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Vater und Sohn

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In seinem Badezimmer zog Thos sich an. Er hatte ein Treffen mit seinem Vater vereinbart, in Szerdo, einem Vorort von Lukovia. Sein Vater sah Thos’ Beruf kritisch. Er würde wieder argumentieren müssen. Dass Mutter bei seiner Geburt gestorben war, hatte Vater verändert. Thos würde ihn treffen, natürlich. Aber es würde eine Kraftanstrengung werden, das ahnte er.

An der Wohnungstür bestellte Thos mit seiner Anzugelektronik das Ticket nach Szerdo. „Möchten Sie für Einzelbeförderung extra bezahlen?“ Thos entschied sich für „Ja“. Er konnte etwas Ruhe gebrauchen. Vater wusste nichts von seinen Motivationsproblemen, Thos fürchtete, es mit seinen Argumenten dann noch schwieriger zu haben.

Er hatte diese Diskussionen schon oft geführt. Aber es war sein Vater. Vielleicht würde es irgendwann besser werden. Er straffte seine Kleidung. Die Elektronik seiner Jacke synchronisierte sich mit dem Hauptrechner. Thos verließ die Wohnung. Wie gewohnt war das Shuttle ferngesteuert und fahrerlos an der nächsten Straße angekommen. Als Thos es erreichte, erkannte das Gefährt ihn an seiner Kleidungselektronik und die Tür zur Fahrgastzelle öffnete sich. Es gab keine weiteren Mitfahrer, wie gewünscht. Also los.

Als Thos das Café betrat, saß Udal Enog Thonxies bereits an einem kleinen Tisch. Der ältere Mann mit bläulichem Teint war schon länger da und hatte sich eine Portion Nodsgeschnetzeltes bestellt. Udal war etwas kleiner und beleibter als sein Sohn, aber er achtete sehr, fast schon perfektionistisch auf seine Körperpflege. Seinen Vollbart und die Geheimratsecken kannte Thos noch von früher. Er erreichte den edel gehaltenen dunkelbraun-goldenen Tisch und begrüßte seinen Vater mit einer Umarmung. Thos setzte sich.

„Komm, bestell’ dir was, ich zahle die Rechnung.“ Udal hatte schon in Thos’ Kindheit mehr und mehr in seiner Firma gearbeitet und sich dadurch finanziell Vorteile verschaffen können. Thos bestellte ein Nemeg.

„Ohne Geld läuft nichts in der Welt...“, sinnierte Udal und biss in sein Gebäckstück. „Wie geht’s dir?“

„Ganz o.k.“

Udal sah seinen Sohn an. „Da du kein Geld hast, könnte ich dir einen guten Job in der Firma beschaffen. Das würde dir gut tun.“

Thos reagierte sofort verärgert. „Hast du wieder Nachforschungen angestellt, anstatt mich direkt zu fragen?“

„Thos, seit Jahren sage ich dir: Man muss sehen, dass man durchkommt“, antwortete sein Vater ausweichend.

„So müsstest du auch wissen, dass ich einen Job habe“, fuhr Thos unbeirrt fort.

„Diesen politischen Journalistenjob? Die Politik kannst du doch nicht ändern.“

„Ich denke, die Welt ist so, wie wir sie gestalten“, sagte Thos aus irgendwie ermüdeter Überzeugung. Voilà, die Karten lagen, wie schon so oft, auf dem Tisch.

„Du träumst von einer besseren Welt. Die wird nicht kommen. Was ich nach Etas Tod gelernt habe, ist, dass man froh sein muss, wenn man durchkommt.“

Thos überlegte, ob er in diese ihm so wohl bekannte Diskussion einsteigen sollte. Aber er erzählte es auch seinen Lesern immer wieder – also warum nicht seinem Vater. Er wollte gutmütig sein und gesprächsbereit bleiben. „Aber sich an alle Begebenheiten nur anpassen kann man auch nicht“, erwiderte er.

„Aber was kann man schon wirklich ändern? Es ist wie mit diesem Weltgrundgesetz. Die selbstherrlichen Politiker haben einen Plan, der aber an der Wirklichkeit scheitern wird. Am Ende wollen dann doch wieder alle Nichtsnutze zu uns kommen. Wie vielen sollen wir denn noch Asyl schenken? Wir müssen mit unserem Geld etwas Vernünftiges anstellen.“

Dieses Argument hatte Thos von seinem Vater noch nicht gehört, und es traf ihn. Es zielte gegen den guten Willen und gegen mögliche Erfolge, für die sich Thos einsetzte, seit er politisch engagiert war.

„Wenn man den Armen hilft, soll alles schlechter werden? Das ist nicht dein Ernst.“

„Die müssen auch sehen wo sie bleiben, aber es ist ihr Schicksal, nicht unseres.“

Thos war durch die neue Wendung der Diskussion verletzt. Vater teilte Thos’ Ideale nicht, er würde seine Ideale auch gegen ihn durchsetzen, wenn er könnte. Wenn Mutter doch nur noch leben würde... Aber jetzt war es zu viel. Er stand auf.

„Vater, ich teile deine Meinung nicht. Nur wer Gutes probiert, kann auch Gutes bekommen. Es ist besser, wenn ich jetzt gehe.“

„Aber Thos...“ Sein Vater blickte ihn überrascht an.

Thos wusste nicht, wo er anfangen sollte. „Ich weiß, wegen Mutter...“, aber er spürte, er musste sich jetzt schützen. „Ich muss gehen. Mach’s... gut.“ Er nahm seine Jacke und ging. Sein Vater blickte ihm erstaunt nach. Er hatte doch nur... es schien Thos wirklich ernst zu sein. Udal musste nachdenken.

Thos fand sich im Innern des Shuttles wieder, das ihn nach Hause fuhr. Es war schlecht gelaufen. Da kam ihm Vater doch mit dieser Stammtischmeinung... Er war maßlos enttäuscht. Dass es nicht einfach werden würde, damit hatte er gerechnet. Aber das... ja, er hätte sich eine andere Beziehung zu seinem Vater gewünscht. Seit Jahren. Thos drängte aufkommende Tränen beiseite. Er würde ihm wieder begegnen müssen. Er war fest entschlossen, dies zu tun. Jetzt musste er aber erst einmal alleine weitersehen. Sein nächster Weg würde ihn zum Reparaturmarkt führen. Auch das noch. Aber er war jetzt nicht in der Lage, das zu ändern. Es nicht ändern können. Dieser Gedanke brannte in ihm. Ja, es war so, wie Vater sagte – er konnte diese Situation vorerst wirklich nicht ändern. Er sah durch das Shuttlefenster auf die Landschaft. Die Fahrt ging weiter. Es war gutes Wetter. Seine Augen tränten trotzdem.

Sakaya

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