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III. Überschneidungen

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Es existiert eine Reihe von Überschneidungen zwischen Recht und Moral, die nicht bloß theoretisch, sondern auch praktisch von großem Interesse sind. Historisch gesehen besitzen, wie oben dargelegt (Rn. 21), Recht und Moral eine gemeinsame Wurzel. Moralische Überzeugungen spielen bei der Entstehung von Gesetzen eine große Rolle, auch wenn nicht alle Gesetzgebungsvorhaben moralisch so umstritten sind wie die Reformen des Schwangerschaftsabbruchs[75] oder der Sterbehilfe.[76] Im demokratischen Staat besteht zwischen staatlichen Gesetzen und der Sozialmoral ein enger Zusammenhang. Dies gilt auch (und gerade) für Strafgesetze.[77]

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Weicht der Inhalt der Strafgesetze zu stark von der sich stetig weiter entwickelnden Sozialmoral ab, so sinkt bei den Strafverfolgungsbehörden die Bereitschaft, die Strafnormen durchzusetzen; Interpretationsspielräume werden genutzt, um die Strafnormen der Sozialmoral anzupassen. Gleichzeitig nimmt bei den Rechtsunterworfenen die Bereitschaft zur Normbefolgung ab; vereinzelte staatliche Sanktionen werden scharf kritisiert. Ein eindrucksvolles Beispiel für eine derartige Entwicklung stellt der Bedeutungsverlust der gesetzlichen Regeln über den Schwangerschaftsabbruch in den späten 70er und 80er Jahren dar.[78]

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Mit den Interpretationsspielräumen, die fast jede Strafnorm enthält, wurde bereits eine weitere wichtige Schnittstelle zwischen Recht und Moral benannt. Entscheidungsspielräume, die sich bei der Auslegung von Normen ergeben, kann der Rechtsanwender durch Eigenwertungen ausfüllen.[79] Dabei wird er sich zum einen an bereits vorhandener Judikatur, zum anderen aber an der Sozialmoral orientieren.

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Eine weitere Einbruchstelle moralischer Normen und Wertungen stellen gesetzliche Verweisungen wie § 228 StGB dar, wo ausdrücklich auf die „guten Sitten“ Bezug genommen wird. Damit wird nicht auf überpositive Moral verwiesen, aber auch nicht auf die Privatmoral des jeweiligen Rechtsanwenders. Der Verweis auf die „guten Sitten“ bedeutet vielmehr, dass der Rechtsanwender die jeweilige Sozialmoral[80] als Maßstab verwenden soll. Problematisch ist allerdings, dass der Rechtsanwender in aller Regel weder die Zeit noch die Möglichkeit besitzt, um empirische Untersuchungen vorzunehmen. Zumeist wird der Inhalt der „guten Sitten“ dem sozialen Umfeld des Rechtsanwenders und seinem eigenen „Vorverständnis“[81] entnommen sein. Da Rechtsanwender heute im Wesentlichen die Einstellungen der vorherrschenden öffentlichen Meinung teilen dürften, überrascht es nicht, dass sich in der inhaltlichen Ausfüllung der „guten Sitten“ gegenüber den 50er und 60er Jahren des 20. Jahrhunderts eine bemerkenswerte Liberalisierung vollzogen hat, die bis in die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes[82] hineinreicht.

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Darüber hinaus erfordern viele Rechtsbegriffe für ihr Verständnis den Rückgriff auf Sitte und Moral. Dies gilt etwa für den – außerordentlich vielschichtigen – Begriff der Ehre. Ehre besitzt, wer die in einer sozialen Gemeinschaft geltenden Normen der Sitte und der Moral einhält.[83] Darüber hinaus gibt es traditionell gruppenspezifische Ehrenkodizes, etwa für Adelige, für Soldaten oder für Handwerker. Aus der Ehre folgt ein bestimmter Achtungsanspruch, gerichtet auf die Einhaltung bestimmter, den Ehrträger betreffende Verhaltensregeln durch andere.[84] Das Konzept „Ehre“ ist also sowohl mit Hinblick auf die Voraussetzung der Zuschreibung von „Ehre“ als auch im Hinblick auf die Folgen dieser Zuschreibung aufs engste mit bestimmten sozialen Normen verbunden.

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