Читать книгу Der Regent II - Roland Bochynek - Страница 11
Rekrutierung
ОглавлениеDainan Sampi war froh, zu Hause zu sein. Sydney war für ihn einfach die schönste Stadt. „Endlich Urlaub! Mal wieder faulenzen, segeln und tauchen.“ Sein Arbeitsplatz war auf der Insel Madagaskar, fast auf der anderen Seite der Erde. Eigentlich war das kein Problem. Nach der Anbindung Australiens an Gäa waren auch hier überall Transmitterverbindungen aufgebaut. Zeitlich gesehen war sein Labor genauso weit entfernt wie die Kneipe um die Ecke. Aber bei Sampi war es ein psychologisches Problem. Als Aborigine war er sehr heimatverbunden. Das steckte der australischen Urbevölkerung in den Genen. Nur das große Interesse an der Herausforderung, die ihn auf Madagaskar erwartete, ließ ihn so weit in die Ferne ziehen. Nathan hatte ihn rekrutiert. Seine exzellenten Leistungen während des Physik-Studiums waren aufgefallen. Dazu kam die Fähigkeit, sich schnell in ihm fremde Technologien hineinzudenken.
Sein Team hatte die Aufgabe, aus der vorhandenen Transmittertechnik einen Antrieb für Raumschiffe zu bauen. Nicht nur dafür hatte man auf der Insel den größten Weltraumbahnhof eingerichtet, den man auf der Erde je sah. Obwohl die Schiffe mit ihrem Gravitationsantrieb praktisch überall landen konnten, zog man es vor, den Verkehr auf Madagaskar, im Indischen Ozean zu konzentrieren. Hier war man auch am besten vor den neugierigen Blicken der Nordstaaten geschützt. Der Neid, gerade auf die Fortschritte der Raumfahrt, war sehr groß. Schon allzu oft gab es Vorstöße des Nordens, um an der Weltraumnutzung Gäas beteiligt zu werden. Aber Nathan wiegelte solche Begehren bisher immer ab. Er nutzte dies auch als Lockvogel. Seine These lautete: „Schließt euch uns an, dann könnt ihr all das nutzen.“
Natürlich war die Raumflotte Gäas immer bereit, bei Notfällen zu helfen. Schon kurz nach der USA-Krise fielen wegen des politischen Durcheinanders so viele Versorgungsflüge zur internationalen Raumstation ISS aus, dass dort der Treibstoff für notwendige Kurskorrekturen zur Neige ging. Eines der ersten Raumschiffe Gäas schleppte die Station auf eine sichere Umlaufbahn und versorgte die Astronauten mit dem Nötigsten. Auch wurde eine Vielzahl außer Kontrolle geratener künstlicher Raumkörper geborgen. In der Anfangszeit beförderte man sogar Satelliten für andere Staaten auf ihre Umlaufbahn. Schließlich waren die chemischen Raketen eine große Umweltverschmutzung, die Gäa gerne vermeiden wollte. Diese Dienstleistung wurde aber schon nach dem dritten Start eingestellt, nachdem man feststellte, dass die Hälfte der Satelliten für Spionagezwecke über Gäa gedacht waren.
Das Ziel von Sampis Projekt war das Reisen mit Überlichtgeschwindigkeit. Nicht nur, um fremde Sonnensysteme zu besuchen, auch im Heimatsystem galt es, gewaltige Entfernungen zu überbrücken. Um die äußeren Planeten zu erforschen, war man trotz der superschnellen Schiffe Gäas immer noch Monate unterwegs. Theoretisch war Neptun bei maximaler Reisegeschwindigkeit in zwölf Tagen erreichbar, ohne allerdings die Zeit zu berücksichtigen, die man zum Beschleunigen und Abbremsen benötigte. Von der Schleichfahrt durch den Asteroidengürtel, um Kollisionen zu vermeiden, mal ganz abgesehen. Zwar bestand die Möglichkeit, ihn zu umfliegen, indem man ein Stück aus der Rotationsebene der Planeten herausflöge, aber das ergäbe wieder einen Umweg. Außerdem wäre das Kurven fliegen bei dieser Geschwindigkeit sehr problematisch und kostete eine Menge Energie.
Aber das würde sich in absehbarer Zeit ändern. Sampis Team hatte die Versuchsphase schon hinter sich gelassen. Es war ein hartes Stück Arbeit. Schließlich verstand niemand die fünfdimensionale Wirkungsweise der Transmittertechnik wirklich. Das war allein Nathans Angelegenheit. Allerdings war das Konstruieren von Geräten, deren innere Funktion man nicht genau kannte, kein Zuckerschlecken. Glücklicherweise hatte das Team mit Nathan einen geduldigen Auftraggeber, der nicht überdrüssig wurde, alles immer wieder zu erklären. Immerhin hatten Sampi und seine Mannschaft doch einiges von dieser Technik verstanden. Aber es würde noch Generationen dauern, bis Menschen in der Lage waren, solche Geräte ohne Nathans Hilfe zu bauen.
Das Ergebnis des Teams konnte sich sehen lassen. Gäa hatte jetzt ein Raumschiff mit Überlichtantrieb. Es war ein typischer Prototyp. Alle Geräte bildeten noch unförmige Ungetüme. Dazu kamen Unmengen an Prüf- und Messgeräten. Jede Kleinigkeit wurde bei den ersten Flügen kontrolliert und aufgezeichnet. Für den Einbau musste das Schiff entkernt werden. Es würde wohl für nichts zu gebrauchen sein, außer für die Testflüge. Einzig für den Piloten gab es Platz. Aber das änderte sich bald. Sampis Team hatte schon Konzepte entwickelt, wie sich der Antrieb auf ein Zehntel seiner jetzigen monströsen Größe verringern ließe. Bereits das nächste Schiff würde so konzipiert sein, dass die ursprünglichen Räumlichkeiten wieder zur Verfügung standen. Jetzt wartete man nur noch die Ergebnisse der Testflüge ab, bevor man mit dem Bau begann.
Während der neue Antrieb in der Praxis erprobt wurde, ruhte sich das Entwicklungsteam aus. Das tat Sampi auch. Seit einer ganzen Woche segelte er an der australischen Küste entlang. Sein Kommunikationsgerät hatte er abgeschaltet. Nach der aufreibenden Arbeit der letzten Monate hatte er sich diese Ruhe redlich verdient. Als er die Heimreise antrat, tat er das nicht, weil er genug hatte. Ihm gingen schlicht und einfach die Vorräte zur Neige. Zu Hause angekommen fiel ihm gleich der Briefumschlag auf, der an der Haustür klebte – ein Telegramm. „Welch eine altertümliche Methode, um sich mit jemand in Verbindung zu setzen.“ Dann erinnerte er sich an seinen ausgeschalteten Kommunikator. Er öffnete den Umschlag. Die Nachricht bestand nur aus einem einzigen Satz: Dringend mit Nathan in Verbindung setzen!
Mit schlechtem Gewissen schaltete er sein Gerät ein und wurde natürlich mit gespeicherten Nachrichten überhäuft. Seit zwei Tagen versuchte Nathan, ihn zu erreichen. Bevor er zurückrief, legte er sich noch eine Ausrede zurecht, aber Nathan überraschte ihn gleich beim ersten Satz: „Sampi, entschuldige, dass ich dich in deinem Urlaub störe, aber es sind außergewöhnliche Ereignisse eingetreten.“ „Oh, funktioniert der Antrieb nicht richtig?“ „Doch, sogar sehr gut. Ich muss dir und dem Team ein großes Lob aussprechen. Die außergewöhnlichen Ereignisse betreffen etwas anderes. Ich möchte dich bitten, bei der Untersuchung eines Objektes mitzuwirken.“ „Einer Maschine?“ „Nein, es ist nur ein Stück Material.“ „Ich soll meinen Urlaub abbrechen für eine einfache Materialprüfung?“ „Gleich zweimal nein. Eine einfache Prüfung wird das nicht. Es handelt sich um ein außerirdisches Artefakt, das sich bisher allen Untersuchungen widersetzt hat. Du kannst dich in Ruhe auf die neue Aufgabe vorbereiten und auch deinen Urlaub weiter genießen. Das Objekt wird noch aus dem Asteroidengürtel zu uns transportiert. Ich wollte nur wissen, ob du das Angebot annimmst, oder ob ich jemand anderen beauftragen muss.“ Jetzt war Sampi total aus dem Häuschen. An erholsamen Urlaub war nach dieser Nachricht nicht mehr zu denken. „Da brauchst du nicht weiter zu suchen, so einen Auftrag nehme ich immer an, egal wann und wo!“ „Das 'wo' trifft sich gut, du wirst nämlich auf der Station Luna A arbeiten müssen. Dort bauen wir im Moment ein passendes Labor. Es werden außer dir noch einige andere Wissenschaftler aus unterschiedlichen Fachrichtungen an dem Projekt beteiligt sein. Ich weise dich ausdrücklich darauf hin, dass alles, was das Artefakt betrifft, unter äußerstem Stillschweigen abzulaufen hat. Wir wollen keine Panik verursachen, schon gar nicht bei unseren nördlichen Nachbarn. Ich schicke dir eine Benachrichtigung, wenn das Labor soweit fertiggestellt ist, dass du es beziehen kannst. Lass also bitte Deinen Kommunikator eingeschaltet!“
„Ich werd's mir merken.“ Die Spitze hat gesessen. „Mann, ein Alien-Stück! Und ich darf es untersuchen! Ich werd wahnsinnig!“ Ganz so angenehm war sein restlicher Urlaub nicht mehr. Ständig dachte er an seine neue Aufgabe.