Читать книгу Die Krieger des alten Japan - Roland Habersetzer - Страница 6

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Hana wa sakura gi hito wa bushi.

Was unter den Blüten die Kirschblüte, ist unter den Menschen der Krieger.

Wie eine Kirschblüte

Im Kampfe waren sie unerbittlich und grausam, aber sie vermochten es auch, in Gedichten tiefe Gefühle auszudrücken. Ihr Wille war unbeugsam, und zugleich waren sie außerordentlich empfindsam. Jederzeit waren sie zum Sterben bereit, doch ihre Siegesgewißheit war grenzenlos. Sie waren stolze Ritter und trugen aus mehreren Schichten bestehende Rüstungen in schillernden Farben. Als Zeichen ihrer Privilegien führten sie zwei Schwerter mit sich, die sie als ihre lebendigen Begleiter betrachteten. Dies waren die Samurai.

Über ihr bewegtes Leben ist viel berichtet worden. Es ist nicht einfach, sich heute ein realistisches Bild von ihnen zu machen, durch den Nebel der Legenden hindurch, die über die Jahrhunderte um sie gewoben wurden. Wie bei den Recken unserer Heldenlieder oder den Helden der nordischen Sagenwelt vermischte sich ihre Geschichte mit dem Mythos, und die Erzählungen ihrer großen Taten wurden über Generationen hinweg durch ein Volk, das seine Helden bewunderte, überliefert. In den Geschichten sind daher die Grenzen zwischen historischer Wahrheit und Märchen mitunter fließend, und manche Einzelheiten werden vielleicht etwas unglaubwürdig klingen. Doch dies ist kein Makel. Man sollte die Erzählungen in dem Bewußtsein des zeitlichen Abstands lesen und sich dabei vom Gefühl des Wunderbaren, das sie durchdringt, erfüllen lassen. Ein wenig Begeisterung und ein wenig Träumerei sind vielleicht genau das, dessen unser Zeitalter bedarf.

Es ist kaum möglich, unberührt zu bleiben angesichts des Lebens, des Charakters und der Ethik der Berufskrieger des japanischen Mittelalters. Einige von ihnen erlangten schon früh einen Ehrenplatz in der Geschichte, anderen wurde er erst später zuteil. Nicht alle erreichten die Berühmtheit eines Minamoto Yoshitsune, eines Takeda Shingen oder eines Kusunoki Masashige. In der japanischen Geschichte gibt es derartig viele blutige Geschehnisse, in denen sich Männer, aber auch Frauen, ruhmvoll hervorgetan haben, daß von zahlreichen Helden nicht einmal die Namen überliefert wurden. Viele ihrer außergewöhnlichen Taten wurden in früheren Zeiten als etwas Alltägliches betrachtet.

Ruhm konnte ein Krieger sowohl durch den Erfolg als auch durch die Niederlage erlangen. Die japanische Tradition kennt den Begriff hôgan biiki, die Würde des Gescheiterten. Auch wenn ihr Mut, ihre Treue und ihre Entschlossenheit überragend waren, haben doch viele Samurai und Rônin – dies waren Samurai, die keinem Herren dienten – ihr Leben im Kampf gegen übermächtige Kräfte verloren oder wurden Opfer niedriger Intrigen. Ihr Geschick war oft tragisch. War ein Samurai den Mächtigen nicht mehr nützlich, konnte es geschehen, daß er unbarmherzig verfolgt wurde. So war es keine Seltenheit, daß ein Samurai einsam in der Verbannung starb oder zu rituellem Selbstmord gezwungen wurde. Oft war der Ruhm der Helden flüchtig und zerbrechlich, ein magischer Augenblick, der schon verstrichen war, kaum daß man zu glauben begann, er würde ewig dauern.

Der Samurai begegnet uns häufiger als ein zutiefst empfindsamer Mensch denn als unüberwindlicher Held. Aber das trug um so mehr dazu bei, daß er nicht vergessen wurde. Im Gegensatz zur westlichen Welt, wo man sich am liebsten der siegreichen Helden erinnert, liebt man in Japan vor allem die unglücklichen Helden. Sie sind die schillernden Figuren der kabuki- und nô-Theaterstücke, der Balladen, Erzählungen und Filme. Der Bericht von ihrem Lebensweg, so nüchtern er auch sein mag, wirft auch nach Jahrhunderten stets die gleichen Fragen auf: Bedeutet ihr Tod Sieg oder Niederlage? Ist der Sieger wirklich immer derjenige, der überlebt? Welchen Sinn haben Opfertaten? Warum triumphiert so oft das Böse oder das Mittelmaß?

Die tapferen Krieger, über die hier berichtet wird, verkörpern die Tugenden eines verflossenen Zeitalters. Ihre Geschichten erinnern uns daran, daß der Mensch selbst in den schwersten und unruhigsten Zeiten die Fähigkeit bewahren kann, Werte aufrechtzuerhalten, nach denen wir auch heute noch streben, um in der modernen Gesellschaft Halt zu finden. Ich glaube, daß sie es verdienen, immer wieder erzählt zu werden, weil sie beispielhaft sind und weil sie Hoffnung geben.

Alle Geschichten in diesem Buch sind wahr. Alle Persönlichkeiten, von denen berichtet wird, haben existiert, und ihre Rolle in der japanischen Geschichte wird auf authentische Weise wiedergegeben. Auch die Daten sind streng historisch. Man muß hierbei aber berücksichtigen, daß nach japanischem Brauch ein Kind, das zur Welt kommt, bereits ein Jahr alt ist. Dies erklärt, warum in den Quellentexten, je nachdem, ob es sich um japanische oder nichtjapanische handelt, manche Daten oder Altersangaben zu den Protagonisten dieser epischen Abenteuer unterschiedlich sein können.

Es war meine Absicht, mit meinen Worten die großen Krieger des alten Japan wieder zum Leben zu erwecken. Ihre Zeitgenossen glaubten, daß sich diese Helden in einer Hinsicht von den gewöhnlichen Menschen unterschieden: Für einen Augenblick, der wie ein kräftiger Windstoß war, besaßen sie eine Ausstrahlung, die jenem einzigartigen Schimmer glich, welcher der Kirschblüte (sakura) zu eigen ist, kurz bevor sie zu welken beginnt.

Fragt dich jemand

nach dem Geiste Japans:

Es ist eine Kirschblüte,

die ihren Duft in der aufgehenden Sonne verströmt.

Motoori Norinaga (1730-1801)


Samurai unter blühendem Kirschbaum. Japanischer Holzschnitt (Detail).

Die Krieger des alten Japan

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