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Wien, Spätsommer 1882

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»Ich gedenke«, sagte Hofrat Petrouschek mit fast feierlicher Stimme zu seiner etwas korpulenten Gemahlin Belinda, »meinen Geburtstag so zu feiern, daß es einer Denkmalsetzung gleichkommt.« »Bitte schön«, antwortete Belinda und strahlte. Sie wußte, was gemeint war.

»Petrouschek«, fuhr der Hof rat fort, »klingt nicht fein. Das weiß jeder Wiener von Brünn bis Lipizza. Wir werden diesen Makel mit Prunk ausgleichen.«

»Mir ist es unverständlich, warum Majestät dich noch nicht geadelt hat!«

»Meine Liebe«, antwortete Petrouschek und steckte die Daumen in die Westentasche, »ich bin und bleibe für manche Leute hierorts ein Zuckerbäcker, der zu Reichtum gekommen ist.« Er lächelte freundlich und faßte seine Ehehälfte unter das etwas üppig geratene Kinn. »Und wenn wir uns die Sache besehen, stimmt das ja auch.«

»Joseph«, erwiderte Belinda und entzog sich seiner Zärtlichkeit, »du hast es weit gebracht, bist Gründer unserer Fabriken, bist Hofrat...«

»... und stets und ständig ein bisserl weniger als du, meine geliebte und geachtete Frau Petrouschek, geborene von Blumenthal.« Petrouschek lachte breit. ,

Ihm waren alle Erwägungen seiner Frau, die um das Geadelt- oder Nicht-geadelt-werden gingen, völlig gleichgültig. Er wollte nur, daß allen Leuten kund und zu wissen getan wurde, daß aus eben diesem ungeadelten Zuckerbäcker Petrouschek einer der reichsten Fabrikanten Österreichs geworden war.

»... und dies«, so betonte er gerne, »zwar mit dem Gelde meiner Frau, sodann jedoch durch meine Tüchtigkeit, Welterfahrenheit und Schläue!«

Es läßt sich denken, wie seiner Frau zumute war, wenn er solche Reden an ihrem Jour fixe vor allen Damen hielt. Doch Petrouschek focht das wenig an. Er war gewohnt zu sagen, was er dachte, was ihm als wahrhaft und bemerkenswert schien, und er würde dies tun, bis er für immer verstummte. Allerdings gehörte er auch zu jenen Leuten, die erst dann die vermeintliche Wahrheit schön laut und deutlich sagen, wenn sie das nötige Kleingeld in der Tasche klimpern lassen können, um ihre Unabhängigkeit damit zu unterstreichen. Petrouschek, groß, breit, laut und mit einem ausgesprochen rosigen Gesicht, war ein liebenswürdiger, ehrlicher Mensch von geradem, schlichtem Denken.

Nun also: Er wurde fünfzig.

Er fand, daß dies eine Schwelle des Lebens sei, die gesund, wohlhabend und guter Dinge zu erreichen, Anlaß zu Festesfreude und Feiern geben sollte.

Andere Leute feierten erst mit sechzig, siebzig oder achtzig...

»... aber«, so lachte Petrouschek breit, »sie haben nicht mehr so viel davon. Sie müssen sauren Wein trinken, weil ihre Leber schon schwach ist, sie essen ungesalzene Speisen der Nieren wegen, und tanzen können sie des Zipperleins wegen nicht! Darum laßt mich ein großes Fest gesund und heiter erleben! Und ganz Wien soll seine Freude daran haben.«

Belinda nickte. Ihr war es recht. Vor allem der Mädchen wegen. Blanche kam sowieso in ein Alter, wo es Zeit wurde, sie günstig zu verheiraten, und Constance ... nun ja... für Constance würde sich auch etwas finden.

Constance von Blumenthal war die Nichte seiner Frau und lebte seit ihrer Kindheit im Hause des Hofrats. Constance war und blieb stets um ein weniges feiner, zarter, kurzum vornehmer als Blanche, das einzige Kind der Petrouscheks.

Allerdings: Von Blanche im Zusammenhang von »vornehm« und »fein« zu sprechen, war eher eine Zumutung als eine Möglichkeit. Blanche, kess, frech, oft allzu direkt und in jedem noch so mit Rosen und Rüschen verzierten Kleide der Haute Couture wie ein viereckiger Schrank wirkend, den man in Spitzen gestellt hatte. Zu alledem war sie hager, und ihre Augen wirkten wässrig. Petrouscheks Ebenbild, ohne seine Beleibtheit, seinen derben Charme, teutonisch bis ins Mark, da konnte selbst der zarte Name Blanche nichts ändern.

Constance hingegen war schlichtweg schön. Alles an ihr wirkte klar, zart und kultiviert. Zum Entsetzen ihrer Tante gehörte sie zu den Mädchen, denen wirklich alles stand und deren Schönheit sich mit der Kostbarkeit ihrer Roben ebenso vervielfachte wie der Charme ihrer Bewegungen.

Nun muß man den Petrouscheks zugestehen, daß sie beide Kinder mit gleicher Liebe und Sorgfalt großgezogen, keines vernachlässigt und jedem das gebotene Maß an Liebe geschenkt hatten, das für Töchter angebracht war, die pünktlich mit dem neunzehnten Lebensjahr das Haus zu verlassen hatten.

Wären die beiden Söhne gewesen ... naja, Petrouschek war ein zu liebenswürdiger Mensch, als daß er diesen Gedanken je zu Ende gedacht hätte.

Doch zurück zur Geburtstagsfeier: Nach dem Willen der Madame Petrouschek sollte diese auch geeignet sein, hoffnungsvolle Jünglinge aus besten Familien ins Haus zu holen.

Constance, das sah Belinda seufzend kommen, würde Wohl als erste in zarter Spitze vor den Altar treten. Nun ja, ihr sollte es recht sein. Constance war ja auch einige Jahre älter als ihre Kusine. Mit viel Verständnis und Rücksicht auf solche Möglichkeiten wurde die endlos scheinende Einladungsliste zusammengestellt.

Antonia

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