Читать книгу Serviert - Roland Trettl - Страница 4
Vorwort
ОглавлениеNormalerweise steht an dieser Stelle eines Buches etwas Freundliches. Vorworte stammen in der Regel aus der Kategorie „schmeichelweich“. Meistens greift der berühmteste Freund des Autors in die Harfe und lässt den Leser in schönen Worten wissen, dass er mit dem Kauf dieses Buches etwas richtig gemacht hat.
Dieses Buch aber ist nicht schmeichelweich. Es ist eine kulinarische Streitschrift. Nach zwanzig Jahren in der Gastronomie habe ich das starke Bedürfnis gehabt, endlich einmal Stellung zu nehmen zu so vielen Themen, die mir bei meinen Streifzügen durch die besten Küchen der Welt aufgefallen sind.
Ich habe etwas zu den Verirrungen der Spitzengastronomie zu sagen, zu den Unsinnigkeiten, die landauf, landab für Normalität gehalten werden, zu den sinnlosen Anstrengungen der Köche, die ihren Gästen Speisen aufdrängen, die diese gar nicht wollen, zur Arroganz der Sommeliers, die glauben, dass ihre Weinauswahl das Alpha und Omega eines gelungenen Abends ist, zur Unfähigkeit der Gastronomieschulen, ihre Schüler auf das vorzubereiten, was sie in der Praxis wirklich erwartet.
In meinen Jahren als Küchenchef unter der Patronage von Eckart Witzigmann – zuerst im „Ca’s Puers“ auf Mallorca, später elf Jahre lang als Executive Chef im „Hangar-7“ in Salzburg – habe ich zum Beispiel erlebt, welchen zerstörerischen Einfluss die angeblich besten Freunde des Gastes, die Restaurantführer, ausüben.
Ich habe mich mit meiner Kritik am Gault Millau und am Michelin auch nie zurückgehalten, was mir sehr oft das Schulterklopfen von Kollegen eingebracht hat, die mir „Du hast ja so recht!“ ins Ohr flüsterten. Aber sie flüsterten sehr, sehr leise, damit keiner vom Gault Millau oder vom Michelin sie vielleicht hört.
Weil ich den Gault Millau aber wirklich für schädlich halte und mit seiner Beurteilungspraxis alles andere als einverstanden bin, kritisiere ich ihn auch in diesem Buch (siehe das Kapitel „Gift für die Spitzenküche“). Und weil zum Streiten immer zwei gehören, habe ich den Herausgeber des Gault Millau eingeladen, das Vorwort zu diesem Buch zu schreiben – je härter, desto besser. Wie gesagt, das Schmeichelweiche liegt mir nicht (außer ich sitze mit meinem Sohn Diego und meiner schönen Frau Daniela zu Hause auf dem Sofa).
Meine Anfrage wurde vom Gault Millau-Herausgeber Karl Hohenlohe allerdings höflich abgelehnt. Schade. Ich hätte gern erfahren, was Herr Hohenlohe wirklich denkt. Ich hätte gern kontrovers mit ihm diskutiert. Die Gastronomie ist eine Branche, in der viel zu viel geschmeichelt und gespeichelt wird. Kaum jemand hat Lust, Klartext zu reden.
Wenn sich also jemand von meinen Erzählungen, Kommentaren oder Provokationen auf den folgenden Seiten gestört fühlt – gut so. Lassen Sie mich wissen, was Sie denken. Widersprechen Sie. Richten Sie mir aus, dass ich einen an der Waffel habe. Das ist meine E-Mail-Adresse:
dem-trettl-mal-die-meinung-sagen@zsverlag.de
Dorthin dürfen Sie mir auch schreiben, wenn Sie Freude an diesem Buch haben. Denn ich liefere Ihnen hier nicht nur Kontroverses, sondern einige der geilsten kulinarischen Erlebnisse, die man auf diesem Planeten haben kann – und ein paar Gebrauchsanweisungen, wie man diesen Erlebnissen möglichst nahe kommt.
Kontroverse und Euphorie: Das sind die beiden Pole, zwischen denen sich dieses Buch bewegt. Denn nichts ist menschlicher, nichts ist großartiger als der Genuss, den wir erleben, wenn wir zum Beispiel am „Pier 1“ in San Francisco eine Auster schlürfen oder im „Patscheiderhof“ auf dem Ritten Schlutzkrapfen essen. Wenn wir in Hongkong die besten Dim Sums verschlingen, die je ein Mensch aus dem heißen Dampf genommen hat, oder in Sydney die abgefahrensten Sushi, die ein Sushimeister auf der Welt zubereiten kann, mit einem Biss verzehren. Wenn wir im „Spice Market“ in New York zum grandiosen Thai-Curry tanzen oder bei Heinz Reitbauer in Wien über dem warmen Blunzenbrot in Tränen ausbrechen.
Dafür lohnt es sich, den Kopf hinzuhalten und all denen im Weg zu stehen, die mit Durchschnitt und Konfektion zufrieden sind. Genuss verdient jede Anstrengung, jede Übertreibung, jeden Irrweg, jeden Kampf.
Genuss ist jede Sünde wert.