Читать книгу HOTEL MEGALODON - Rick Chesler - Страница 8
Kapitel 3
ОглавлениеJames White biss sich auf die Zähne, während er über den von Palmen flankierten Fußweg ging, der sich am weißen Sandstrand entlangschlängelte. Die verglasten Zellen des Unterwasserhotels schimmerten durch die Oberfläche der ruhigen Lagune. Die friedliche Szene trug jedoch nur wenig zur Beruhigung seiner Nerven bei, als er hinausschaute auf das, was er geschaffen hatte … das luxuriöseste Meereshotel der gesamten Welt. Es handelte sich dabei nicht um einen bloßen Tank oder ein Biotop am Ozeangrund, den man nur erreichte und verlassen konnte, wenn man sich in einer dieser Astronautenmonturen aufs Tiefseetauchen einließ, sondern um ein Gastgewerbe im vollen Umfang mit mehreren Suiten und Gemeinschaftsräumen, angefangen beim Empfang über eine Sporthalle bis hin zu einem Restaurant und es besaß sogar einen Nachtklub. Das alles war über einen unterirdischen Bahntunnel zugänglich, ohne dass die Kundschaft auch nur einen Tropfen Wasser an ihren Körpern spüren musste.
Weit über ein Jahrzehnt lang hatten ihm Lästerer vorgeworfen, nichts weiter als ein unverbesserlicher Träumer zu sein, der fremde Subventionsgelder verschleudere, um seine persönlichen Luftschlösser zu bauen. Morgen früh jedoch, also in wenigen Stunden, würden die ersten Gäste eintreffen! Die scheinbar endlosen Jahre der Planung und Beseitigung bürokratischer Hürden, um das Projekt umsetzen zu können, würden dann endlich Früchte tragen – die unaufhörlichen Anpreisungen gegenüber vermögenden Investoren, die allesamt bezweifelt hatten, dass White ein so ausgefallenes architektonisches Werk vollbringen könnte. Zu guter Letzt war es ihm sogar gelungen, sie zur Bezuschussung horrender Summen breitzuschlagen, die er ohne sie nie und nimmer hätte aufbringen können.
Alles lief auf dieses groß angelegte Eröffnungswochenende hinaus. Falls die renommierten Namen auf der Gästeliste voll des Lobes über ihre neue Erfahrung von hier aufbrachen, würde White bald schwarze Zahlen schreiben und seine engelsgleichen Gönner rückvergüten können. Dann wäre auch endlich sein Ruf als einer der führenden Bauunternehmer der Welt in Stein gemeißelt.
Darum musste unbedingt alles laufen wie geschmiert. Das Terrain der Insel befand sich in einem makellosen Zustand, die Verkehrsanbindung zum Flughafen stand, und der Pier war bereit für diejenigen, die in Großjachten anreisten, genauso wie das Hotel selbst. Alle Betriebsmittel waren vollständig aufgestockt worden, das Personal hockte ebenfalls schon in den Startlöchern. Das U-Boot schied zwar vorübergehend aus, war letzten Endes aber lediglich ein Zubrot und nichts, worauf sich die meisten Gäste unmittelbar nach ihrer Ankunft gestürzt hätten. Vielmehr würden sie die schiere Pracht und die Einzigartigkeit des Ganzen auf sich wirken lassen. Dennoch nagte etwas an seiner Laune.
Während er darüber nachdachte, schlenderte er weiter, denn seit jeher kamen ihm die besten Einfälle immer beim Gehen. Am Ende des Strandes führte der mäandernde Weg in eine opulente Gartenanlage, die wie ein wild wachsender Regenwald aussehen sollte, aber selbstverständlich gezielt angelegt worden war. Er passierte Brotfruchtbäume, Farne und einen bunten Reigen anderer blühender Pflanzen, aber Cocos Worte ließen ihn einfach nicht los: »Ich habe etwas Großes gesehen, das sich bewegt hat.«
Er hatte sie eine Lügnerin genannt, doch was, falls es stimmte? Ein handgefertigtes Holzschild verwies geradeaus auf die Delfin-Lagune des Resorts, wohingegen das Hauptgebäude rechts lag. White bog allerdings nicht ab. Delfine … Welches Problem gab es dort noch mal? Ach ja, fiel ihm ein, als er eine Paradiesvogelblume aus seinem Gesicht schob. Einer wird vermisst. Er hatte angeordnet, die Schleusen und die Umzäunung der Lagune zu überprüfen. Am besten schaute er jetzt gleich dort vorbei und hakte noch einmal nach. Schwimmen mit Delfinen zählte noch vor den U-Boot-Touren zu den bevorzugten Aktivitäten von Urlaubern. White ging weiter, bis er zu einer ruhigen, natürlichen Lagune kam, die vor einem felsigen Abschnitt der Küste lag.
Dort kniete auf einem Schwimmdock eine schlanke Trainerin im einteiligen Schwimmanzug mit einer Pfeife um den Hals. Vor ihr streckten gerade vier Delfine der Reihe nach, ihre Köpfe aus dem Wasser wie Soldaten beim Appell. Die Frau stand auf, als sie White näherkommen sah. Sobald sie den Tieren ein Handzeichen gab, schwammen diese auseinander und flitzten hinaus in die Lagune, um dort unbeschwert miteinander spielen zu können. Er ging hinaus auf das Dock, gerade als sie sich eine lange Strähne ihres blonden Haars aus dem Gesicht strich.
»Einen angenehmen Nachmittag, Clarissa. Morgen ist unser großer Tag! Wie läuft es denn?«
Er erkannte nun, dass ihr Lächeln nur aufgesetzt war. »Der Ablauf der Show ist klar, die Delfine, die wir haben, sind gut abgerichtet, aber genau das ist der Punkt …«
»Der eine fehlt immer noch?«
»Ja, Calusa, doch jetzt sind noch zwei weitere verschwunden, CJ und Max!«
White blickte zu dem Zaun hinüber, der die Lagune umgab und andere Meeresbewohner fernhalten sollte. Er wusste, dass sich die Delfine nicht wirklich davon aufhalten lassen würden, denn sie konnten ihn einfach überspringen, wenn sie es wirklich darauf anlegten, doch hier war ihre Familie, und sie wurden gefüttert, also blieben sie. Bei Unwettern wie einem Wirbelsturm würde man die Delfine sogar freizulassen, damit sie nicht hier festsaßen, wenn die Flutwellen hereinbrachen. Entspannte sich die Lage danach wieder, würden sie zurückkehren, denn das hatten sie bisher immer getan.
»Wie lange sind sie denn schon weg?«
»Calusa mittlerweile drei Tage, CJ und Max seit gestern.«
»Können Sie sich das irgendwie erklären? Was ist geschehen?«
Clarissa schüttelte den Kopf, wobei ihr zartes Gesicht einen betretenen Ausdruck annahm. Sie stand in der Verantwortung, die Delfine zu kennen. Es waren ihre Schützlinge, ja sogar ihre Freunde. Deshalb fühlte sie sich momentan schrecklich. »Bisher weiß ich noch nichts, aber meine Mitarbeiter forschen nach. Tommy und Matt sind gerade mit dem Schlauchboot draußen und suchen nach ihnen.«
»Aber was ist die Ursache, Clarissa? Dass sie andauernd entwischen, darf nicht sein. Sie wissen, wie diese Tierrechtsorganisationen sind. Sie werden behaupten, den Delfinen gefalle es hier nicht, und sie sollen in Freiheit leben …« Er wies mit einem Arm auf den offenen Ozean.
»Ich habe keine Ahnung, ich …« Ihre Worte verloren sich, während sie hinaus auf das Meer starrte.
»Was ist?«
»Es ist mir wirklich schleierhaft, warum sie weggeschwommen sind, aber ich habe bemerkt, dass alle Delfine, nicht nur diese drei, seit einiger Zeit ein wenig launisch sind. Oh …« Clarissa drehte sich zum hinteren Winkel der Lagune um. »Dort drüben war der Zaun eingerissen, aber die Männer haben ihn vorhin schon repariert.«
»Glauben Sie, dass die vermissten Tiere durch diese Öffnung entwischt sind, um einen Ausflug zu machen?«
Sie schien unschlüssig zu sein. »Sie könnten jederzeit hinüberspringen, wenn sie wollten.«
White schaute flüchtig auf seine Rolex. »Sie können die Shows aber trotzdem abhalten und mit den übrigen Viechern schwimmen, oder?«
Clarissa schmerzte die Wahl des Wortes Viecher offenbar ein wenig, weil es andeutete, ihre geliebten Delfine seien nichts Besonderes. »Ja, das kann ich schon, aber …«
»Mehr brauche ich nicht zu wissen!« Er drehte sich auf dem Absatz um und wollte gerade gehen, wandte sich ihr dann aber doch wieder zu, als sei ihm unvermittelt noch etwas eingefallen. »Würden Sie mir bitte einen Gefallen tun?« Er redete weiter, ohne auf ihre Antwort zu warten. »Erwähnen Sie die verschollenen Tiere den Gästen gegenüber nicht. Keine öffentlichen Bekanntmachungen während der Shows, wie viele Delfine wir normalerweise haben oder etwas anderes in diese Richtung, ja?« Er zog seine Augenbrauen hoch, um dem Ganzen Nachdruck zu verleihen.
»Natürlich.«
White ließ Clarissa nun am Schwimmdock zurück und ging auf das Gebäude zu, in dem er sein Büro hatte. Er ließ sich Zeit, während er zu verarbeiten versuchte, was er gerade erfahren hatte. Nicht nur ein Delfin fehlte, sondern noch zwei weitere waren ausgebüxt. Das verhieß nichts Gutes, und zog man Cocos Unfall mit dem U-Boot noch hinzu … Er blieb abrupt stehen, ergriffen von einem erschreckenden Gedanken, den er vergeblich abzuschütteln versuchte.
Was sollte er tun, falls Sie wirklich recht hatte? Wenn sie nicht betrunken, bekifft oder auf welcher Droge auch immer gewesen war, mit der sich die Jugend von heute berauschte, und dort unten tatsächlich Bekanntschaft mit einem großen Hai gemacht hatte? Da würden auch launische Delfine ins Bild passen. Er ging weiter.
Wegen alledem konnte er nur wenig unternehmen, außer er war gewillt, die Einweihung des Hotels zu vertagen, bis das U-Boot wieder funktionierte und die Delfine gefunden worden waren, gemeinsam mit dem Grund, warum sie sich überhaupt erschreckt hatten. Allerdings wollte er die Geschäftseröffnung auf keinen Fall hinausschieben. Diese Anlage würde der Öffentlichkeit am morgigen Tag zugänglich sein, es musste nur noch alles glattgehen. Falls all diese betuchten Gäste, bei ihrer Abreise, nicht in höchsten Tönen von einem unfassbaren und beispiellosen Erlebnis sprachen, würde man dies garantiert als internationale Bloßstellung schwersten Grades ansehen. Jedwede weniger begeisterten Resonanzen oder Absagen – wegen innerbetrieblicher Komplikationen inbegriffen – würden seine Investoren nicht zufriedenstellen, und er war definitiv außerstande, seine Schuld bei ihnen zu begleichen, falls sich das Hotel nicht als reine Goldgrube erweisen sollte.
Coco und Mick würden sich wegen des U-Boots wohl oder übel auf den Hosenboden setzen müssen, während Clarissa die Sache mit den Delfinen klärte. Vor White standen nun wichtigere Aufgaben, wie zum Beispiel die Begrüßung der prominenten Gäste.