Читать книгу DIE SNUFF-KILLER - Robert Blake Whitehill - Страница 17
Kapitel 11
ОглавлениеBen und LuAnna spekulierten leise, während ihr Gast den letzten Bissen seines dritten Stücks Smith-Island-Schichttorte aß.
Eine sanfte, entschlossene Stimme unterbrach ihr Gespräch. »L'Wana, Ben, danke, aber ich muss jetzt gehen. Wo geht es zu meinem Boot?«
Die beiden Inselbewohner starrten, überrascht, ihren Gast zum ersten Mal sprechen zu hören.
»Wie ist dein Name?«, fragte Ben.
Die junge Frau wurde ungeduldig, sogar beharrlich, als sie sagte: »Cheptalam. Tally. Ich brauche Ruder. Hast du Ruder, Ben?« Ihre Worte waren deutlich, aber sie sprach mit schwerem Akzent.
»Tally, dein Boot ist weg«, erzählte Ben. »Ist weggetrieben. Tut mir leid.«
Die junge Frau machte ein erschrockenes Gesicht, als Blackshaw ihr die Neuigkeit mitteilte, fing sich allerdings schnell wieder. Sie zog Bens Bersa und zielte damit auf ihn. »Dann werde ich dein Schiff brauchen. Bitte.«
Blackshaw war nur ungern der Überbringer von noch mehr schlechten Nachrichten, aber es führte kein Weg daran vorbei. »Nun, ich bin nicht Captain Phillips. Und diese Waffe ist nicht geladen. Ich hab die Kugeln rausgenommen, als du geschlafen hast. Und wenn du mal durch ein Bullauge schaust, wirst du merken, dass dieses Schiff auf Grund liegt. Liegt schon länger auf 'ner Sandbank, als du am Leben bist. Vielleicht hast du den Riss im Rumpf übersehen.«
Tally richtete die Pistole auf den Stapel Decken auf dem Feldbett und betätigte den Abzug. Der Knall in der engen Metallkabine ließ ihre Ohren klingeln. Blackshaw und LuAnna zuckten zusammen und traten einen Schritt zurück, als Tally mit der Waffe wieder auf sie zeigte. Schießpulver verschmolz in der Luft mit dem Geruch von Gänsepastete.
»Du hast gesagt, sie wär leer«, beschwerte sich LuAnna.
Tally machte einen beschämten Eindruck, als sie sagte: »Ich wachte auf und fand die Kugeln, als Ben auf dem Deck herumlief. Dieses Schiff ist wirklich nur ein Wrack?«
»Ja, es stimmt«, sagte LuAnna. »Kannst du bitte die Pistole runternehmen? Vielleicht können wir dir helfen.« LuAnna hatte bei der Natur- und Wasserschutzpolizei zwar eine Stunde Geiselbefreiungstraining gehabt, doch sie hatte damals nur halbherzig zugehört und verließ sich nun auf ihr Einfühlungsvermögen.
Tally zeigte auf Blackshaw. »Der da wollte mich töten.«
»Und er hätte es tun können, schon hundert Mal«, sagte LuAnna mit einer Spur Stolz in ihrer Stimme. »Du bist immer noch am Leben, weil es das ist, was er will.«
»Du hast mir 'ne Knarre ins Gesicht gerammt«, argumentierte Ben. »Dich hier zu haben, kam mir wie 'ne schlechte Idee vor. Tut's immer noch.«
»Wo willst du denn hin? Die Bucht ist ziemlich stürmisch«, sagte LuAnna.
»Na und? Lass sie gehen«, entgegnete Ben. »Sie kann mein Schlauchboot haben. Dein Skiff könnte zurückverfolgt werden, sobald sie es irgendwo stehenlässt oder kentert und ertrinkt. Die Chesapeake ist auf unserer Seite, Schatz.«
LuAnna warf ihrem Gatten einen missbilligenden Blick zu.
»Bitte, es gibt etwas, das ich tun muss. Ich muss zurück. Es bleibt keine Zeit«, flehte Tally nun.
»Zurück wohin?«, fragte LuAnna. »Süße, du hast die Knarre, also kannst du ein Boot haben. Jippie. Und danke, dass du bitte und all das gesagt hast, aber selbst wenn du einen verflixten Flugzeugträger hättest, wo zum Geier willst du hin?«
Es war, als ob sie die Frage zum zweiten Mal hören musste, bis sie Tallys emotionale Aufgewühltheit durchdringen konnte. Das Mädchen dachte einen Moment nach. Dachte daran, wie schwierig es gewesen war, bis zur American Mariner zu kommen. Sie setzte sich auf das Feldbett, entmutigt und aufs Neue erschöpft.
»Kannst du bitte die Waffe runternehmen?«, fragte LuAnna.
Tally richtete die Waffe auf die Decken und drückte wieder ab. Blackshaw und LuAnna zuckten, als der Hahn mit einem lauten Klicken auf ein leeres Patronenlager schlug.
Die junge Frau wirkte kleinlaut, als sie die Waffe wegwarf und zu Ben sagte: »Du kamst zurück, bevor ich mehr Kugeln laden konnte.«
Ben und LuAnna atmeten beide erleichtert aus. Tally begann zu weinen. Sie schob die Tränen mit geballten Fäusten umher. »Meine Schwester. Ich muss ihretwegen zurückgehen. Ich habe es versprochen. Sie wartet auf mich. Sie werden sie töten.«
Tallys klägliches Winseln löste bei LuAnna verzweifeltes Mitleid aus. »Wer wird sie töten? Warum? Wann?«
»Heute Nacht«, sagte Tally. »Es sind Monster. Sie werden sie wie ein Tier abschlachten, aber was sie ihr vorher antun werden – viele Stunden lang – Chamaiyo ist zwölf Jahre alt. Erst zwölf! Wir müssen die anderen vorher töten, L'Wana. Ben, wir müssen sie vernichten, jeden Einzelnen von ihnen.«
So herzzerreißend die Geschichte auch war, Blackshaws Gedanken wandten sich in eine andere dunkle Richtung. Nachdem sie eben die einzige Kugel in seiner Pistole abgefeuert hatte, hätte der Schlitten in der geöffneten Position einrasten sollen. Doch hatte der Schlitten nach dem Schuss das Patronenlager wieder verschlossen, was Ben und LuAnna davon überzeugte, dass wenigstens noch eine Kugel in der Kammer war. Zwar konnte das Gleiche geschehen, wenn der Zubringer im Magazin beschädigt oder das Magazin ein billiges Fabrikat war, aber Ben wusste, dass beides nicht der Fall sein konnte. Das Magazin war neu. Er tauschte es regelmäßig aus.
Bens Ansicht nach blieb da nur eine weitere, verstörende Möglichkeit. Der Eindringling hatte beim Abdrücken den Schlittenfanghebel mit dem linken Daumen betätigt und damit das Festhalten in der geöffneten Position außer Kraft gesetzt, um die Täuschung komplett zu machen. Tally hatte entweder großes Glück gehabt, oder aber ihre Waffenkenntnisse gingen weit über Verprügeln und Abdrücken hinaus. Blackshaw glaubte nicht an Glück. Ein ungutes Gefühl in seiner Magengrube verriet ihm, dass in Tally viel mehr steckte, als sie vermuten ließ.