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Einiges vorweg

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Warum ich aus meinem Leben erzähle? Gute Frage!

Es gibt jede Menge Vorstellungen über das Leben eines Schauspielers. Der Beruf regt die Fantasie der Menschen an, und die Medien tun ihr Bestes, um das vermeintlich glamouröse Schauspielerdasein in den buntesten Farben darzustellen: Ein Leben ohne Sorgen und Probleme. So viel Geld, dass man es in einem Leben gar nicht ausgeben kann. Ein gesellschaftliches Event jagt das nächste. Rote Teppiche, wohin man tritt. Champagner und die tollsten Frauen/Männer …

Bei mir sah das allerdings ganz anders aus. Völlig anders. Und vermutlich nicht nur bei mir. Insofern möchte ich mal ein paar Dinge geraderücken und das Leben eines Schauspielers greifbarer machen.

Die meisten kennen mich als Lehrer Dr. Specht. Als diese Serie ausgestrahlt wurde, war ich bereits Mitte vierzig. Man kann bei mir also nicht gerade von einem Shootingstar sprechen. Was war eigentlich vorher? Wie kam ich überhaupt dahin?

Ich möchte meinen Lebensweg noch einmal abschreiten. Vielleicht haben Sie Lust mitzugehen?

Das Schreiben dieses Buches war ein äußerst spannendes Unterfangen. Über weite Strecken machte mir das Formulieren und Fabulieren Spaß, aber immer wieder stieß ich an Grenzen und landete in Sackgassen. Ich wollte abbrechen, mehrmals, aber dann fielen mir immer wieder meine Enkelkinder ein und ihre Neugier: »Mensch, Opa, erzähl mal, wie war das damals?«

Jüngere Generationen können sich nicht mehr vorstellen, was es heißt, als Nachkriegskind groß geworden zu sein. Es gab damals einfach nichts. Kein Telefon, keinen Fernseher, keine Waschmaschine, keine Spülmaschine, kein Auto, kein Internet. Ein kleines Radio war der einzige Luxus. Ein riesiger Kontrast zu der Fülle, in der meine Enkelkinder aufwachsen!

Natürlich habe ich nicht alles aufgeschrieben. Geht ja auch gar nicht. Interessiert wahrscheinlich auch niemanden. Einige Teile des großen Puzzles sind jedoch nach wie vor sehr präsent. Ich habe nie Tagebuch geschrieben. Dazu hatte ich keine Lust. Also erzähle ich das, was meine grauen Zellen jetzt noch ausspucken: die unauslöschlichen Eckpunkte, quasi die Wendebojen.

Meine Anfänge als Schauspieler waren alles andere als lustig. Ganz schnell wurde klar, dass keiner auf mich gewartet hatte. Das wunderte mich zunächst. Aber nicht lange, denn so was wie Akzeptanz oder gar Erfolg stellten sich in keinster Weise ein.

Daher quälte mich ständig die Frage aller Fragen: Wie kann ich besser werden? Wie komme ich an ein größeres Theater? Oder wenigstens: Wie werde ich ein so guter Schauspieler, dass ich von diesem Beruf leben kann?

Was braucht es dazu?

Und: Warum zum Teufel klappt es bei mir nicht?

Diese Frage stellte alle anderen in den Schatten, als mein damaliger Lieblingsregisseur Peter Zadek mich gnadenlos abserviert hatte. Ich war fertig. Bedient. Dem Exitus nah.

Es musste dringend was passieren. Aber was?

Wolfgang Reichmann und Martin Benrath, diese unverwechselbaren Lichtgestalten unter den Schauspielern, hatten wertvolle praktische Hinweise, als ich sie um Hilfe bat. Die Essenz ihrer Ratschläge war: Es gibt kein Rezept für den Erfolg als Schauspieler. Jeder muss seinen individuellen, ureigenen Weg finden.

Mein Lieblingstipp stammt von dem Schauspieler und Komiker Theo Lingen. Auf die Frage eines jungen Mannes, was das Wichtigste für einen Schauspieler sei, meinte er lapidar: »Gründlich duschen und Zähne putzen!«

Mit so etwas Banalem hatte der junge Mann sicher nicht gerechnet. Aber letztlich steckt darin eine elementare Erkenntnis: Wenn man auf einer Probe mit den verführerischsten Liebeserklärungen von Shakespeare eine Partnerin bezirzen möchte, dabei nach Schweiß riecht und sie dann umarmen soll – wird sie mitspielen?

Und wie läuft die anschließende Kussszene mit Mundgeruch?

Eben. Das geht überhaupt nicht. Das fand ich dann doch sehr einleuchtend. Deshalb habe ich auch dieses Buch so betitelt.

Was den Erfolg eines Schauspielers wirklich ausmacht, hat der große Regisseur Max Reinhardt in einem Satz zusammengefasst: »Die wichtigste Aufgabe eines Schauspielers ist die Entwicklung seiner Persönlichkeit.«

Super Tipp! Aber was meint er damit, und wie geht das?

Bei mir setzten der wesentliche Entwicklungsprozess und das beste Menschlichkeitstraining in dem Moment ein, als ich meiner heutigen Frau Angelika begegnete.

Sie besaß eine unbeirrbare Liebe nicht nur zu mir, sondern auch zur Wahrhaftigkeit. Nachdem die überbordende Euphorie der ersten Verliebtheit auf ein normales Niveau heruntergekühlt war und der Alltagsstress und das Zusammenleben bewältigt werden mussten, ging die überaus empfindliche Beziehungsarbeit los. Ein Prozess über eine lange Zeit, ehrlich gesagt: bis heute.

Wir bemühten uns, mit Liebe, Respekt, Humor, Geduld und Beharrlichkeit unsere eigenen Defizite zu erkennen und zu bearbeiten. Das war ungewohnt, absolut neu für mich und meistens ziemlich unangenehm. Solche auslotenden Gespräche über innerste Gefühle hatte es in meinem Zuhause nie gegeben.

Wie Sie in fast jedem meiner Kapitel lesen werden, hatte Angelika einen riesigen Anteil an meiner Entwicklung und an meinem Erfolg. Ohne sie wäre ich nie so weit gekommen. Nie! Ich wäre sonst wo gelandet. Deshalb mussten auch unbedingt vier Geschichten von ihr in diesem Buch auftauchen. Gott sei Dank hat sie sich von mir dazu überreden lassen.

Duschen und Zähneputzen – Was im Leben wirklich zählt

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