Читать книгу Flug der Falken - Robert Habeck - Страница 8
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ОглавлениеDie Homepage von horus-spiel.com lädt. Ich wische mir den Schweiß aus den Augen. Ein monitorgroßer Falkenkopf starrt Lasse und mich an. Er hat nur ein Auge, das andere Auge ist ein weißer Fleck. Es ist dieser Falke, der dem Anbieter seinen Namen gegeben hat. Horus heißt ein Gott aus dem alten Ägypten, der einen Falkenkopf hat und dessen Flügel den Himmel überspannen. In dem Computerspiel, das horus-spiel.com entwickelt hat, geht es um diesen Falkengott. Nach einer ägyptischen Sage versinnbildlichen seine Augen Sonne und Mond. Durch Horus kommt das Licht auf die Welt. Er steht im ständigen Kampf mit dem Gott der Finsternis, der Seth heißt und dessen Gestalt keinem Tier gleicht. Seth hat eine lange, gebogene Nase und einen flachen Hinterkopf, als ob er da zu oft draufgefallen wäre. Und er ist der Feind, den Lasse und ich bekämpfen müssen, um Horus zu verteidigen. Jeder von uns hat einen Kämpfer, der gegen einen Haufen teuflischer Kobolde bestehen muss, um Horus vor Gefahren zu beschützen und die Welt vor der totalen Finsternis zu bewahren. Lasses Kämpfer trägt einen Kaftan, einen Turban und einen Krummsäbel und heißt Sultan al-Kamil. Er ist ein guter Freund von meinem Kämpfer – und das ist der deutsche Kaiser Friedrich II., der Staufer. Er ist ein Ritter mit zugeklapptem Visier, Kettenhemd und Schwert. Damit haben die Horus-Spielemacher sozusagen den Vogel abgeschossen. Denn der deutsche Kaiser Friedrich II. und der Sultan kannten sich tatsächlich und waren Freunde. Der Sultan wohnte meistens in Ägypten, und Friedrich II. hat sich sehr für Falken und Falkenjagd interessiert. Insofern passt alles zusammen: Ein altägyptischer Falkengott, ein ägyptischer Sultan und ein deutscher Kaiser retten die Welt vor dem Bösen.
Je länger das Spiel dauert, desto härter und schwieriger werden die Abenteuer, die wir zu bestehen haben. Und durch immer neue Komponenten, die man aus dem Internet herunterladen kann, entwickelt sich das Spiel immer anders. Chatten hin,Youtube her, ob das Internet die Welt besser macht oder die Menschen näher zusammenrücken lässt, weiß ich nicht. Aber solange es Spiele wie Seths letztes Gefecht gibt, in denen Ritter durch unterirdische Tunnel schleichen, sich durch ägyptische Wüsten robben oder im Nahkampf Mann gegen Mann die Handlanger des Teufels Seth überwinden, ist die Welt durch Computer auf jeden Fall spannender geworden.
Lasse klickt schnell das Icon an, das zu den neuen Updates führt. Die Startseite der Homepage kennen wir schon auswendig. Dort ist der Mythos, der sich um den Gott Horus rankt, wiedergegeben. Demnach hat Seth dem Falkengott Horus im Kampf eines seiner Augen gestohlen – das Auge, das den Mond darstellt. Man könnte jetzt glauben, wenn Horus sein Mondauge verloren hat, dann ist die Sache durch, und das Spiel ist aus. Es gibt keinen Mond mehr, nur noch finstere Nacht. Friedrich und der Sultan haben versagt. Aber die Sage geht jetzt erst los. Seth muss das Mondauge zurückgeben. Doch das Auge ist nun verletzlich, und es wird ständig weiter darum gerungen. Die abnehmenden und zunehmenden Mondphasen stehen für den Kampf mit der Dunkelheit. Mal siegt die eine, mal die andere Seite. Und das bedeutet, solange der Mond abnimmt und wächst, so lange dauert Lasses und mein Kampf.