Читать книгу Kieferschmerzen selbst behandeln - Roland Liebscher-Bracht - Страница 11

WIE UNSERE ERNÄHRUNGSGEWOHNHEITEN DEN KIEFER BEEINFLUSSEN

Оглавление

Die Ernährung in den modernen Industrienationen hat sich seit etwa 1950 enorm verändert. Unser Essen ist in der Regel viel zu weich und/oder wird viel zu oft in »mundgerechten« Happen serviert. Das meiste wird weich gekocht, klein geschnitten oder industriell so verarbeitet, dass es nicht (mehr) fest und mit Kraft gekaut werden muss.

Dagegen fehlen bei vielen Menschen feste und sehr feste Nahrung wie älteres Brot, harte Nüsse und Kerne, härtere Rohkost (Möhren, Äpfel, Birnen, Kohlrabi etc.) – oder ihr Anteil in der Ernährung ist viel zu klein.

Das bedeutet: Der zum Essen nötige rein körperliche, biomechanische Kraftaufwand und das entsprechende Öffnen des Mundes ist zu gering. Das hat natürlich Folgen – wie überall im Körper, wo Muskeln und Co. nicht regelmäßig genutzt werden. Es ist nämlich nicht so, dass durch die »Schonung« des Kiefergelenks – durch das Essen weicher, kleiner mundgerechter und das Kauen unnötig machender Lebensmittel – sein Verschleiß aufgehalten würde – ebenso wenig wie der der Zähne. Das Gegenteil ist der Fall. Im Englischen gibt es dafür eine perfekte Redewendung: Use it or lose it. Benutze es oder verliere es.

Wenn die möglichen Gelenkwinkel nicht umfassend und regelmäßig genutzt werden, verlieren die beteiligten Muskeln ihre Flexibilität und verspannen sich immer mehr. Die nutzbaren Gelenkwinkel werden immer kleiner, Bewegungseinschränkungen nehmen ebenso zu wie die Belastung des dazwischenliegenden Gelenks, das die Kräfte übertragen muss.

Mit der Kaumuskulatur und dem Kiefergelenk verhält es sich genauso, wie mit allen anderen Muskeln und Gelenken in unserem Körper. Die Bewegungswinkel sind stark begrenzt und wir trainieren uns auf Dauer die reduzierten Bewegungen an – und dafür sind wir meistens selbst verantwortlich, obwohl wir es nicht wissen, weil es uns niemand beigebracht hat. Die Faszien passen sich an diese eingestellte Kürze und die eingeschränkten Bewegungswinkel schnell an – je öfter wir es ihnen »beibringen«, desto mehr. Sie werden immer weniger auf Länge gebracht, wodurch sie immer unflexibler und unnachgiebiger werden und regelrecht verfilzen, wie Experten diesen Prozess nennen.

Auf lange Sicht verkürzen also die Muskeln und Faszien im gesamten Kieferbereich – und die Überspannungen verursachen starke Schmerzen. Dadurch fällt es immer schwerer, den Mund weiter zu öffnen, wodurch die Muskeln noch mehr verkürzen – ein Teufelskreis entsteht. Zusätzlich pressen wir im Alltag, vor allem nachts, die Zähne oft sehr fest aufeinander, wodurch unsere Kaumuskulatur ebenfalls starkem Druck ausgesetzt ist (mehr dazu auf >).

Wenn die Kaumuskulatur immer angespannter, dichter und fester wird, bleibt das natürlich nicht ohne Folgen für all die flexiblen, nachgiebigen Leitungen, die durch die Gewebe im Bereich des Gesichts laufen: die Blut- und Lymphgefäße und die Nerven. Auch das macht sich bemerkbar:

 Der Blut- und Lymphfluss der in diesem Bereich verlaufenden Gefäße wird behindert. Dadurch können weniger Nährstoffe zu den Zellen hin- und weniger Abfallstoffe von ihnen abtransportiert werden.

 In den betroffenen Nerven ist die Weitergabe der elektrischen Impulse eingeschränkt beziehungsweise gestört. Zudem kann neben der Quantität auch die Qualität dieser Signale leiden. Weil die Nerven des Ober- und Unterkiefers durch diese Gewebe verlaufen, kann es deswegen zu Zahnschmerzen kommen.

 Auch die innere Versorgung (Nährstoffe hin, Abfallstoffe weg) der Nerven ist gestört. Die daraus resultierende Übersäuerung führt zu Zuständen wie der Trigeminusneuralgie, also »entzündeten« Nerven. In Wirklichkeit sind diese Nerven nur in Reparatur – eben weil sie aufräumen müssen. Doch weil die ungesunde Situation anhält, können sie diesen Prozess nie zu Ende bringen. Solche Entwicklungen können von »Migräneausstrahlungen« bis hin zu Wahrnehmungsstörungen beim Hören führen. Zustände wie Tinnitus und Hörsturz können die Folgen sein, schließlich liegt der Gehörgang direkt neben dem Kiefergelenk. Mehr zur Trigeminusneuralgie erfahren Sie auf >

 Es kann zu allen bereits besprochenen Kiefergelenkproblemen kommen und das Kiefergelenk kann »aushaken« (Kieferluxation, siehe > und >).

VERKÜRZTE MUSKELN

Der Ausdruck »kürzer werden« bedeutet nicht, dass ein Stück des Muskels oder der Faszie verloren geht, so als würde man ein Stück abschneiden. Er verdeutlicht aber bildlich, was passiert, wenn sie zu angespannt beziehungsweise stark verfilzt sind. Weil die Fasern dann nämlich nicht mehr so schnell nachgeben, wirken sie, als wären sie zu kurz, um die ihnen zugedachte Aufgabe zu erfüllen.

Kieferschmerzen selbst behandeln

Подняться наверх