Читать книгу HOTEL MEGALODON - Rick Chesler - Страница 9
Kapitel 4
ОглавлениеAm darauffolgenden Morgen
James White strahlte, als er mit ausgestreckten Armen auf der Veranda einer großen Hütte im bure-Stil stand, und ein Inseltaxi mit den ersten Hotelgästen vorfuhr. Zwei Personen saßen im Wagen, reisemüde nach einem langen Flug vom US-amerikanischen Festland auf die Fidschi-Hauptinsel Viti Levu beziehungsweise den internationalen Flughafen Nandi. Von dort aus hatten sie eine kleine Chartermaschine, einen sogenannten Puddle Jumper bestiegen, um zu Whites abgelegener Privatinsel und dem Urlaubsparadies gelangen zu können. Von diesem Flugplatz aus war es nur noch eine kurze Fahrt mit dem Taxi gewesen.
Während nun zwei einheimische Träger vortraten, um sich des Gepäcks anzunehmen, öffnete der Fahrer eine Hintertür, und ein großgewachsener Amerikaner stieg aus, den James vom Cover einer aktuellen Ausgabe von Sports Illustrated kannte. Es war John Rudd, der Quarterback-Star der New England Patriots. Die ansehnlichen Beine hingegen, die gerade auf der anderen Seite aus dem Auto geschwungen wurden, gehörten keiner Geringerem als seiner von der Klatschpresse gebeutelten Freundin Staci Lincoln, einem Model für Abenteuersportkleidung. Sie trug eine Patriots-Schirmmütze auf dem modisch kurz geschnittenen blonden Haar und eine zu große Markensonnenbrille. James ging hinunter und begrüßte die beiden überschwänglich.
»Mr. Rudd, Ms. Lincoln: Willkommen im Triton Undersea Resort! Sie sind die allerersten Gäste vor Ort. Bitte lassen Sie sich von mir in unsere Empfangs-bure führen, um eine kleine Erfrischung zu sich zu nehmen, bevor wir Sie hinunter zu Ihrer Suite bringen.«
Der Footballspieler und seine Freundin gingen hinauf und betraten die offene, strohgedeckte Hütte, in der das Personal bereits mit Getränken in aufgeschnittenen Kokosnüssen auf sie wartete und eine kleine Kapelle Inselmusik spielte.
Kaum, dass das Paar im Gebäude verschwunden war, fuhr noch ein Taxi vor und setzte sechs weitere Gäste ab. Der saudische Staatsführer Abdullah bin Antoun stieg zuerst aus, seine Frau hinterher. Beide trugen traditionelle arabische Gewänder und Kopfbedeckungen. Sie lächelten und fassten ihre neue Umgebung neugierig ins Auge, während ihre Nanny drei kleine Kinder von der Rückbank hob. Erneut war James zugegen, um ihnen persönlich die Hand zu reichen.
So ging es ungefähr eine Stunde lang weiter … Wagen kamen und ließen reiche Gäste zurück … einen Franchisegeber der NBA, den milliardenschweren Besitzer eines Internetkonzerns, einen US-Senator, ein Supermodel … und nachdem man ihnen genügend Zeit gegeben hatte, um sich bei einem stärkenden Umtrunk in der Empfangs-bure einzufinden und an die neue Umgebung zu gewöhnen, stellte sich White an den Eingang des Gebäudes und klatschte in die Hände. Er vergaß zu keiner Sekunde, dass Reporter aus aller Welt auf dem Gelände herumliefen, Kameras laufenließen oder ausgiebig fotografierten und sich Notizen machten.
Sie waren ermahnt worden, die Gäste nicht zu belästigen, weil ausgesuchtes Personal und nicht zuletzt auch White selbst fortwährend zur Verfügung standen, um Fragen zu beantworten. Die Journaille war eine echte Plage, daran bestand kein Zweifel. Es schien so, als müsse man sich zu allen Zeiten selbst im eigenen Haus mustergültig benehmen, aber er wusste, dass ihm als Belohnung dafür, sich diese Unannehmlichkeit aufzubürden, kostenlose Werbung winkte. Davon einmal abgesehen stand fest, dass sich die gesamte Belegschaft so oder so mustergültig benehmen musste. Dies war schließlich das Einweihungswochenende. Das Ganze würde entweder durch die Decke gehen oder den Bach hinunter. Eine weitere Gelegenheit würde sich nicht mehr auftun. Eigentlich, dachte er, während er beobachtete, wie sich ein Rockmusiker zwei bittere Fidschi-Biere von einem vorbeigehenden Kellner geben ließ und eines seiner japanischen Gespielin überreichte, war es ein Wunder, dass er es überhaupt so weit gebracht hatte.
Bisher schienen sich zumindest alle gepflegt zu amüsieren. Das Wetter spielte auch mit. Die strahlende südpazifische Sonne flutete die offene bure, und es wurden keine kräftigen Regenfälle, sondern nur schwacher Passatwind vorhergesagt. Es hätte gar nicht besser laufen können. Alles Weitere hing nun von White und seinen Angestellten ab. Er schaute wieder auf seine Rolex Submariner, die er als Dankesgeschenk von einem Uhrmacher erhalten hatte, weil er diese Uhr zum offiziellen Zeitmesser des ersten Unterwasser-Luxushotels der Welt gekürt hatte. Im Laufe des Tages sollten noch mehr Gäste eintreffen, doch das würde noch mindestens zwei Stunden dauern. Mittlerweile hatte man das Gepäck in die Wohnungen unter Wasser transportiert, und nun war es an der Zeit, auch dessen Besitzer folgen zu lassen. White trat in die Mitte des Raumes und wandte sich an seine Kundschaft.
»Meine Damen und Herren, so vielfältig unsere übertägigen Aufenthaltsangebote hier im Triton auch sind, ist mir natürlich bewusst, dass Sie es bestimmt kaum erwarten können, Ihre Suiten zu sehen. Darum keine weitere Umschweife mehr: Wenn Sie mir nun bitte folgen würden … Ich geleite Sie jetzt hinunter ins Hotel. Nehmen Sie Ihre Speisen und Getränke ruhig mit.«
Aufgeregtes Geschnatter in verschiedenen Sprachen kam daraufhin auf, als die Gäste die Hütte hinter White verließen und den Gartenpfad nahmen, der zur Lagune führte. Der Geschäftsführer ging ein Stück voraus und sprach dabei leise in ein Handfunkgerät. Er versetzte das Hotelpersonal in Bereitschaft und kündigte die ersten Gäste an.
Nachdem er die Gruppe an einem knorrigen Holzschild mit der Aufschrift Tunneleingang vorbeigeführt hatte, erreichten sie den Strand der Lagune, wo sich ihnen ein wahres Wunder der Meerestechnik offenbarte. Was auf den ersten Blick wie eine Art Landeplatz aussah, war in Wirklichkeit die Einfahrt in einen Tunnel, der unter Wasser führte. Nachdem sich die Gäste vor der Öffnung am Strand versammelt hatten, ertönte eine Stimme aus einem verborgenen Lautsprecher:
ACHTUNG … ZUG TRIFFT EIN IN DREI … ZWEI … EINS …
Daraufhin folgte ein Klingelton, und vollkommen geräuschlos glitt ein Vehikel heran, das einer Straßenbahn ähnelte und in der Einfahrt stehen blieb.
»Sagenhaft leise!«, sagte eine Reporterin erstaunt, der man erlaubt hatte, mit ins Hotel zu kommen.
White nickte. »Gummiräder auf Plexiglas. Außerdem ist es ein Seilbahnsystem, dessen Motor in einem separaten Gebäude steht – dort drüben.« Er zeigte auf einen kleinen Verschlag ein Stück weit hinter der Gruppe, wo in einem schalldichten Gehäuse eine Maschine brummte. »Der Motor befindet sich also dort und nicht im Zug selbst, also entsteht kein Lärm, wenn er durch den Tunnel fährt. Nichts wird das Unterwassererlebnis stören. Hier entlang, bitte!«
White wies die Gäste nun mit ausgestrecktem Arm in den Tunneleingang, wo die Bahn auf sie wartete. »Wie Sie sehen können«, fuhr er fort, »handelt es sich hierbei um ein offenes Fahrzeug, das in einem verschlossenen Plexiglasrohr dahinrollt. So können Sie sich auf dem Weg ins Hotel die Unterwasserlandschaft ganz in Ruhe ansehen.«
Ein wohlwollendes Raunen ging durch die Gästeschar, als sie den Zug besetzte. Darin spielte leise Musik, zu der eine Frauenstimme sie im Triton Undersea Resort willkommen hieß, dem ersten und einzigen Unterwasser-Luxushotel. Die ferngesteuerte Bahn setzte sich jetzt in Bewegung, kurz nachdem die Passagiere Platz genommen hatten. White, der neben der Frau von der Presse saß, einer jungen Afroamerikanerin im Dienst der New York Times, zeigte auf eine Kamera, die vorn im Abteil angebracht war.
»So können die Betreiber sehen, was hier geschieht, und warten, bis sich alle niedergelassen haben.« Die Reporterin nickte und vermerkte etwas auf ihrem Schreibblock.
Der Zug, der vorn und hinten absolut gleich aussah, begann nun, in die entgegengesetzte Richtung zu rollen, aus der er gekommen war. Der Tunnel, durch den er gezogen wurde, fiel schräg in Richtung Hotel ab. Sobald er in die Tiefe drang, wurde es ein wenig dunkler. Die Gäste zeigten voller Begeisterung auf kleine Fische, die draußen am Rohr vorbeizogen, und die Tauchfahrt in den Ozean wurde für sie viel realer, nachdem sie diese gesehen hatten.
Die Bahn bewegte sich überraschend schnell durch die kühle, aufbereitete Luft, und nach ungefähr zwanzig Minuten fingen die ersten Gäste lebhaft zu plaudern an, während das Hotel langsam in Sicht kam. Es sah aus wie zwei übergroße Zylinder am Boden des Riffs und schien bis knapp unter die Oberfläche der Lagune zu reichen, wobei sich eine lange Reihe nierenförmiger Zellen zu beiden Seiten einer Röhre schmiegten, die sich zwischen den Zylindern erstreckte. Das Wasser war klar genug, um den gesamten Komplex aus dieser Entfernung genau erkennen zu können. Dichte, bunte Fischschulen schwirrten um die Bauten herum; ein Tintenfisch schnellte zwischen Korallenköpfen hervor und die Fühler eines Krebses zuckten in der Strömung am Rand seiner Höhle.
Selbst Laien schienen zu wissen, dass es nicht normal war, auf dem Meeresboden ein Hotel zu bauen. Sie waren immer stiller geworden, als sie sich ihrem Zuhause für die nächsten Tage näherten und ihnen bewusst wurde, dass sie sich nun unter Wasser aufhielten. Dies war keine Attraktion in einem Vergnügungspark, sondern das einzig Wahre: Mutter Natur, angepasst zur Erhaltung der Leben von Menschen an einem Ort, wo sie eigentlich nichts zu suchen hatten – und das noch dazu mit Stil, denn man konnte Kronleuchter und Perserteppiche in dem überwiegend transparenten Komplex erkennen.
Die Tunnelbahn verschwand nun linksseitig in einem der Zylinder, woraufhin sich LEDs einschalteten, die warmes Licht ausstrahlten, und Plasma-Bildschirme einen herzlichen Empfang im Triton versprachen. Verblüffenderweise fuhr der Zug durch eine Wand ins Innere des Hotels, ohne dass sie eine Luftschleuse passierten. James White hatte sich deshalb jahrelang mit Ingenieuren gestritten, denn es sollte keinen Feuchtraum oder ähnliche Einrichtungen handelsüblicher Art geben, der die Gäste zum Warten in einer nassen, engen Umgebung nötigte, bis ein entsprechender Druck erreicht war und die Tür geöffnet werden konnte. Nichts dergleichen hatte es sein dürfen, nur Zugfahrten hinein und wieder heraus, wann immer man wollte. Der Tunnel führte an einem Stück vom Strand hinunter direkt ins Hotel, und zwar glatt durch dessen äußere Wand.
Die Bahn bremste nun zwischen zwei Reihen von Palmen, auf die hinreichend natürliches Licht von oben fiel, da das Dach des Gebäudes ebenfalls aus durchsichtigem Plexiglas bestand. Die aufgenommene Stimme ließ die Passagiere nun wissen: »Sie sind jetzt im Triton Undersea Resort angekommen, Ihrer neuen Bleibe am Meeresgrund. Wir hoffen, Sie werden Ihren Aufenthalt genießen! Der Ausstieg befindet sich in Fahrtrichtung rechts.«
White selbst fügte daraufhin noch hinzu: »Seien Sie alle recht herzlich gegrüßt! Häppchen und Champagner werden nun in der Lobby für Sie serviert werden. Mir nach, bitte.« Er verließ das Abteil und ging mit den Gästen in die Richtung, aus der Klavier-Livemusik erklang. Der Weg war zwar kurz, doch ihn zurückzulegen dauerte dennoch eine Weile, da die große Gruppe ständig stehen blieb, um sich durch die Fenster am fantastischen Ausblick auf das Riff zu ergötzen.
»Das ist ja wie Tauchen, ohne nass zu werden!«, rief jemand begeistert.
»Wie ein Habitrail-Käfig, bloß für Menschen«, meinte ein kleiner Junge. »So muss sich mein Hamster fühlen, wenn er nach draußen guckt. Schau mal, Haie!« Er legte eine Hand an die Scheibe, als ein kleiner Riffhai nur wenige Fuß entfernt vorbeischwamm.
Nach und nach fanden sich die Gäste schließlich in der Lobby ein, wo ein Fidschianer an einem Miniaturflügel saß, während sowohl einheimische als auch indische Kellner mit Tabletts herumgingen, um Essen und Trinken anzubieten. Zur Auswahl standen nur Dinge, für die vermeintliche Feinschmecker so schwärmten: Beluga-Kaviar, Sternfrüchte und Ahi-Sushi. Großzügig ausgeschenkter Moet-White-Star-Champagner, Gläschen mit Wodka auf Eis und natürliches Mineralwasser aus einer lokalen Quelle. Die Nahrungsmittel verblassten jedoch gegenüber der Aussicht, denn die Lobby besaß die größte durchgehende Fensterfläche des ganzen Hotels. Mit seiner Höhe von drei Stockwerken vom Boden bis unter das Dach suchte das Bild des Riffs, das sich ihnen hier bot, auf der ganzen Welt nach seinesgleichen. Es hatte weniger den Anschein, dass man die Korallen betrachtete, sondern eher, als wäre man ein Teil davon.
Seesterne hafteten am unteren Teil der Scheibe. Diese wurden eigentlich regelmäßig von Tauchteams abgekratzt, deren alleinige Aufgabe darin bestand, die Fenster zu reinigen, sollten irgendwelche Meeresgewächse anfangen, die fantastische Sicht zu behindern. Vorerst jedoch war der Aussichtsbereich so sauber, wie er nur sein konnte, und die Gäste wurden nicht müde, gebannt in die eine oder andere Richtung zu zeigen. White wies jetzt nach oben auf einen Schwarm Manta-Rochen, die gerade über das transparente Dach zu fliegen schienen. Dann drehte er sich nach seinen Kunden um … sie hatten angefangen, sich untereinander zu unterhalten und sprachen dem Essen zu. Die Kulisse zeigte also offenbar die erwünschte Wirkung. Diese Erfahrung würde sich als unvergleichlich herausstellen, selbst für Leute, die angeblich schon alles gesehen und getan hatten.
Gerade als er der Reporterin erklären wollte, wo sich die Küche befand, blinkte sein Funkgerät auf. Er trug die ganze Zeit einen Knopf im Ohr, damit die Gäste nicht gestört wurden, und hielt sich jetzt das Mikrofon dicht an den Mund, damit er leise sprechen konnte, aber am anderen Ende dennoch verstanden wurde.
»James hier. Ich bin gerade beschäftigt. Was ist los?«
»Wir haben ein Problem mit dem Wasserkühlsystem für die Klimaanlage und wollten Sie schnellstmöglich darüber in Kenntnis setzen, over.«
White konnte seine verärgerte Miene nicht verstecken, obwohl er angestrengt auf den Boden aus italienischem Marmor starrte. Als er wieder hochschaute, bemerkte er, dass ihn die Freundin des Footballspielers beobachtete, deshalb setzte er rasch wieder ein Lächeln auf. Alles in Butter! Bloß nicht mit der SWAC, so wie es aussieht. Das Hotel verfügte über eine besondere Art von Klimaanlage, die ausschließlich mit Meerwasser betrieben wurde, wobei SWAC für Sea Water Air Conditioning stand.
»Hier unten ist alles in Ordnung und kühl, Al. Ich weiß ja nicht, wo das Problem genau liegt, aber werden Sie damit fertig?« Er grinste bemüht, während er sich in der vollen Lobby umschaute. Die Antwort kam zusammen mit irgendeinem Alarm, der heulend im Hintergrund losgegangen war.
»Lange wird dort nicht mehr alles in Ordnung und kühl sein, James, das garantiere ich Ihnen. Wir brauchen Sie hier oben dringend für weitere Anweisungen.«