Читать книгу Fake Face - Rita M.Arane - Страница 14
STEVE 3
Оглавление„Steh auf, verdammte Scheiße!“, rief Mr. Spike, als er am nächsten Morgen neben Steve stand. „Hast du wieder gesoffen? Steh auf!“, rief er erneut und stieß ihm mit seinem Schuh gegen einen seiner Füße. Steve lag auf dem staubigen Boden auf seiner Matratze in seinem Zimmer. Ein Bett hatte er nicht. Er bewohnte dieses Zimmer, seit er aus dem Knast gekommen war und bei Mr. Spike arbeitete. Das Zimmer lag hinten auf der Farm und hatte einen separaten Eingang. Steve öffnete langsam seine Augen. Die Sonnenstrahlen, die durch die verdreckten Scheiben des zu klein geratenem Fenster direkt in sein Gesicht strahlten, schmerzten in den Augen. Er legte die Hände schützend vor sein Gesicht und drehte sich auf die andere Seite. Allmählich bemerkte er, dass sein Kopf dröhnte. Langsam kamen auch bruchstückhaft die Erinnerungen aus der letzten Nacht in sein Hirn. Das Bier, die Scheune, das Feuer …
„Wird‘s bald!“ Langsam richtete sich Steve auf. In diesem Moment bemerkte er, dass er es nicht einmal geschafft hatte, sich umzuziehen. Immer noch trug er die Klamotten von letzter Nacht.
„Und wie sieht es hier eigentlich aus!“ Angewidert schob Mr. Spike einige Pornozeitschriften und leere
Fast-Food-Verpackungen zur Seite. Eigentlich vermied er es, in Steves Zimmer zu gehen. Heute war eine Ausnahme. Mr. Spike deutete in eine Ecke in Richtung Steves altem Kleiderschrank. „Was soll das denn sein? Das ist echt krank! Das kommt alles in den Müll. Hast du kapiert? Und dieser Gestank! Ekelhaft! Das ist ja schlimmer als die Scheiße unserer Ochsen!“ Er ging zum Fenster und öffnete es sperrangelweit.
„Ich warte draußen, das ist hier ja kaum auszuhalten“, schimpfte er weiter und legte schützend seinen Handrücken auf die Nase. „Du bist in 5 Minuten fertig. Ist das klar?“ Im Halbschlaf antwortete Steve: „Ja, in 5 Minuten, ist klar, Mr. Spike.“
Nachdem Mr. Spike das Zimmer verlassen hatte, stand Steve auf und ging zu seinem Kleiderschrank. An dessen Tür hingen an einem Kleiderbügel alte Barbiepuppen. Darauf hatte Mr. Spike gezeigt und es als krank bezeichnet, bevor er gegangen war. Die alten Barbiepuppen hatte Steve irgendwann am Straßenrand gefunden und einfach mitgehen lassen. Nun hingen sie mit ihren Haaren an einem Bügel herunter. Die paar Kleidungsstücke, die sie trugen, hatte er entfernt und ihre Körper hier und dort abgeflämmt. Durch die Hitze der Flammen hatten sich die zuvor makellosen, hübschen Gesichter zu abstoßenden, angsteinflößenden Fratzen zusammengezogen. Teile der einst blonden Haare baumelten wie schwarze Klumpen vor ihren entstellten Gesichtern. An manchen Stellen waren sie von ihm mit einem roten, wasserunlöslichen Stift bemalt worden. Es sah aus, als würde Blut an ihnen kleben. Zwei der Puppen hatte er jeweils ein Bein abgerissen.
Warum er das tat?
Er wusste es nicht.
Ihm war danach.
Krank … Ja, so hätten die im Heim das wohl auch bezeichnet.
Er war ins Heim gekommen, als er knapp 5 Jahre alt gewesen war. Gemeinsam mit seinem jüngeren Bruder. Seine alleinerziehende Mutter hatte die seltsame Angewohnheit, die Kinder in den Backofen zu stecken, wenn sie unartig waren. Steve war mit fast fünf Jahren noch recht klein für sein Alter gewesen und der Backofen hatte mit seinen typischen amerikanischen XL Abmessungen genau die ´richtige´ Größe für die Quälereien seiner Mutter.
UNARTIG bedeutete in diesem Fall auch, wenn sie nicht schnell genug reagierten. Wenn sie nicht schnell genug etwas aus dem Keller holten, oder wenn sie beim Spielen nicht schnell genug still wurden, wenn ihre Mutter sie dazu aufforderte.
Dabei beließ sie es nicht nur bei den Worten: „Ich grille dich gleich wie ein totes Hühnchen!“
… nein …
Sie schaltete wirklich den Backofen an. Erst niedrige Temperaturen, und dann immer höher. Dabei hielt sie die Ofentür zu, damit er oder sein Bruder nicht entwischen konnten.
Nachts, wenn er schlief, hörte er noch immer die panischen Schreie seines Bruders und das dumpfe, angsterfüllte Schlagen seiner kleinen Kinderhände gegen die Ofentür, wenn seine Mutter ihn wieder einmal in den Ofen gesteckt hatte.
Einmal war sie so besoffen gewesen, dass sie es zu weit getrieben hatte. Steve hatte nicht schnell genug reagiert, eine volle Vodkaflasche aus der Küche zu holen …
Da packte sie ihn und steckte ihn in den Ofen.
Er bettelte.
Er schrie.
Aber sie machte die verdammte Ofentür einfach nicht auf. Er glaubte sogar, seine Mutter lachen zu hören. Im Ofen wurde es heißer und heißer. Er konnte sich nicht mehr daran erinnern, ob er damals ohnmächtig geworden war. Er wusste nur noch, dass er danach im Krankenhaus gewesen war. Er hatte sich so stark an den Eisenstäben verbrannt, dass er ärztlich versorgt werden musste. Die behandelnden Ärzte im Krankenhaus hatten sofort das Jugendamt angerufen. Danach hatte er seine Mutter nicht mehr gesehen. Auf eines der Brandmale hatte er sich eine Kobra und einen Anker tätowieren lassen.
Im Kinderheim hätte alles besser werden können.
Aber das tat es nicht.
Die älteren Kinder hatten Spaß daran, die jüngeren Kinder zu schikanieren und zu quälen. Wenn sie das taten, hatten sie immerzu gesagt: „Das hast du nicht anders verdient. Du bist selbst schuld, weil du so dumm bist!“ Die ganz Jungen waren für ihre sexuellen Experimente benutzt worden. Zu petzen hatte sich niemand getraut. Sie hatten damit gedroht, diejenigen aufzuhängen, die das taten. Steves Bruder war glücklicherweise recht schnell adoptiert worden. Vielleicht, weil er noch so jung gewesen war. Steve jedoch musste dortbleiben, bis er 16 Jahre alt war. Zwischendurch war er immer wieder ausgerissen, aber sie hatten ihn immer wieder geschnappt und ins Heim zurückgebracht.
Es gab Zeiten im Heim, wo er einfach seinen Kopf gegen die Wand seines Zimmers hämmerte. Vor allen Dingen dann, wenn er geglaubt hatte, all das nicht länger ertragen zu können.
Er hatte so lange seinen Kopf gegen die Wand gehauen, bis seine Stirn blutete. Wenn das Blut dann herausquoll, hatte er für einen Moment geglaubt, eine Erleichterung zu spüren.
„Bist du endlich fertig!“, rief Spike von draußen, während Steven sich gedankenverloren ein anderes T-Shirt anzog. Widerwillig ging er zu Mr. Spike.
Sie stiegen ins Auto.
„Wohin fahren wir?“
„Wir fahren zu Jack O‘Neil“, antwortete Mr. Spike kurz angebunden. Steve schaute ihn mit großen Augen an. „Warum?“, stieß er hervor.
„Es hat einen Brand gegeben. Ich möchte kurz nach ihm schauen.“
„Es hat einen Brand gegeben!? Und warum soll ICH jetzt mitfahren?“ Mr. Spike schaute mit ernstem Blick zu ihm herüber.
„Nach der Sache gestern wäre es gut, wenn du dort mithilfst. Du könntest deinen Ruf etwas aufpolieren, verstehst du?“
„Ich soll schleimen!? Aber …“
„Nichts aber, du hältst jetzt die Klappe und kommst mit!“, brüllte Mr. Spike. Steve sank wortlos im Beifahrersitz zurück.