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Ich trödle. Es zieht mich nicht gerade in die Schule. Ich weiß auch nicht, wieso mir dauernd so was passiert, dass ich gleichzeitig zwei Verabredungen zum selben Zeitpunkt habe. Wahrscheinlich bin ich einfach zu gutmütig und kann keinem etwas abschlagen. Das Dumme ist, dass ich Lasse nicht absagen will und Clara nicht absagen kann, weil es mir peinlich ist, dass mir ein Computerspiel wichtiger ist, noch dazu eines, in dem es eigentlich nur darum geht, andere Ritter einen Kopf kürzer zu machen.

Durch meine Bummelei komme ich als Letzter in die Klasse. Alles brüllt durcheinander. Ich lege mein Handy in das dafür vorgesehene Fach neben all die anderen und boxe mich zu Lasse durch. Da stellt sich mir Clara in den Weg. Sie hat ihr Skateboard unter dem Arm und lächelt mich an. »Hey, Jan.«

Dass sie mich jetzt vor der ganzen Klasse anspricht, ist mir absolut unangenehm. Clara scheint das völlig egal zu sein.

»Hast du meinen Brief …?«, fragt sie.

Ich blicke sofort zu Lasse und sehe an seinem Gesicht, dass er gleich einen dummen Spruch machen wird. Meinen Brief! Ist Clara denn wahnsinnig? Jetzt müssen alle denken, sie schreibt mir Liebesbriefe! Schnell schiebe ich mich an Clara vorbei und brumme etwas, das »Jetzt nicht, nachher« heißen könnte, genauso gut aber auch »Lass mich in Ruhe«. Ich weiß nicht, ob Clara verstanden hat, dass wir uns besser unbeobachtet unterhalten sollten. Ganz genau verstehe ich es selbst nicht. Es ist ja auch nicht so, dass ich Clara komplett doof finde. Nur ist die Sache halt ziemlich kompliziert. Jedenfalls setzt sie sich auf ihren Platz und blickt nicht mehr zu mir herüber.

In der kleinen Pause gehe ich aufs Klo, aber nur, damit Clara mich auf dem Gang ansprechen kann. Wenn sie schlau ist, versteht sie das. Aber es klingelt zur nächsten Stunde, und Clara hat den Klassenraum nicht verlassen. Ich warte bis zur letzten Minute auf dem Gang und betrete die Klasse gemeinsam mit Franke, unserem Erdkundelehrer. Ihm macht sein Unterricht genauso wenig Spaß wie uns. Frankes einzige Angst ist es, dass er etwas sagt, was Clara gegen ihn aufbringt. Dann hat er sie am Hals und muss sich auf eine endlose Diskussion einstellen. Um kein Risiko einzugehen, schauen wir uns einen Film an. Franke macht das Licht aus, und sofort fängt das Getuschel an. Wie im Reflex reißt Lasse eine Seite aus seinem Erdkundeheft, knüllt sie zu einem Ball und schmeißt sie in Richtung Franke. Brotdosen klappern, und irgendwo in der letzten Reihe wird eine Coladose geöffnet. Kinostimmung. Es ist der Film Alltag in Tokio mit Familie Osaka, die immer auf dem Fußboden isst. Diesen Film haben wir schon mindestens viermal gesehen, zweimal davon allein in diesem Schuljahr. Offensichtlich schläft Franke dabei ein und glaubt nach dem Aufwachen, dass er nur geträumt hat, wie Herr Osaka sich mit allen Werksangehörigen in einem Mischmasch aus Andacht und Frühsport die Lunge aus dem Leib gesungen hat, bevor er anfängt, einen Toyota zusammenzuschrauben. Aus Langeweile fange ich an, meine Federtasche umzuräumen. Das ist deswegen interessanter, als Herrn Osaka zuzuschauen, weil meine Federtasche zwei Fächer hat. Ein kleines für Bleistift, Füller, Radiergummi und Kugelschreiber. Und ein großes, in dem ein Haufen speckiger Buntstifte liegen, die nie benutzt werden und mehr als Tarnung für meine Spickzettel dienen. Das Erste, was mir zwischen die Finger gerät, ist ein längliches Stück Papier, das ich noch nie gesehen habe. Ich ziehe es heraus und halte es ein wenig schräg, sodass das Licht des Fernsehers darauf fällt. In Claras Handschrift steht dort: »Ich warte nach der Schule im Fahrradkeller.« Schnell zerknülle ich den Brief. Es ist mir unerklärlich, woher Clara von dem Geheimfach in meiner Federtasche weiß. Noch nicht einmal Lasse kennt es. Aber eines ist klar: Wenn ein anderer diesen Brief liest, dann bin ich der Depp des Tages. Aber alles geht gut. Herr Osaka kommt müde nach Hause, seine Frau hat rohen Fisch zubereitet. Das Licht geht wieder an, es klingelt zur großen Pause, und bei dem anschließenden Kicken auf dem Schulhof schieße ich zwei Tore.

Flug der Falken

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