Читать книгу HOTEL MEGALODON - Rick Chesler - Страница 10
Kapitel 5
ОглавлениеJames White fuhr allein mit dem Zug aus dem Hotel hinauf; verärgert starrte er eine Meeresschildkröte an, die direkt über seinem Kopf hinwegschwamm. Hoffentlich ist das wirklich wichtig, dachte er, als er aus dem Tunnel trat und zum Strand ging. Die Gäste unten fühlten sich bislang aber zum Glück wohl, also war es wohl durchaus vertretbar, sie ein paar Minuten alleinzulassen und mit dem nächsten Schwung von Neuankömmlingen zurückzufahren.
Wann immer niemand hinsah, nahm er die Gartenpfade beinahe im Sturmlauf, bis er ein feststehendes Gebäude – keine bure – am Rand des Komplexes erreichte. Auf einem Schild davor stand: Betreten verboten. Nur für Ingenieurpersonal. White eilte auf die Tür zu und schloss sie mit einem von den vielen Schlüsseln an seinem Anhänger hastig auf, dann betrat er den einstöckigen Bau und durchquerte einen langen Flur zu einem Raum, von dem er wusste, dass ihn die Meerestechniker, die hier arbeiteten, Krisenzimmer nannten. Er war zwar nicht erfreut darüber, dass man am Tag der Hoteleröffnung einen Krisenzustand ausrief, doch er hoffte, dass es sich dabei nur um einen Fall von übertriebener Gründlichkeit seitens dieser Fachidioten handelte. Die ihn womöglich nur über ein technisches Problem informieren wollten, das gefährlich werden konnte, falls es zu einer unwahrscheinlichen Verkettung mehrerer unglücklicher Umstände zur gleichen Zeit kommen würde.
Als er jedoch durch das vollkommen verlassen wirkende Gebäude ging – alle Räume und der Bereich mit den offenen Arbeitswaben waren leer – wurde ihm bewusst, dass es ernst sein musste. Selbst im Pausenzimmer saß niemand … für gewöhnlich spielten dort immer mindestens zwei Mann Xbox. Folglich konnten sie alle nur im Krisenzimmer sein, was wirklich Schlimmes befürchten ließ. White bog in einen weiteren Flur ab und schaute durch die offene Tür hinein, wo tatsächlich sein gesamter Technikstab um einen Besprechungstisch herumsaß, diskutierte und immer wieder angespannt auf mehrere Laptopmonitore zeigte.
Acht Männer und zwei Frauen befanden sich momentan im Raum. James konnte sich an fast keinen ihrer Namen erinnern, doch das war ihm eigentlich egal, da er nur einen einzigen Mitarbeiter zu kennen brauchte, und das war Albert Johnson, sein Chefingenieur. Dieser leitete den ganzen Zirkus. James rauschte ins Zimmer und stellte sich an das Kopfende des Tischs, wobei er einen freien Stuhl ignorierte, den ihm eine schüchterne japanische Elektrikerin zugeschoben hatte.
»Was ist los, Al?«
Im Zimmer wurde es daraufhin ruhig, während alle Augen auf den Meerestechniker gerichtet waren. »Die Klimaanlage des Hotels hat vor etwa zwei Stunden den kompletten Betrieb eingestellt.«
»Vor zwei Stunden schon? Sie hätten mir also Bescheid geben können, bevor ich die Gäste nach unten gebracht habe?«
Al zuckte mit den Achseln. »Zu diesem Zeitpunkt habe ich noch gedacht, dass es ein harmloses Problem ist, das wir schnell beheben können. Ich wollte zuerst ein paar genauere Untersuchungen vornehmen, bevor ich die Pferde scheu mache.«
»Was war das für ein Geheule, das ich im Hintergrund gehört habe, als Sie mich angerufen haben?«
»Das war der Wärmealarm, weil die Temperatur den oberen Grenzwert überschritten hat. Anscheinend hat das Kühlwasseransaugrohr des SWAC-Systems ein Leck oder wurde durch irgendetwas verstopft.«
Um Geld bei der Klimatisierung zu sparen, die in den Tropen leider ein notwendiges Übel darstellte, und einen hohen Prozentsatz der Gesamtbetriebskosten ausmachte, hatte man beschlossen, ein leicht experimentelles System einzusetzen, das deutlich günstiger für angenehme Temperaturen im Hotel sorgte als traditionelle Klimaanlagen. Diese Methode beruhte auf kaltem Meerwasser, das tief aus dem Ozean in ein Rohr gepumpt und der Anlage auf dem Riff zugeführt wurde, wo es dann überall verteilt werden konnte. Elektrischen Strom brauchte man nur für den Ansaugvorgang. Nachdem es durch mehrere Wärmeaustauscher zum Kühlen benutzt worden war, wurde das gebrauchte, lauwarme Wasser durch ein Abflussrohr wieder zurück ins Meer geleitet.
Beide Rohre verliefen mit einem deutlichen Abstand zum Riff, auf dem das Hotel stand, sowohl um die Infrastruktur zu verbergen, als auch zur Wahrung des natürlichen Ausblicks und des empfindlichen Ökosystems der Formation, das von Wasserbewegungen und den Leitungen geschuldeten Temperaturänderungen beeinträchtigt werden konnte. Der Abfluss selbst befand sich am äußeren Hang des Riffs in einer Tiefe von annähernd sechzig Fuß. Aufgrund dessen ließ es sich mühelos warten, deshalb konnte Al James bereits berichten, dass sein Team ausschließen konnte, dass das Problem an dieser Komponente liege.
»Sie sind sich also nicht sicher, was mit dem Ansaugrohr los ist … wollen Sie das damit sagen?« White schaute erneut auf seine Rolex, eine nicht gerade subtile Andeutung.
»Wie ich Ihnen bereits erklärt habe: Entweder ist es ein Leck – ein Riss an irgendeiner Stelle, durch den das Meerwasser austritt – oder die gesamte Struktur der Leitung hat aus welchem Grund auch immer Schaden genommen.«
»Wie könnte das passiert sein?«
»Ich weiß es nicht, James. Durch einen Felssturz? Ein Tsunami unter Wasser, der niemals die Oberfläche durchbrochen hat? Anstatt zu spekulieren, da es Ihnen ja scheinbar nicht schnell genug gehen kann – sollten wir hinuntertauchen und selbst nachschauen.«
Nun blickte White abrupt auf. So wie es aussah, wollte sich Al vor seiner Truppe von Super-Nerds nicht auf den Zahn fühlen lassen, noch nicht einmal von seinem Vorgesetzten. »Wie tief verläuft das Ansaugrohr denn? Ich glaube, Sie haben es mithilfe eines Industrie-U-Boots verlegt, das wir von einer Ölgesellschaft gemietet hatten, oder?«
Al nickte. »Ja, das stimmt. Es sind aber nur zweihundertfünfzig Fuß, also können wir es ohne Weiteres mit unserem eigenen Mini-U-Boot erreichen.«
»Dieses ist bis zu einer Tiefe von tausend Fuß zugelassen«, fügte einer von Als Ingenieuren hinzu, ein schlaksiger Amerikaner mit einer Glatze, der ununterbrochen seinen Stift im Kreis drehte.
Der Chef fuhr ebenfalls fort: »Ich weiß, dass das U-Boot nicht mit den nötigen Werkzeugen für aufwendigere Reparaturen ausgestattet ist, doch wir könnten trotzdem hinunterfahren und einen Blick auf die Leitung werfen, um herauszufinden, wo genau der Fehler liegt. Wenn wir Glück haben, hat vielleicht nur irgendeine herumtreibende Masse das Ansaugrohr blockiert, die wir problemlos mit dem Greifer des Mini-U-Boots entfernen können.« Als er zu Ende gesprochen hatte, verschränkte er die Arme vor der Brust und schaute White fragend an.
Der Bauherr spürte, wie sich sein Magen verkrampfte, als er sich an die gestrige Unterhaltung mit Coco und Mick am Landedock erinnerte. Wie viel Zeit hatte der Techniker da für die Reparatur des Propellers veranschlagt? Mindestens einen Tag, oder? White schaute erneut auf seine Uhr. Es war noch nicht einmal vierundzwanzig Stunden her. Wenn einmal der Wurm drin ist, dann aber richtig …
»James? Dafür, dass die Zeit für Sie so sehr drängt, brauchen Sie aber sehr lange zum Antworten.«
»Unser kleines U-Boot ist eigentlich ausschließlich für Besichtigungstouren vorgesehen und nicht für Arbeiten mit schwerem Gerät. Besteht irgendeine Möglichkeit, innerhalb der nächsten Stunden ein Industriemodell zu beschaffen?«
Al warf einen fragenden Blick auf einen Inder mit Brille, der daraufhin etwas in seinem Laptop tippte, kurze Zeit später aber den Kopf schüttelte. »In frühestens drei Tagen«, erklärte er.
Al schaute erneut zu White und zog dann seine Augenbrauen hoch. »Wir müssen es uns ansehen, James. Unten wird es langsam warm.«
Der Boss grummelte leise vor sich hin. Die Vorstellung, dass all diese VIPs Tausende von Dollar pro Nacht gezahlt hatten, um sich nun zu Tode zu schwitzen, war in der Tat höchst unersprießlich.
»Ich werde Coco Bescheid sagen, dass sie das U-Boot bereitmachen soll.« Er brachte es nicht übers Herz, dem Team mitzuteilen, dass ihr einziges U-Boot gerade nicht einsatzfähig war. Er drehte sich um und wollte den Raum verlassen, richtete sich dann aber doch noch einmal an Al. »Haben wir ein Notfallkühlsystem … irgendwelche herkömmlichen Aggregate? Irgendetwas, um die Temperatur da unten in der Zwischenzeit niedrig zu halten?«
Der Ingenieur schüttelte den Kopf, bevor er sich sicherheitshalber unter den anderen Sitzenden umschaute, die jedoch ebenfalls verneinten. »Wir können ja wohl kaum die Fenster zum Durchlüften öffnen.« Dies brachte die Spezialisten am Tisch zum Kichern, was White rasend machte, also fuhr Al schnell fort: »Wenn wir den Hubschrauber nehmen, lassen sich bestimmt ein paar tragbare Klimaanlagen in Suva auftreiben, aber selbst das, würde mehrere Stunden dauern, nicht zu vergessen die Zeit zum Aufbauen der Geräte.«
White starrte ihn finster an.
»Machen Sie es trotzdem, einfach sicherheitshalber, um einen Ersatz zu haben. George, Rene, Alex: Ihr drei beschafft die Geräte und fliegt dorthin.« Anschließend wandte er sich wieder an James:
»Hoffen wir einfach, dass wir sie gar nicht brauchen werden, wenn wir mit dem U-Boot hinuntergefahren sind.«