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Wie köche miteinander reden oder: Worte sind nicht das Wichtigste
ОглавлениеJede Küche ist Babylon. Einer sagt etwas, und zehn Leute verstehen etwas anderes.
Ich spreche Deutsch, Spanisch, Italienisch und Englisch. Das ist aber nicht genug. Wenn du in Biarritz zu Gautier gehst, kannst du ihn auf Englisch fragen, wie er heißt, und er wird dich wie ein junges Schaf anschauen, weil er nicht weiß, was du von ihm willst.
Am Anfang dachte ich immer, dass er arrogant ist. Aber das stimmt nicht. Er steht in seinem sensationellen Haus, dem „Hôtel du Palais“ in Biarritz, ist supernett, aber er spricht eben nur Französisch. Damit wird die Kommunikation auf andere Ebenen verlagert, wir wissen ja, worum es beim Kochen geht. Nur können wir keine Höflichkeiten austauschen.
Das habe ich im Extrem erlebt, als ich in Japan war. Da hatte ich zu Beginn der Arbeit für zwei Monate eine Dolmetscherin. Aber mir ist immer stärker aufgefallen, dass nichts, was ich sagte, richtig rüberkam, und dann habe ich mich von ihr getrennt und einfach gearbeitet: Das war die bessere Sprache als die Worte der Dolmetscherin.
Auch in Shanghai musste ich mit Leuten zusammenarbeiten, die kein Wort in irgendeiner Sprache gesprochen haben, die ich auch gekonnt hätte. Dann machte ich eine sensationelle Erfahrung im „Whampoa Club“. Dort haben zwei taubstumme Mädels gearbeitet. Mit denen konnte ich mich auf Anhieb besser verständigen als mit den Chinesen, die immer versucht haben, aus meinem Englisch irgendeine Botschaft herauszudestillieren.
Da habe ich gemerkt, dass das Handwerk Kochen eine universelle Sprache ist, die ohne Weiteres auch ohne Worte auskommen kann.
Du zeigst, was du willst. Du kannst vielleicht kein Buch vorlesen, aber du führst die Handgriffe vor, mit denen du das Gemüse hackst. Du schneidest die Ente, wie du sie haben willst. Du stellst die Temperatur am Herd ein, die es braucht, um dein Gericht gelingen zu lassen. Deine Handgriffe, deine Bewegungen, das Anrichten: Kein Mensch muss in der Küche wissen, wie man T-R-E-T-T-L buchstabiert.
Stattdessen nimmst du auf einer gestischen, fast pantomimischen Ebene den Kontakt auf. Sobald du dich darauf eingelassen hast, läuft das wie beim Tanzen: Verständnis aus dem Bauch heraus. Ich konnte mich mit den beiden Taubstummen aus Shanghai besser verständigen als mit so manchen Topköchen, die meine Sprache sprechen. Denn die isolieren sich durch sprachliche Formeln und Floskeln. Sie reden zwar mit dir, aber sie sagen dir gar nichts. Die taubstummen Mädels waren gesprächiger.
Ich bin in Südtirol zweisprachig aufgewachsen, habe Deutsch und Italienisch gesprochen. Englisch und Spanisch habe ich gelernt, indem ich einfach in diesen Sprachen geredet habe. Du musst dich nur trauen. Das ist die große Gemeinsamkeit zwischen dem Kochen und den Sprachen des Kochens: dass man sich traut. Die Worte sind gar nicht so wichtig.