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Vorwort
ОглавлениеWährend der letzten 20 Jahre hat Robert M. Ellis seine Philosophie des Mittleren Wegs stetig weiterentwickelt. Seine Gedanken finden sich in seinen bekannteren Büchern wie Migglism und Truth on the Edge sowie im kürzlich erschienenen Sammelband Middle Way Philosophy, der mehr als 700 Seiten mit anspruchsvollen Ausführungen und Überlegungen umfasst. Um seine Gedanken in Formen der Praxis umzusetzen, die den Herausforderungen des Lebens in der gegenwärtigen Welt gerecht werden, hat Ellis auch die Middle Way Society gegründet, die Podcasts, Online-Diskussionen, Retreats und andere Aktivitäten anbietet:
http://www.middlewaysociety.org
Ellis ist ein eigenständiger, konsequenter Denker. Obgleich er anerkennt, dass er dem Buddha als erstem Verfechter des Mittleren Wegs zu Dank verpflichtet ist, hat er sich vom Buddhismus distanziert und bezeichnet sich nicht mehr als Buddhisten. Er hat versucht, die Prinzipien des Mittleren Wegs offenzulegen, wie sie überall in der menschlichen Kultur zu finden sind: im Christentum und Judentum, in zahlreichen säkularen Philosophien sowie in der Psychologie und in den Naturwissenschaften. Da der Mittlere Weg darüber hinaus im Rahmen unseres täglichen Lebens als ethische Wesen praktiziert werden soll, wendet Ellis dessen Prinzipien auf unsere politische und wirtschaftliche Lebensweise, unser Geschichtsverständnis und unsere Beschäftigung mit den Künsten an.
In Buddhas Mittlerer Weg kehrt Ellis zu buddhistischen Quellen zurück und liefert uns einen überzeugenden Bericht darüber, wie der Buddhismus in seiner derzeit gelehrten Form sowohl dazu dienen kann, den Mittleren Weg zu verdunkeln als auch dazu, ihn zu erhellen. Indem er zu einer Weltreligion wurde, die sich auf metaphysische Glaubensinhalte stützt, hat der Buddhismus aus Ellis‘ Sicht oftmals den Kontakt zum Prinzip des Mittleren Wegs, das er zu verkörpern beansprucht, verloren. Indem er sich auf die pragmatische und skeptische Dimension buddhistischen Denkens konzentriert, die Kraft seiner klassischen Gleichnisse wiederherstellt und hervorhebt, wie Gotama mit seinen Zeitgenossen interagierte, enthüllt Ellis, wie das Prinzip des Mittleren Wegs die Gesamtheit dessen durchdringt, was der Buddha gelehrt hat.
Den Mittleren Weg zu praktizieren bedeutet weit mehr als nur die Extreme von Genusssucht und Selbstkasteiung zu vermeiden, wie sie in Buddhas erster Lehrrede im Hirschpark von Sarnath beschrieben werden. Solche Extreme zu vermeiden, dient lediglich als nützliches Beispiel, um ein weit umfassenderes Prinzip zu veranschaulichen. Für Ellis ist der Mittlere Weg eine Metapher für eine ganzheitliche Lebensweise, die auf alle metaphysischen Verabsolutierungen verzichtet. In Ellis‘ Worten ist er „ein Bewertungsprinzip, das sich darauf konzentriert, wie wir auf unsere Erfahrungen reagieren, und keine Aussage darüber, wie Dinge letztendlich sind.“ Als solches entfaltet sich der Mittlere Weg vollständig innerhalb der vorläufigen, mehrdeutigen Welt unseres Lebens als unsichere und doch ethische Lebewesen.
Ich hoffe, dass dieses provokante Buch Buddhisten dazu ermutigen wird, den Mittleren Weg, der den Kern ihrer Tradition verkörpert, neu zu überdenken, und wertzuschätzen, wie dieses Prinzip ihre Tradition mit vielen anderen antiken und modernen, säkularen und religiösen verbindet. Buddhas Mittlerer Weg bietet gleichzeitig auch eine ausgezeichnete kritische Einführung in Buddhas Leben und Lehren für diejenigen, die mit dem Buddhismus weniger vertraut sind. Dank Ellis' bahnbrechender Arbeit wird der Mittlere Weg möglicherweise nicht mehr als eine ausschließlich buddhistische Leitidee betrachtet werden, sondern stattdessen als ein universelles Vermächtnis des Menschseins verstanden werden.
Stephen Batchelor
Aquitaine, September 2018