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Sabut

Die geplante Reise zur Nordküste wurde zunächst aufgeschoben. Es gab wichtigere Dinge zu regeln. Erfinder-Äffchen musste sein Labor neu einrichten. Außerdem wusste es, dass sich die beiden Riesen Oler und Idan noch im Wald aufhielten und diese hätten sie niemals gehen lassen.

Eines Morgens rannte der kleine Idan aufgeregt im Wald umher.

„Heute hat Entchen Geburtstag! Ich muss ihm was schenken!“ Entchen war eine dicke, weißgrüne kleine Wildente.

Jetzt lief der kleine Idan auf Bär Porbulos Höhle zu – und mitten hinein. Bär Porbulo, der mit seinem stärksten Diener Barli-Bär und seinem Bruder Zotti-Momi noch im Halbschlaf lag, gähnte laut und fragte Idan nach dem Grund seines Kommens.

„Weißt du denn das nicht? Entchen hat doch Geburtstag. Du musst ihm etwas schenken!“

„Was ist denn das wieder für ein Quatsch, mit dem du mir da ankommst?“, brummte Bär Porbulo.

Idan erklärte alles, so gut er konnte. Es war nicht leicht, Bär Porbulo die Bedeutung von Geburtstagen zu erläutern. „Na schön“, brummte der schließlich. Er holte etwas Bräunliches aus seiner Höhle hervor und ging damit zu Entchen. Dort angekommen öffnete er seine Pfoten und man konnte etwas erkennen, das Idan und Entchen zunächst erschrecken ließ. Es war etwas Lebendiges, nur etwa einen halben Meter hoch, braun, hatte einen zottigen Kopf und links davon einen kleineren, kaum wahrnehmbaren zweiten. Auf beiden Köpfen befand sich jeweils ein Horn. Auf den Stirnen trug das Wesen ein großes Auge und an der Stelle, wo die Nase sitzen müsste, waren fünf Augen nebeneinander gereiht. Es hatte an den Händen, die unbehaart waren, zwei Greiffingerchen und an den Füßen zwei lange Zehen.

„Das ist ein Mammutfresser“, erzählte Bär Porbulo, „eines jener seltsamen Wesen, die am Südpol in einem riesigen Meer auf Eisschollen leben. Vor fünf Jahren kam ich dort einmal im Urlaub hin. Ich sah etwas Schreckliches: Die Wildhörner, die Eisenmenschen also, die mit Helm, zwei Hörnern und einem Federbusch geboren werden, kämpften gegen die Mammutfresser, um die wertvollen Eisenstoffe aus ihrem Blut zu gewinnen. Es war ein großes Gemetzel. Wie ein Ameisenschwarm stürzten sie sich auf die riesigen Mammutfresser. Ganz winzige Mammutfresserchen wurden von den Rabauken achtlos mit dem Fuß ins Wasser gestoßen. Eines davon fischte ich auf. Ich nahm es mit in den Komponischen Märchenwald. Da er mir zu klein erschien, nahm ich auch noch Mammutfleisch mit, damit ich ihn mästen und nachher verzehren könnte. Das Mammutfleisch habe ich in einem Kühlschrank gelagert, den mir Äffchen gebaut hat. Aber jetzt, nach fünf Jahren, ist er kaum so groß wie ein Biber geworden und immer noch zu klein! So kannst du ihn meinetwegen nun haben, Entchen. Die Vorräte an Mammutfleisch gehen sowieso bald zur Neige.“

Entchen nahm dankend das Geschenk an und versuchte, dem Menschentier ein paar Wörter beizubringen. Entchen war ein gelehriges Tier und hatte von den sprechenden Vögeln des Waldes, von den beiden Riesen und dem kleinen Idan schon manches Wort in menschlicher Sprache gelehrt bekommen, sodass es sich mithilfe dieser Worte notdürftig unerhalten konnte. Und schon betrachtete es sich als Lehrerin, und der kleine Mammutfresser war sein erster Schüler. Aber Sabut, so nannte Entchen den Mammutfresser, hatte wohl kein allzu großes Hirn. Statt „ja“ sagte er „kraa“, statt „nein“ sagte er „Schwein“. Sich selbst nannte er „Mammut“, und wenn er richtiges Mammutfleisch sah, piepste er: „Sabut!“ Entchen konnte leicht abschätzen, dass das Fleisch in wenigen Wochen verbraucht sein würde. Idan ging zu Erfinder-Äffchen und fragte um Rat. Äffchen ließ ihn in seine Werkstatt, kramte in allen Ecken und zog schließlich ein dickes Lexikon hervor. Es blätterte darin. „Marmor – Mammut – Mammutbaum – aha: Mammutfresser!“ Äffchen las vor. Es fiel ihm schwer, die Schrift auf den schon vor Alter vergilbten Seiten zu entziffern.

„‚Die Mammutfresser bewohnen das Heißmeer des Südpols. Auf dem Heißmeer treiben Eisschollen. Warum das so ist und warum die Eisschollen nicht schmelzen, hat bisher noch kein Forscher herausfinden können. Aber es ist so. Die Mammutfresser sind bei ihrer Geburt so groß wie ein Goldhamster und werden im ausgewachsenen Zustand dreihundert Meter hoch. Sie wachsen sehr langsam und werden mehrere tausend Jahre alt. Sie haben zwei Köpfe, von denen einer bei der Geburt schon ausgebildet ist. Der zweite Kopf ist zunächst noch verkümmert und holt im Laufe des Lebens das Wachstum des ersten Kopfes ein. Wenn der Mammutfresser erwachsen ist, sind beide Köpfe gleich groß. Insgesamt haben die Mammutfresser zwölf Augen, sechs davon auf jedem Kopf. Auch ihre Füße haben nur zwei große Zehen. Mammutfresser gehen aufrecht wie Menschen. Ihre Zähne sind scharf und in jedem Kiefer haben sie einen langen, spitzen Schneidezahn. Wie der Name sagt, ernähren sie sich von Mammuts, die sie mit ihren zangenartigen Greifhänden von den Eisschollen picken. Nach allem, was wir wissen, ist es das einzige Fleisch, das ihnen zusagt.‘ Da haben wir’s“, sagte Äffchen, „‚das einzige Fleisch, das ihnen zusagt‘. Das bedeutet, dass wir zu der Polgegend aufbrechen müssen, um den Kleinen mit Fleisch zu versorgen.“

„Ich sehe leider auch keine andere Möglichkeit“, meinte Bär Porbulo.

„Wie kommt man eigentlich zum Südpol?“, fragte der kleine Idan. „Wie bist du denn damals hingekommen?“, fragte er Bär Porbulo.

„Oh, das war eine sehr, sehr lange Wanderung“, erwiderte der Grizzly-Hauptmann. „Ich bin damals mit einer großen Karawane von Bären gereist. Alle meine Gefolgsleute sind mitgezogen. Im Süden haben sich uns die weißen Bären des Polareises angeschlossen. Du erinnerst dich doch sicher, kleiner Idan, dass ich jedes Jahr wenigstens einige Monate mit all meinen Volksgenossen unterwegs auf Wanderzügen bin. Das nennen wir Ferien. Solange du lebst und du dich hier auf diesem Kontinent Rüsselschwein befindest, muss dir das aufgefallen sein.“

„Ja, tatsächlich“, sagte der kleine Idan. „Ich erinnere mich. Das war, soweit ich mich entsinnen kann, bisher jedes Jahr so. Aber wie seid ihr denn über das Meer gekommen? Ihr habt doch keine Schiffe?“

„Mit einer Bärenfähre“, brummte der Hauptmann.

„Bärenfähre? Was ist denn das?“

„Es sind zahme Wale, die an der Südostküste angeschwommen kommen und bereit sind, jeden Bären in ihren Mäulern mitzunehmen, den sie sehen. Sie tun dies gerne und erwarten dafür ein gewisses Entgelt. Dieses besteht darin, dass wir den Walen die Zähne putzen. Du musst nämlich wissen, dass es sehr große Zähne sind. Viele enthalten Löcher, die im Verhältnis zur Größe der Rachen so klein sind, dass die Walzungen nicht in sie vordringen können und in diesen Löchern sammeln sich Speisereste. Auch zwischen den Zähnen bleibt so manches stecken und nur wir Bären mit unseren starken Tatzen sind in der Lage, all diese Speisereste in und zwischen ihren Zähnen zu entfernen. Ein Mensch wäre dazu wohl kaum in der Lage. Es fehlt ihm an Kraft und Geschick, und er müsste Instrumente mitbringen und anwenden, die von den Walen nicht gerne gesehen werden. Diese Wale misstrauen den Menschen. Wir Bären dagegen sind ihnen willkommen. Normalerweise transportieren uns die Wale nur bis zur Nachbarinsel, wo sie uns dann absetzen. Sie liegt nicht weit entfernt vom südwestlichen Zipfel von Rüsselschwein und heißt Waliland. Gegen ein gewisses zusätzliches Entgelt können wir die Wale aber dazu bringen, dass sie uns noch weiter tragen. Wir müssen ihnen nur versprechen in ihren Rachen während der Reise als Putzmänner zu dienen. Dann sind sie auch bereit, uns noch eine weitere Strecke des Weges mit sich zu führen. Wenn sie dazu keine Lust mehr haben, geben sie uns an andere Wale ab, die weiter nach Süden unterwegs sind. Wir springen dann willig von einem Rachen in den anderen. Und so tauschen wir unseren Träger solange, bis wir den Südpol erreicht haben. Diese Wale – wir nennen sie Bärenwale oder Bärenfähren – sind so groß, dass ganze Heere von Bären in ihren Rachen Platz haben.“

„Ist denn noch niemand von euch von ihnen verschluckt worden?“, fragte Idan und man merkte seiner Stimme an, dass er voller Angst und Sorge war.

„Allerdings noch niemand“, beruhigte Bär Porbulo den Jungen. „Wir Bären verstehen es schon, uns an den Zähnen, die wir gerade bearbeiten, festzuhalten, während der Wal eine mit Fischen gesättigte Ladung Wasser in seinen Rachen zieht. Vorher kündigen die Wale durch ein Warnsignal uns ihre Absichten an. Wie gesagt sind auch Scharen weißer Eisbären mit uns gezogen, die uns auf unserer Wanderschaft nach Südrüsselschwein begegnet sind. Einige stammten vom Südpol und befanden sich auf der Rückreise in ihre Heimat. Sie luden uns bei sich zu Hause ein und wir nahmen das Angebot gerne an. Nach nur zwei Wochen hatten wir bereits den Südpol erreicht. So kamen wir gerade rechtzeitig zu dem Massaker, das die Wildhörner unter den Mammutfressern angerichtet haben.“

„Aber wie kommt es, dass diese Wildhörner die lieben Mammutfresser getötet haben? Haben die Mammutfresser ihnen denn was getan? Wie kann man nur so böse sein?“

„Freilich haben ihnen die Mammutfresser nichts getan“, erwiderte der Grizzly. „Die armen Mammuts haben den Mammutfressern ja auch nichts getan! Und böse – böse sind die Menschen immer, mehr oder weniger zumindest. Wildhörner aber sind ganz einfach abenteuerlustig. Sie wollen ständig ihren Lebensraum erweitern, na ja, und es ist bekannt, dass sie keinen Respekt vor Menschen haben. Wie Erfinder-Äffchen mir erzählte, haben sie große Scherereien mit König Artobald, dem Herrscher von Südstiefelburg. Darum haben sie sich wohl auch in ihre lang gestreckten Burgen zurückgezogen. Sie sind menschenscheu und betrachten die Menschen als ihre Feinde. Möglicherweise hat sie der aufrechte Gang der Mammutfresser an Menschen erinnert. Im Allgemeinen sollen sie recht tierlieb sein!“

„Aber es sind doch selber Menschen“, wandte der kleine Idan ein.

„Würden sie wohl nicht von sich behaupten. Wir behaupten’s ja auch nicht von uns! Was ein Mensch ist und was nicht, unterliegt im Allgemeinen einer gewissen Definition.“

„Was ist eine Definition?“

„Eine Bestimmung. Man versteht darunter eine hervorragende Eigenschaft! Die Wildhörner können zum Beispiel riesige Sprünge machen, bis zu fünf Meter hoch. Welcher Mensch ist dazu in der Lage? Welcher Mensch hat Hörner? Welcher Mensch hat Zehen, die so eng beieinander liegen, wie die der Wildhörner, so eng, dass sie einen Rundfuß bilden? Welcher Mensch hat die Kraft eines Wildhorns?“

„Und doch sind es Menschen“, sagte der kleine Idan. „Sie denken wie Menschen und sind vernünftig.“

„Das bin ich auch“, mischte sich Erfinder-Äffchen ein, „und bin kein Mensch.“

„Du bist eben eine Ausnahme wie alle Plédo-Affen“, sagte Idan.

„Ja, es gibt Grenzfälle“, pflichtete Bär Porbulo bei, „und wenn ich’s recht bedenke, bin ich auch nicht dumm, obwohl ich ein Bär bin. Würdest du mir vernünftiges Denken absprechen?“

„Nein“, sagte Idan.

„Ich schon!“, rief Erfinder-Äffchen.

„Bist du aber hochmütig!“, sagte Idan.

„Bin ich nicht! Immerhin kann ich vernünftig reden. Diese Tiere aber verständigen sich nur durch dumpfe Laute, und da du ein sehr feinfühlender Mensch bist und ihre Gefühle verstehst, kannst du diese Laute übersetzen. Am Ende deutest du aber mehr hinein, als darin enthalten ist.“

„Tue ich nicht! Du verstehst sie ja auch – genauso wie ich.“

„Nun ja – ich bin ein Affe!“

„Aber ein sprechender!“

„Richtig, und daher vernünftig!“

„Bär Porbulo, was sagst du denn dazu“, wandte sich der kleine Idan Hilfe suchend an den Grizzly-Hauptmann.“


„Was soll ich dazu sagen? Ich habe meine Gefühle und meine Gefühle sind meine Gedanken und du verstehst sie. Das ist die Hauptsache!“

„Da bin ich aber froh, dass du dich verstanden fühlst“, jubelte der kleine Idan.

„Kannst du nicht wissen, dass er dich verstanden hat“, konterte Äffchen. „Du hast seine Laute nur gedeutet. Du kannst nicht sicher sein. Es sind ja bloße Laute!“

„Dann wundere ich mich, dass du diese bloßen Laute genauso deutest wie ich“, fuhr Idan das Äffchen an.

„Bin ja selbst auch ein Tier“, gackerte Äffchen.

„Aber ein sprechendes!“

„Eben!“

„Mensch, du machst mich verrückt!“, rief Idan und wandte sich wieder Bär Porbulo zu.

„Richtig wäre es, zu sagen: Affe, du machst mich verrückt!“, spottete Äffchen und eilte davon.

„Jedenfalls finde ich es sehr, sehr ungehörig von den Wildhörnern, was sie da getan haben“, beeilte sich Idan zu sagen. „Das ist gar nicht lieb! Und Tierfreunde sind sie auch nicht! Und das mit der Menschenähnlichkeit lasse ich nicht gelten! Die Mammutfresser gleichen ja sicher den Menschen nicht mehr als die Wildhörner selbst! Und ein echter Tierfreund ist zugleich ein Menschenfreund und umgekehrt! Wie will man das trennen?“

„Ich weiß nicht“, sagte der Bär, „frage sie selbst! Tatsache ist, dass wir auf diese Weise zu den Mammutfressern kamen und der Ente ein Geschenk machen konnten. Und Tatsache ist leider auch, dass die Lebensmittel zur Neige gehen, mit denen wir dieses Kerlchen ernähren können. Wir müssen also dringend etwas unternehmen!“

Auf Äffchens Anregung wurde eine Versammlung aller Bewohner des Waldes einberufen. Die beiden Riesen Idan und Oler nahmen nicht teil. Sie waren gerade auf Reisen und Erfinder-Äffchen hatte sich, schlau wie es war, gerade diesen Termin gewählt, um über einen Plan entscheiden zu lassen, den die Riesen nie gebilligt hätten.

In der Mitte der Versammelten saß der bibergroße Sabut und lallte die wenigen Worte, die er gelernt hatte: „Schwein, Mammut schlicht viel Reis.“ Mit „Mammut“ meinte er selbstverständlich sich selbst, mit „Schwein“ meinte er „nein“ und mit „Reis“ meinte er „Fleisch“. Entchen, als die gestrenge Frau Lehrerin, die es war, versuchte Sabut zu korrigieren. Aber das Mammutfresserchen weigerte sich und rief: „Schwein, Mammut schlicht still! Wanderreis!“ Das hieß soviel wie: „Nein, Sabut nicht will! Was andres als Fleisch!“ Aber natürlich verstand ihn weder Mensch noch Tier und folglich konnte ihn Entchen auch nicht richtig korrigieren, was zu weiteren Auseinandersetzungen führte. Im Übrigen beachtete auch niemand so recht das seltsame Streitgespräch zwischen Sabut und seiner Lehrerin. Es gab wichtigere Dinge zu regeln. Es sollte nämlich entschieden werden, was für den Fall zu tun sei, dass die Fleischvorräte völlig zur Neige gehen sollten.

Urlu, der Löwenkönig räumte ein, dass man es mit der Art des Fleisches nicht so genau nehmen solle, vorausgesetzt, es handle sich nicht um Menschenfleisch, das ekelhaft süß und nur im Notfall zu verzehren sei. Im Übrigen sei aber Fleisch gleich Fleisch.

„Schwein! Reis schlicht schleich Reis fischt!“, plapperte Sabut empört. Und das hieß natürlich: „Nein! Fleisch nicht gleich Fleisch ist!“ – Was aber niemand verstand. „Brenn Reis schleich Reis schwer, Pfann Mammut Sabut messen föhnte!“, fuhr er fort. Und das bedeutete: „Wenn Fleisch gleich Fleisch wär, dann Sabut Mammut fressen könnte!“ „Haber Korn Pfann Mammut Reis schon Sabut messen!“, sagte Sabut, was bedeutete: „Aber kaum kann Sabut Fleisch von Mammut essen!“ Aber alle Anwesenden lachten nur und hielten die Worte Sabuts für sinnloses Geplapper.

Erfinder-Äffchen wandte sich gegen die Meinung des Löwenkönigs. „Ich glaube kaum, dass Fleisch gleich Fleisch ist“, sagte es. „Mammutfresser fressen nun mal Mammutfleisch! So steht’s im Lexikon! Sonst würden ja Mammutfresser nicht Mammutfresser heißen, was nur wieder logisch ist! Also ist Sabut auf das Fleisch von Mammuts angewiesen!“

„Schwein!“, rief Sabut, „Schwein! Mammut schlicht Reis schon Sabut messen!“ Aber das gelehrige Entchen unterbrach ihn sofort: „Wie oft soll ich dir noch sagen, dass du kein Schwein bist! Du bist ein Mammutfresser!“

„Schwein!“, rief Sabut und stieß mit den beiden Fingern seiner Rechten aufgeregt und widerspenstig in Entchens Federkleid, dass dieses laut aufschnatterte. „Mammut schlicht Sabut fern messen!“

„Was redest du nur für einen Unsinn“, sagte Entchen. „Das versteht ja weder Mensch noch Tier! Du beharrst darauf, dass du ein Schwein bist? Na bitte, dann bist du eben ein Schwein! Du benimmst dich ja auch wie eines! Man zeigt nicht mit nackten Fingern auf Leute mit Federkleid!“

„Mammut schlicht Sabut messen viel“, wiederholte Sabut. „Sabutreis Mammut Vieh decken! Mammut Rind!“ Das bedeutete natürlich: „Sabut nicht Mammut fressen will. Mammutfleisch Sabut nie schmecken, Sabut Kind!“

„Nein, Sabut, ein Mammut ist sicher kein Rind!“, belehrte ihn Entchen. „Da bringst du mal wieder alles durcheinander!“

Niemand schenkte Sabut weitere Beachtung. Sein Verhalten galt als ungehörig.

„Ich muss Äffchen Recht geben“, sagte Bär Porbulo. „Gewiss ist Mammutfleisch das einzige Nahrungsmittel, das Mammutfresser vertragen! Es wird daher nötig sein, eine Südpolreise zu unternehmen. Ich aber werde derjenige nicht sein, der sie antritt, denn es sind noch keine Sommerferien und es stehen derzeit keine Bärenfähren zur Verfügung.“

„Ich und meine Freunde werden die Reise antreten“, sagte Erfinder-Äffchen. „Wir haben schon manches Abenteuer gemeistert und, wie ihr wisst, mit Erfolg. Wir werden zum Südpol reisen. Freilich aber nicht auf gleiche Weise wie Bär Porbulo. Wir werden die Route nach Norden einschlagen.“

„Verzeihung“, sagte Kiri-Rüssel, der Elefantenhauptmann. „Höre ich richtig? Um zum Südpol zu gelangen, willst du nach Norden reisen? Das mag Affenlogik sein! Meine Logik ist es nicht! Seit wann erreicht man sein Ziel, wenn man in die entgegengesetzte Richtung läuft?“

„Hängt das damit zusammen, dass die Erde rund ist?“, fragte der kleine Idan.

„Nein, das hängt damit zusammen, dass sich an der Nordküste die Touristenstädte befinden“, erwiderte Äffchen. „Und da gibt es Flugzeuge, mit denen wir zum Südpol fliegen können.“

„Schwein!“, schrie Sabut, „Schwein! Schlicht blödig! Sabutreis Mammut Vieh decken!“

Das hieß natürlich: „Nein! Nicht nötig! Mammutfleisch Sabut nie schmecken!“

Aber alle lachten nur. „Pfui“, sagte Entchen bloß, „wie unanständig! Ein Mammut ist doch kein Rind!“

„Wenn alle Stricke reißen“, fuhr Äffchen fort, „werden wir vielleicht in den Besitz der sieben Kristalle gelangen, die auf Pessian versteckt sind. Dann haben wir das Lebenselixier gefunden und brauchen das Mammutfleisch nicht mehr. Ich bin mir sicher, dass wir in diesem Falle die erste Reise mit der zweiten verbinden können!“

„Du willst hoch hinaus“, sagte Urlu, „das nenne ich Mut!“

„Forschergeist verlangt auch Mut“, bestätigte Äffchen. „Falls unsere Südpolmission glücken und wir mit dem Mammutfleisch zurückkehren sollten, werden wir als Nächstes nach Íoland reisen und den Turm von Gorkan ausfindig machen. Mit dessen Hilfe werden wir dann nach Pessian gelangen.“

„Das stellst du dir alles so furchtbar einfach vor“, klagte der Große-Bruder-Affe. „Erfinder-Äffchen, du lebst in einer Fantasiewelt!“

„Wenn du das so siehst! Aber wenn du Recht hast und ich tatsächlich in einer Fantasiewelt lebe, dann bedeutet das, dass ich allen Grund habe, an das Gelingen unserer Mission zu glauben.“

„Das ist logisch“, sagte Kiri-Rüssel und klopfte sich mit seinem Rüssel gegen die Stirn, „denn in einer Fantasiewelt ist alles viel einfacher!“

„Nein“, sagte der Große-Bruder-Affe zu Äffchen. „Ich meinte nicht, dass du tatsächlich in einer Fantasiewelt lebst. Ich meinte, du bildest dir bloß ein, in einer Fantasiewelt zu leben.“

„Das gilt nicht und ist auch nicht logisch“, erwiderte Äffchen. „Du hast nicht gesagt, dass ich mir einbilde, in einer Fantasiewelt zu leben, du hast gesagt, ich lebe in einer Fantasiewelt. Also entweder handelt es sich bei der Welt, in der ich lebe, tatsächlich um eine Fantasiewelt, oder ich lebe in einer realen Welt und bilde mir nicht ein, in einer anderen zu leben. Denn sonst müsste ich ja um den Unterschied zwischen der Fantasiewelt, in der ich mir einbilde zu leben, und der realen Welt wissen. Ich bin mir aber nicht darüber bewusst, mir einzubilden, in einer Fantasiewelt zu leben.“

Da kratzte sich der Große-Bruder-Affe verlegen am Kopf, denn er konnte den Einwand von Erfinder-Äffchen nicht widerlegen. Urlu, der Löwenkönig, aber, der von dieser Diskussion fast nichts verstanden hatte, sagte zu Äffchen: „Dann ist die Reise zum Südpol also dein fester Entschluss?“

„So ist es!“

„Wer soll mit dir reisen?“

„Meine Kameraden. Das sind mein Bruder, die beiden Kunos und der kleine Idan.“

„Gut“, sagte Urlu. „Dann lasst uns den Reisenden durch die Anführer unserer Völker nacheinander unseren Segen aussprechen.“

Als Erster begann Bär Porbulo seine Rede, da er der eigentliche Verantwortliche für die Reise gewesen war. „Ihr lieben Kameraden“, fing er an, „wenn ich euch eine Kraft auf eure Reise mitgeben kann, dann ist es die Bärenstärke. Die Kraft eines Bären liegt in seiner Ausdauer. Wenn der Bär unter den Tieren eine außergewöhnliche Fähigkeit hat, dann ist es seine Zähigkeit.“

Nun ergriff Urlu, der Löwenkönig, das Wort: „Meine lieben Genossen und Genossinnen! Nach Löwenlogik ist es klar, dass dem Gegner unbedingt zu trotzen ist. So heißt es, sei mutig und stark und fürchte den Feigling nicht. Erfahrungsgemäß sind Menschen meist Blender, die mit großen Kräften protzen, aber dahinter ist in der Regel nicht viel. Ihre Macht und Stärke ist nur vorgetäuscht. Setz einem Menschen deine Pranke auf die Brust und schon ist alle Beherztheit vergangen und der freche Knabe zittert wie Espenlaub unter deiner Tatze. Du brauchst ihn gar nicht zu verletzen, er ist es nicht wert. Drum geb’ ich euch den alten Löwenrat: Hat dich einer beleidigt, will dich einer zum Narren halten, so pinkle ihn an, zeig ihm damit, was du von ihm hältst! Sei Menschen gegenüber immer unerschrocken! Und gebe niemals die Hoffnung auf!“

Und Kiri-Rüssel, der Elefant, begann seine Rede: „Liebe Freunde, hört auf einen alten Elefanten! Über alles geht dem Elefanten sein Gedächtnis. Nur der Gedächtnisreiche weiß Freund und Feind zu trennen. Darum achtet auf alles, was euch begegnet. Prägt es euch gut ein! Wer jeden Augenblick nutzt, um aus dem Erlebten zu lernen, der wird nie ratlos sein. Er wird in allen Situationen das Richtige zu tun wissen! Er wird die Erfahrung machen, dass alles, was geschieht, nach einer gewissen Logik erfolgt. Bald wird er den Dingen auf den Grund gehen und ein Weiser werden. Denn die Weisheit liegt vor eurer Haustür, nicht in den Sternenwelten!“

Und Flexy, der Waschbär, sagte: „Ihr Lieben, vergesst nicht die List! Wer euch Böses will, den müsst ihr täuschen. Aber täuscht nie um des Vorteils willen und täuscht nie in böser Absicht, um euch einen Scherz zu machen! Ich habe es bitter bereut, als damals Silena, die außergewöhnliche Hirschkuh, die sogar ein Geweih trägt, wegen meiner Scherze in die Ganganjer-Schlucht gestürzt ist und ich bin unendlich froh, dass sie das Glück gehabt hat, durch den Planetenmittelpunkt zu fallen und jetzt auf der anderen Seite unserer Erde ein glückliches Dasein führen kann. Freunde, lernt aus meinem Verhalten! Ich habe aus meinen Fehlern gelernt, bin ein anderer geworden und werde niemals wieder böse Scherze treiben!“

Und schließlich sprach der Plédo-Affenvater: „Liebe Freunde, wenn ein alter Affenvater auch was sagen darf, dann sei es dies: Bedient euch eures Erfindungsreichtums! Denn dadurch ist ein Affe ein Affe, dass er sich seines Verstandes bedient. Ihr mögt durch meinen jüngsten Sohn eine Menge gelernt haben und ich zweifle nicht daran, dass er euch noch in manchen Lebenslagen nützen wird! Hört doch auf ihn! Die Gabe des Einfallsreichtums ist bei ihm ausgeprägter als bei allen Generationen zuvor! Er macht dem Affen wahrhaftig die Ehre, ein Affe zu sein! Und jedem Menschen sollte es eine Ehre sein, auf einen wie ihn zu hören!“

Kuno Schwarzschopf aber wandte sich an Kuno Weißhaar, flüsternd: „Ist das denn wahr, kommt dieser Erfinder-Affenkerl wirklich mit auf unsere Reise?“

„Aber klar doch“, sagte Kuno Weißhaar, „er gehört zu unserem Team.“

„Dann ohne mich!“, erwiderte Schwarzschopf und wandte sich zum Gehen.

„Aber Kuno Schwarzschopf, warte doch!“, rief Weißhaar. „Er ist der Einzige, der um das Geheimnis der sieben Kristalle weiß!“

„Sieben Kristalle, ach was! Wer weiß denn, ob es sie überhaupt gibt! Und sie sollen ja auf dem Mond liegen! Wie dort hinkommen, bitte? Das wird genauso eine Wahnidee sein wie der Rückwärtsgang, den er erfunden hat! Ich habe noch jetzt die Schnauze voll davon. Also bitte ohne mich!“ Und schon rannte er davon.

„Erfinder-Äffchen ist vielleicht unsere einzige Hoffnung“, rief ihm Kuno Weißhaar hinterher.

„Es ist ein Idiot!“, schrie Kuno Schwarzschopf. „Durch seine Schuld wären wir jetzt fast nicht mehr am Leben! Nein danke, von Erfinder-Äffchen will ich nichts mehr wissen!“ Sprach’s und ward nicht mehr gesehen.

„Sieh’s von der positiven Seite“, murmelte Kuno Weißhaar. „Ohne die Expedition in die Ganganjer-Schlucht müssten wir jetzt auf Silenas schöne Stimme verzichten.“ Aber er sagte das für sich selbst, denn Kuno Schwarzschopf war schon außer Reichweite, um ihn zu hören.

„Auch ich will nicht mitkommen“, sagte der große-Bruder-Affe. „Was ich in der Ganganjer-Schlucht erlebt habe, reicht mir jetzt schon für alle Zeiten. Ich denke nicht, dass ich mich jemals wieder auf meinen kleinen Bruder verlassen kann!“

„Was soll das heißen?“, beschwor der Vater-Affe seinen ältesten Sohn. „Willst du den kleinen Bruder verleugnen? Ist es der Neid, der dich treibt? Er ist nun einmal von uns allen der klügste Kopf! Willst du das bestreiten?“

„Ja, das will ich bestreiten! Er hat nur Unsinn im Kopf! Denk dir nur, er hat versucht, eine Perpetuum-mobile-Maschine zu erfinden, eine Maschine, die einen Zerstörungsvorgang rückgängig macht! Er glaubte sogar, die Zeit rückwärts laufen lassen zu können! Wenn das kein Unsinn ist! Nein, mit einem solchen Unsinnmacher werde ich nicht reisen!“

„Großer-Bruder-Affe, du weißt deinen kleinen Bruder nicht zu schätzen“, sagte der Vater und schüttelte traurig den Kopf.

„Dann bleiben also nur drei, die ihr Leben für Sabut aufs Spiel zu setzen wagen. Ich kann nur sagen: Viel Glück!“

„Viel Glück“, sagte Flexy. „Und nehmt euch vor den Schlangenmenschen und den Kyruppen in Acht. Ihr Gebiet liegt auf dem Weg nach Norden. Die Schlangenmenschen sind listig und böse, grausam und unbarmherzig. Ihr König wohnt zusammen mit vielen Getreuen auf einer großen Schlangenburg nördlich der Ganganjer-Schlucht. Weitere, kleinere Burgen gibt es in der Umgebung, alle von Schlangenmenschen bewohnt. Den Fremden sind sie nicht freundlich gesinnt. Noch gefährlicher sind die Kyruppen.“

So kam es, dass sich am Ende nur drei Personen auf den Weg nach Norden machten: Der kleine Idan, Erfinder-Äffchen und Kuno Weißhaar. Kuno Weißhaar gelang es, zwei kleine Esel zu beschaffen, auf die sie das nötigste Gepäck luden. Außerdem hatte Idan seine Blockflöte mitgenommen, auf der er wunderbare Lieder spielen konnte. Die hatte ihm alle der große Idan beigebracht. Erfinder-Äffchen hatte einige alte Weltkarten und Karten von Rüsselschwein mitgenommen, aber sie waren nicht besonders exakt und nach den Angaben der Kunos gezeichnet. Bereits am folgenden Tage verließen sie den Komponischen Märchenwald. Sie umgingen die Ganganjer-Schlucht, bahnten sich einen Weg durch die Wälder und drangen in Gebiete vor, wo zuvor noch nie normale Menschen waren. Und Idan war der einzige normale Mensch.

Die Bewohner von Plédos

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