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WAS DIE PSYCHE MIT DEM KIEFER ZU TUN HAT
ОглавлениеNeben den antrainierten reduzierten Bewegungswinkeln unseres Kiefers sorgen zwei andere wichtige Faktoren für Schmerzen im Kiefer: Stress und chronische psychische Anspannung. Sie können ebenfalls für die Entstehung von Überspannungen in Unterkiefer und Oberkiefer verantwortlich sein.
Der psychische Druck nimmt seit Jahrzehnten zu – in der Ausbildung, im Beruf, ja sogar in der Familie. »Beiß die Zähne zusammen«, »Reiß dich zusammen«: Um unliebsame Situationen, Überforderung oder den steigenden finanziellen (Überlebens-)Druck auszuhalten, scheint es für viele Menschen keine andere Alternative zu geben, als sie einfach zu dulden. Was dabei oft vergessen wird:
Psychischer Druck erzeugt Stress und der führt immer auch dazu, dass sich der Körper, genauer gesagt die Muskulatur anspannt – und diese zu hohe Anspannung führt, wie wir wissen, zu Schmerzen.
Stress und chronische psychische Anspannung erregen zudem auf Dauer unser vegetatives Nervensystem und versetzen unseren Körper permanent in den Zustand des sogenannten Kampf-oder-Flucht-Reflexes.5 Dabei schüttet er vermehrt das Stresshormon Kortisol aus. Dieses hemmt die Synthese von Kollagen und verhindert so die Heilung beziehungsweise Regeneration des Gewebes – auch die unserer Faszien.6 Vor allem bei der Diagnose »Nächtliches Zähneknirschen« (siehe >) spielt emotionaler Stress eine entscheidende Rolle. Es gilt als gesichert, dass es einen unmittelbaren Zusammenhang zwischen dem limbischen System, dem emotionalen Zentrum des zentralen Nervensystems, und unserem Kauorgan gibt.7
Somit kommen gleich zwei schmerzauslösende Einflüsse zusammen: Weil wir aufgrund unserer Essgewohnheiten den Mund selten weit öffnen, verkürzen die Kaumuskulatur und ihre Faszien immer mehr und die Spannung nimmt zu. Dazu kommt dann noch die Komponente der psychischen Anspannung. Das Ergebnis sind die ganzen Schmerzzustände im und um den Kiefer. Aber das ist noch lange nicht alles … Wenn Kinder, auch solche, die schon ihre Zähne bekommen haben, oft weiterhin kaum festere Nahrung kauen müssen, fehlt ihnen ein entscheidendes Training für Kiefer und Zähne. Ihre Kiefer bilden sich deswegen nicht richtig aus. Und auch den Knochen selbst fehlen diese Belastungsreize, die immer auch Wachstumsreize sind. Die Folge: Die Kiefer bleiben zu klein und die Weisheitszähne, die bei fast allen genetisch vorgesehen sind, haben keinen Platz. Das führt zu Spannungszuständen und zerstörenden Kollisionen, weshalb die Weisheitszähne heute sehr oft entfernt werden müssen. Die anderen Zähne leiden übrigens genauso unter der zu geringen Belastung und stehen deswegen »falsch« – wobei man eigentlich sagen müsste: Sie stehen so, weil fehlende Kräfte und Belastungen dafür gesorgt haben.
Der äußere Flügelmuskel hat unter den Kaumuskeln eine Sonderstellung, denn er ist der einzige Kieferöffner.