicht angehalten, um sich neben seinem Tier auf den Boden zu knien und einen der sporadischen Haufen Pferdeäpfel auseinanderzuklauben. Ein Soldat hatte ihm einmal erklärt, dass man, wenn man einen auseinanderbrach, erkennen konnte, wie frisch er war. Er hatte auch erklärt, dass man schmecken konnte, ob das Pferd sich in der letzten Zeit von Heu und Stroh oder von Hafer ernährt hatte, wenn man vorsichtig daran leckte. Hafer bedeutete, dass der Reiter, dem man folgte, wohlhabend war und man von ihm vermutlich nichts zu befürchten hatte. Andrej hoffte, nie in die Lage zu kommen, die auf ihn möglicherweise wartende Gefahr mit Hilfe des Geschmacks von Pferdescheiße einschätzen zu müssen.

Er flickte den Zügel. Sein Pferd ging weiter, langsamer als zuvor.

Andrej hatte sich beeilt, aber der eine Tag Verspätung war nicht aufzuholen gewesen. Sein Pferd war müde, er war es auch, mit den üblichen Beigaben von wund gerittenen Hinterbacken und einer generellen Abneigung gegen jeden weiteren Tag Fortbewegung auf einem Pferderücken. Man sollte meinen, dass vier Jahre als reitender Partner eines Kaufmanns einen daran gewöhnten, aber Andrej war durch und durch ein Stadtmensch und war es immer geblieben. Die ersten paar Jahre, als seine Eltern noch am Leben und kreuz und quer durch das Land gezogen waren im Dienst der einen wahren Wissenschaft (wenn die Rede auf die Alchimie kam, pflegte sein Vater pompösere Vokabeln zu gebrauchen als sonst), hatten weniger Eindruck bei ihm hinterlassen als sein Aufwachsen in der Gosse Prags. Man konnte ein Stadtmensch werden, selbst wenn das, was man von der Stadt sah, die Bereiche nahe den Mauern, die Hinterhöfe von billigen Bordells und die Brandgassen waren, in denen man seinen Körper für ein paar billige Vorteile einzutauschen versuchte – wenn man nicht einfach seinen Körper benutzen lassen musste, ohne selbst einen Vorteil davon zu erlangen, weil der andere größer, rücksichtsloser oder ein einflussreiches Ratsmitglied war. Wieso gerade er angeboten hatte, der reisende Teil in der Partnerschaft „Khlesl & Langenfels“ zu sein, wusste er selbst nicht genau. Vermutlich war der Grund gewesen, dass er nach dem Tod Kaiser Rudolfs das dringende Gefühl gehabt hatte, endlich einem Käfig entfliehen zu müssen, dessen Gitterstäbe aus der ständigen Rezitation seiner ersten unbewussten Begegnung mit der Teufelsbibel bestanden hatten. Seitdem hatte er nicht mehr aufgehört zu rennen. Wenzel war mittlerweile so alt, wie er selbst damals gewesen war, als er ihn aus dem Waisenhaus gestohlen hatte und dann nur mehr zu der Leiche der Frau hatte zurückkehren können, mit der und dem Kind zusammen er endlich seine Wurzeln hatte finden wollen. Vielleicht war er einfach weitergerannt, weil er sich davor fürchtete, der Erinnerung in Prag entgegenzutreten, mit dem jungen Mann an seiner Seite, für den er damals seinen Kopf riskiert und Asche geerntet hatte.

Er erkannte, dass das Pferd stehen geblieben war und dass er auf den letzten hundert Schritten keinerlei Aufmerksamkeit für seine Umgebung erübrigt hatte. Er seufzte und trieb den Gaul wieder an.

Da hörte er den charakteristischen Knall, mit dem eine Armbrust auslöste.

Die Wächter der Teufelsbibel

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