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Ankunft

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Etwas verwundert war Forster, als er etwa auf Höhe der Mondumlaufbahn die Anweisung erhielt, das Artefakt nach Luna A zu bringen. Bei seiner Abreise befand sich die Station noch im Bau. So schnell konnte sie nicht fertig sein. Offensichtlich wurde sie extra für die 'Fundsache' provisorisch in Betrieb genommen. Sie soll wohl als sicherer Ort für das Artefakt dienen.

Forster grinste sich eins. „Also hat Nathan Schiss davor, mit dem Schrottteil zusammen auf einem Planeten zu leben, aber mich damit durch das halbe Sonnensystem schicken!“ Noch mehr wunderte er sich dann über den Betrieb, der rund um die Station ablief. Es wimmelte nur so vor Raumfahrzeugen. Bei den meisten handelte es sich um Schiffe der Raumsicherheit. Man nahm das Artefakt also sehr ernst. Schließlich wusste man noch nicht, welche Bedrohung davon ausging.

Diese Reise hatte sich gelohnt. Ein Raumschiff voller Rätsel brachte er mit. Nicht nur das Artefakt, nein auch die Energieemissionen, die er gemessen hatte, blieben rätselhaft. Während des ganzen Heimfluges befasste er sich mit dem Phänomen, ohne zu einem Ergebnis zu kommen. „Mal sehen, ob Nathan diese Nüsse knacken kann.“ Mit seinen üblichen Selbstgesprächen dockte er an Luna A an.

„Mann, hier wird geklotzt und nicht gekleckert“, rief er aus, als er die riesigen Schächte erkannte, die die Raumschiffe aufnahmen. „Die reichen ja für Schiffe mit zweihundert Metern Durchmesser! Na schön, die Riesenlöcher kann kein Pilot verfehlen.“ Er setzte zur Landung an. Als die Halteklammern die Ernter XV fixiert hatten, öffnete er das große Tor zum Laderaum. Die Bergung des Artefakts würde er den Technikern überlassen. Er war heilfroh, dass er es einigermaßen ins Schiff gebracht hatte, sollten doch die sehen, wie sie es herausbekommen.

Zum ersten Mal stand er in Laderaum und sah das Teil mit eigenen Augen. Es machte einen unheimlichen Eindruck auf ihn. Ein Gegenstand, der so schwarz war, dass er wie ein Loch im Raum wirkte, aber doch so etwas wie einen Schimmer verbreitete. Schon bei der Bergung erkannte Forster das Artefakt nur, weil sich noch ein paar Gesteinskrusten daran befanden. Im Laderaum, unter dem Einfluss der dort herrschenden künstlichen Schwerkraft, fielen auch die kleinsten Verunreinigungen davon ab. „Das Ding ist nicht von dieser Welt, besser gesagt, nicht aus unserem Universum,“ sagte Forster zu sich.

Nachdem das Artefakt mit Schwerlastgreifern gepackt und in das vorbereitete Labor abtransportiert wurde, ging man daran, alles, was damit Berührung hatte, einzusammeln. Nicht nur das abgefallene Gesteinsmaterial, das Regolith, auch die Bodenplatten des Laderaums wurden abgeschraubt und sorgfältig verpackt. Erst jetzt fiel ihm auf, dass er der Einzige hier war, der keinen Schutzanzug trug. „Na, hoffentlich habe ich mich nicht mit einem intergalaktischen Schnupfenvirus infiziert,“ sagte er zu einem der Techniker gewandt. „Da kannst du unbesorgt sein“, meinte dieser, „unsere Sensoren haben nichts Außergewöhnliches angezeigt. Auch war nirgends eine Spur von Abrieb zu finden, obwohl es beim Verladen mächtige Schrammen gegeben hatte. Die Tore hier müssen wir auswechseln. Das Ding wollte wohl nicht freiwillig mitkommen. Nein, wir bergen die Teile nur, um später herauszufinden, ob zwischen dem Material und dem Artefakt Wechselwirkungen aufgetreten sind.“

„Na, da bin ich ja beruhigt“, antwortete Forster, „dann kommt das Jucken in meiner Nase wohl von dem Staub, den ihr hier aufwirbelt.“ Er ließ den verdutzten Techniker stehen, verschwand im Inneren des Schiffes und packte seine persönlichen Sachen zusammen. „Erst noch eine Fragestunde mit Nathan und dann ab in den wohlverdienten Urlaub. Zurück zu Mutter Erde!“

Dainan Sampi und Konrad Baumann beobachteten die Bergung des Artefakts aus sicherer Entfernung. Beide hatte man gemeinsam mit der Leitung der Untersuchung betraut. Sie und ihre Teams kamen schon vor zwei Tagen hier an. Die beiden platzten mitten in die hektische Betriebsamkeit. Zwar war das Gröbste geschafft, aber einige Kleinigkeiten mussten vor der Ankunft Forsters noch erledigt werden. Dazu kamen ein paar Sonderwünsche der Wissenschaftler, was ihren Arbeitsplatz betraf.

Nachdem das Artefakt im extra dafür gebauten Untersuchungsraum verstaut war, waren die Wissenschaftler kaum noch zu bremsen. Es gab ein Gedränge und beinahe Streit darüber, wer mit seinen Geräten zuerst an das Objekt durfte. Glücklicherweise war es groß genug, damit schließlich jeder einen Platz gefunden hatte.

Plötzlich hörte man einen schmerzerfüllten Aufschrei und es gab einen kleinen Tumult. Einer der Wissenschaftler hielt seine Hand. Die Handfläche war grauweiß und angeschwollen. Sampi aktivierte vorsorglich den Sicherheitsalarm. Eine Barriere fuhr vor den Wissenschaftlern hoch, um auch noch den unvernünftigsten vom Artefakt abzudrängen. Dann baute sich darum ein Schutzschirm auf.

Erst jetzt eilten Sampi und Baumann zu dem Verletzten, um sich zu informieren, was eigentlich vorgefallen war. „Ich hatte die Schutzhandschuhe ausgezogen, um meine Geräte leichter aufbauen zu können. Dabei hatte ich mich unbewusst mit einer Hand gegen das Artefakt gelehnt. Sofort spürte ich einen schrecklichen Schmerz. Das Ding muss glühend heiß sein. Es war nur ein Sekundenbruchteil, bis ich die Hand wieder zurückriss, aber die ganze Haut war bereits zerstört.“

Mittlerweile war auch schon ein Sanitäter da, der die Wundversorgung übernahm. Er mischte sich in das Gespräch ein: „Das ist keine Verbrennung, ich kenne diese Art Verletzung. An meinem früheren Arbeitsort gab es einen Unfall mit flüssigem Stickstoff, das sah genauso aus. Das hier ist eindeutig eine Erfrierung durch einen extrem kalten Gegenstand.“

Während der Verletzte zur nächsten Krankenstation transportiert wurde, begannen unter den Wissenschaftlern heftige Diskussionen, die sich zu einer wahren Kakofonie entwickelten. Sampi und Baumann setzten ihre ganze Lautstärke ein, um sich Gehör zu verschaffen. „Ruhe jetzt, beruhigt euch doch!“, rief Sampi, er war der etwas Forschere des Führungsduos. „Ab sofort wird nur noch in komplett geschlossenen Schutzanzügen gearbeitet. Zieht euch entsprechend um, in einer viertel Stunde treffen wir uns wieder hier. Dann gehen wir strukturiert vor. Ich erwarte von den einzelnen Teamleitern Vorschläge, welche Untersuchungen, in welcher Reihenfolge durchzuführen sind. Der Schutzschirm wird erst ausgeschaltet, wenn wir uns hierüber einig sind. Als Allererstes messen wir die genaue Temperatur des Materials.“

Zehn Minuten später waren wieder alle in Schutzkleidung angetreten. Jeder beeilte sich, so gut es nur ging. Niemand hatte die Absicht, auch nur das Geringste zu versäumen. Sampi und Baumann änderten nach einer kurzen Absprache die Vorgehensweise. Zuerst würde die Temperatur festgestellt, danach das weitere Vorgehen bestimmt. Baumann schaltete die Schutzvorkehrungen aus und zwei Mitarbeiter näherten sich mit einem ganzen Rolltisch voller Geräte dem Artefakt. Als Erstes erfolgten Messungen aus der Distanz, „nichts, nur Raumtemperatur“, meldeten die Techniker. So ging es weiter, bis die beiden unmittelbar vor der schwarzen Wand des Objektes standen. Selbst hier war keine Temperaturänderung zu verzeichnen. Baumann und Sampi kamen Zweifel, ob der Unfall tatsächlich mit der Temperatur zusammenhing. „Was kommt als Ursache noch in Frage, etwa Säure oder so etwas? Wenn das Artefakt wirklich so kalt wäre, dann hätte sich die Raumtemperatur schon längst verändert.“

„Da, ich hab´s! Das ist ja unglaublich! Das kann es doch gar nicht geben!“ Die beiden Techniker trauten ihren Ergebnissen nicht. Sofort eilten ein paar Wissenschaftler hinzu, um zu sehen, was sie entdeckt hatten. Jetzt hielt es auch Baumann nicht mehr auf seinem Platz. Er kam dazu und drängte sich durch die Menschentraube. Nachdem man ihm die Ergebnisse gezeigt hatte, forderte er einen Präzisionsroboter für die nächsten Messungen an.

Der Roboter wurde vor dem Artefakt fest fixiert, dann befestigte man einen Messfühler an seinem Sondenarm. Schließlich startete die Maschine und führte die Befehle aus, die Baumann in der Zwischenzeit eingegeben hatte. In einem Abstand von zehn Zentimetern vor dem Objekt wurde die Temperatur gemessen, anschließend halbierte der Roboter die Entfernung, dort erfolgte die nächste Messung. Dann wieder eine Halbierung des Abstandes. So ging es weiter bis zwischen der Sonde und dem Objekt der Abstand so gering war, dass nur noch ein Atom dazwischen passte. Die ganze Zeit ließ Baumann den Roboter nicht aus den Augen, während Sampi mit den anderen Wissenschaftlern den Vorgang über die reichlich vorhanden Aufnahmegeräte verfolgte. „Das war’s“ rief Baumann, damit ihn auch alle verstanden. „Die Messreihe ist abgeschlossen. Treffen wir uns in dem großen Besprechungsraum, um das Ergebnis zu diskutieren und das weitere Vorgehen festzulegen.“

Der Raum war wie ein Vorlesungssaal aufgebaut. Alle der nahezu hundert Wissenschaftler und Techniker hatten einen hervorragenden Blick auf das Geschehen im Zentrum. Zusätzlich war jeder Platz mit Bildschirm und Kommunikationsmitteln ausgestattet. Schließlich gab es noch einen Großbildschirm, der im Hintergrund die gewünschten Informationen darstellte.

Baumann erläuterte die Messergebnisse: „Um es vorwegzunehmen, der Kollege hat sich tatsächlich Erfrierungen zugezogen.“ Er schaute zum rechten Rand der vorderen Sitzreihe, dort saß das „Opfer“ mit einer verbundenen Hand. Er hatte es sich nicht nehmen lassen, an der Besprechung teilzunehmen. „Das Artefakt hat eine Eigentemperatur von 0,3° Kelvin. Es ist eines der kältesten Objekte, das uns je begegnet ist. Aber das ist nicht das Erstaunlichste. Schon einen Nanometer von der Oberfläche entfernt herrscht normale Raumtemperatur. Hier findet absolut kein Energieaustausch statt.

Die Temperatur lässt sich nur bei direktem Kontakt messen. Ich habe noch mal Forsters Bericht gelesen. Seine Beobachtungen passen in das Bild. Keinerlei Strahlung durchdringt das Teil. Es nimmt nicht die geringste Energie auf, auch keine Wärmeenergie. Es scheint so, als ob das Artefakt gar nicht in unserer Raum-Zeit-Dimension existiere. Ich fürchte, die Rätsel um das Objekt werden wohl mit jeder Untersuchung größer. Wir diskutieren jetzt die weitere Vorgehensweise und legen einen Untersuchungsplan fest.“

Es wurde eine sehr, sehr lange Besprechung. Am Ende hatten einige Wissenschaftler Zweifel, ob man dem Artefakt überhaupt ein Geheimnis entlocken konnte.

„Nun“, sagte Forster, „das ist alles, was ich dazu sagen kann. Ich konnte keine Regelmäßigkeit bei den Energieausbrüchen feststellen. Die zeitlichen Abstände dazwischen und die unterschiedliche Intensität scheinen einem chaotischen Rhythmus zu unterliegen. Auch die komplizierten Umlaufbahnen der drei Sonnen um sich selbst ergaben keinen Algorithmus, der darauf passte. Man könnte meinen, die Ausbrüche wären nicht natürlichen Ursprungs.“

Nathan antwortete mit Bedacht. „Deine letzten Bemerkungen sind jetzt aber sehr hypothetisch. Ich gehe eher davon aus, dass es eine Erklärung gibt, für die uns bisher einfach keine Anhaltspunkte vorliegen. Wir werden also eine Zeit lang mit diesem Rätsel leben müssen. Deshalb schlage ich vor, wir lassen die Sache vorerst ruhen und ich verspreche dir, dass ich dich an der Lösung des Problems auf jeden Fall beteiligen werde. Was hältst du davon, selbst dort hinzufliegen und nachzuschauen?“ „Seit wann machst du Witze? 4,243 Lichtjahre! Soll ich zu Fuß gehen, oder wie stellst du dir das vor?“ „Nun, wenn du dich mit meiner Entstehungsgeschichte befasst hättest, wüsstest du, dass ich auch zum Scherzen in der Lage bin. Aber das meinte ich ernst. Ich schicke dir ein Informationspaket über das Experimentalschiff Explorer. Du kennst doch sicher den Piloten Husani Nelson Mandela?“ „Oh ja, der Urenkel von Nelson Mandela, die Geschichte kennt wohl jeder in der Raumfahrtbranche. Was hat er denn angestellt?“

„Angestellt, wie du es nennst, hat er mit der Explorer einen Sprung über sechs Lichtstunden in Nullzeit. Dafür haben wir das Schiff umgebaut. Ab sofort ist die überlichtschnelle Raumfahrt möglich.“ „Das ist ja fantastisch! Wann geht es los?“ „Da musst du dich noch etwas gedulden. Die Explorer ist als Experimentalschiff nicht wirklich fernflugtauglich, außerdem wäre darin kein Platz für eine ganze Mannschaft. Melde dich nach deinem Urlaub in Madagaskar. Dort hast du die Möglichkeit, zusammen mit Mandela an der Fertigstellung unseres ersten echten Fernraumschiffes mitzuwirken. Dann könnt ihr euch auch in Ruhe über Mandelas Herkunft unterhalten.“

Wieder einmal vermisste Nathan die Fähigkeit, bei einer Sprechverbindung ein Grinsen zu zeigen. „Also, wenn ich mir das so recht überlege, ausgeruht habe ich mich ja auf der Rückreise wochenlang. Bin ich eigentlich verpflichtet, meinen Urlaub jetzt anzutreten? Bei so einem Projekt wäre ich am liebsten sofort dabei.“ „Das lässt sich einrichten. Wenn du gleich anfangen willst, übertrage ich dir hiermit die Verantwortung für den Bereich Navigation. Außerhalb des Sonnensystems wird viel Neues auf euch zukommen. Es ist mir sehr recht, dich an dem Ort aufgehoben zu sehen. Dort bist du auch erreichbar, für den Fall, dass das Team auf Luna A noch Fragen hätte. In letzter Zeit haben unsere Spitzenkräfte die Angewohnheit, sich im Urlaub unauffindbar zu verstecken.“

Mit der letzten Bemerkung Nathans konnte Forster nicht viel anfangen. Aber er war ja auch schon in Gedanken so gut wie unterwegs nach Madagaskar.

Der Regent II

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