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Kapitel 5, Sala, 11. April 373

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Unsanft langte Markus nach hinten und klopfte Vitus munter. „Kümmere dich um die Sicherheit der Ladung auf dem Wagen. Du, Fara bringst die Pferde in den Stall dort drüben und versorgst sie mit Futter. Ferox hat sich mit fast jedem Stallmeister angelegt. Der hier kennt ihn schon. Ich besorge in der Zwischenzeit eine Schlafkammer. Wir treffen uns in der Gaststube.“ Mit den Augen gab Markus Vitus einen Wink, dass er auf Fara aufpasste.

Markus öffnete die große Holzkiste, entnahm ihr einen kleinen Kasten und einen kleinen Leinensack und verschwand in der Gaststube. Vitus klärte mit dem Hofmeister, wo die Ladung auf dem Wagen über Nacht eingeschlossen wurde. Dann schirrte er das zweite Pferd aus und ging Fara hinterher in den Stall.

Als Vitus und Fara in die Gaststube kamen, saß Markus schon an einem Tisch. Den kleinen Kasten hatte er unter die Bank gestellt. Auf dem Tisch stand eine Schüssel mit Wasser zum Händewaschen. Daneben lagen weiße Tücher zum Abtrocknen. Eine Schankmagd brachte einen Korb mit duftendem, frischem Brot. Normalerweise nahmen die Sklaven in einem hinteren Raum ihr Essen ein, aber Markus hielt Fara lieber unter Kontrolle.

Die Männer stellten den Brotkorb zwischen sich und brachen zwei Stück Brot ab. Fara saß am anderen Ende der Bank, auf der Vitus saß. Sie wartete gespannt, wie es weiterging. Die Männer schwelgten in Erinnerungen, was sie hier in dieser Taberna schon alles erlebt hatten und kümmerten sich nicht um sie. Da stand sie auf und wollte weggehen.

„Wo willst du hin?“, fragte Markus streng.

„In die Küche, Herr. Dort haben sie sicher ein Messer übrig.“

„Und dann verschwindest du und wir suchen dich in der ganzen Stadt“, sagte Markus. „Du bleibst hier. Du brauchst kein Messer.“

Bevor sich Fara wieder hinsetzte, zog sie kurz entschlossen den Brotkorb zu sich heran, nahm das Brot in beide Hände und biss herzhaft hinein. Genüsslich kauend machte sie keine Anstalten mehr, das Brot wieder herzugeben. Die Männer hatten ihr Stück aufgegessen und guckten nun ihrerseits. Mit hochgezogenen Augenbrauen schaute Vitus Markus auffordernd an.

Der schob sein Messer über den Tisch zu Fara hinüber. „Hier, schneide das Brot in Stücke.“

Auf diese Weise bekamen die Männer wieder Brot, aber von Fara zugeteilt.

„He, Wirt“, rief Markus laut.

Eilfertig kam der Wirt vom Weinfass herüber und brachte gleich je einen Krug mit Wein und Wasser mit. Der Wirt kannte Markus schon lange. Angesehene und reiche Gäste bediente er immer selbst. So ein Handelsherr musste mit ihm zufrieden sein. Der kam häufig vorbei und seine Handelstransporte mit Fuhrleuten, Unterhändlern und Wachen erst recht.

„Herr, ihr habt gerufen?“, fragte er und verbeugte sich leicht.

„Wir brauchen Puls, Fleisch, Ei, Käse und Gemüse, was du zu dieser Jahreszeit dahast“, bestellte Markus.

Der Wirt schaute hinüber zu Fara. „Für die Herrin zur Nachspeise Rosinen in Honig, Äpfel und Nüsse?“

„Die Herrin hier ist mein Pferdeknecht, Cornelius. Für die war der Puls bestellt“, antwortete Markus schmunzelnd.

„Sie hätte aber die Nachspeise nötig. Sie sieht nicht aus, als ob euer Ferox sie überhaupt wahrnimmt. Erst letzte Woche hat er die halbe Box im Stall zertrümmert. Erinnert ihr euch?“ Der Wirt schaute Fara mitleidsvoll an, so zusammengesunken, wie sie da auf der Bank saß.

„Na, dann bringe eben die Nachspeise, schon wegen der Box,“ gab Markus nach.

Kurze Zeit später setzte der Wirt die gewünschten Speisen auf den Tisch. Der Puls, der traditionelle Getreidebrei mit Kräutern, Salz, Öl und Gemüse, dampfte in einer großen Schüssel. Jeder bekam eine kleinere Schale und einen Löffel. Mit einer Kelle schaufelte der Wirt den Brei in die Schalen. Das andere Essen war auf Brettern aufgeschichtet. Die Männer langten sich mit den Fingern davon herunter und stopften es sich in den Mund. Fara nahm dafür das Messer von Markus, so wie sie es vom Fürstenhof kannte. Beim Sklavenhalter gab es in einer Schüssel irgendetwas nicht Definierbares. Aber hier und schon bei Wisgard merkte sie, wie unterschiedlich die Lebensweisen waren. Sie würde noch mehr Unbekanntes kennenlernen.

„Wieso, Herr, habt ihr keine Krieger oder Wachleute mit? Bernstein ist teuer. Auch wenn es nicht groß ist, muss man dafür eine Menge Geld oder Gold dabeihaben. Soweit ich weiß, ist Räubergesindel gar nicht so selten.“ Fara bewegte diese Frage am meisten, während alle drei von der Nachspeise naschten.

Markus und Vitus schauten sich an. Da hatte sie den wunden Punkt ihrer Reise erkannt.

„Wir hatten eine Reitergruppe von sieben Mann. Unterwegs haben wir bei der Straßenkreuzung nach Aquincum erfahren, dass einen Tag zuvor ein Handelszug von uns mit drei Pferdewagen überfallen wurde. Deshalb habe ich Flavius, meinen Freund und Centurio meiner Wachmannschaften, mit allen Reitern hinterhergeschickt. Weil wir mit leerem Wagen unterwegs sind, habe ich beschlossen, nur mit Vitus zusammen nach Carnuntum zu fahren.“

„Du bist, wie es aussieht, nicht unbekannt auf dieser Straße“, meinte Fara. „Da kann man schon Reichtum oder hohes Lösegeld erwarten.“

„Wir sind aber auch nicht ohne“, entgegnete Markus.

Fara schüttelte kaum merklich den Kopf. Gegen einen der Krieger von Vankor mit seinem Bogen hätten die beiden keine Chance. Aber sie betrieben ihr Geschäft schon lange und hatten genug Erfahrung.

„Außerdem kennen wir die Händler der ganzen Umgegend bestens. Da schließt man sich zu einem größeren Zug zusammen.“ Markus überlegte. „Morgen Nachmittag treffen wir wieder Flavius an der Kreuzung. Es ist schon spät. Am besten, wir begeben uns hoch in die Kammer zum Schlafen.“

Vollgegessen und müde folgte Fara den Männern die steile Treppe hinauf. Markus öffnete eine Tür und ging mit Vitus hinein. Unschlüssig stand Fara davor. Gab es denn keine Kammer für sie? Sie und die zwei Männer in einem Raum?

„Komm endlich rein und mach die Tür zu“, rief Markus.

Fara betrat zaghaft den Raum. Klein und dunkel war er. Nur eine Öllampe brannte. Hinten an der Wand stand ein breites Bett, auf dem mindestens zwei Personen Platz hatten. Es gab nur eine einzige große Bettdecke, die darauf ausgebreitet war. Vorn neben der Tür in der Ecke befanden sich auf einem kleinen Tisch eine Waschschüssel und darunter ein Holzbottich mit einem Deckel drauf. Markus war schon dabei sich auszuziehen.

„Ich kann auch bei Ferox schlafen, Herr“, sagte sie.

Markus Kopf zuckte herum. Sie hatte Probleme, wo er keine sah. „Wenn du Ferox eine ganze Nacht, ohne zu Mus getrampelt zu werden, überstehst, hast du großes Glück. Aber dort sind jede Menge Stallburschen, Fuhrmänner und Wachsoldaten, die keine solche feine Schlafkammer haben. Die gehen jede Nacht auf Jagd nach einsamen Prinzessinnen wie dich. Ferox zertrümmerte zuletzt seine Box, weil gegenüber eine Stute stand, die er unbedingt besuchen wollte.“

Vitus schmunzelte vor sich hin. Auch er begann sich auszuziehen.

„S-suche dir schon ein P-Plätzchen aus da“, damit wies er auf das Bett und schob Fara beiseite, so dass sie nicht bei der Waschschüssel störte. Dann zog er den Holzbottich hervor und urinierte hinein.

Schlagartig wurde Fara klar, dass sie Sklavin war und keine Rechte als Frau hatte. Ihre Bedenken würde niemand verstehen.

Nachdem Vitus gewaschen war, kippte er die Waschschüssel in den Bottich aus und goss frisches Wasser für Markus hinein. Das Gleiche spielte sich bei Markus ab, nur dass er sein Waschwasser in der Schüssel ließ.

Fara hatte sich mit hochrotem Kopf bei dieser Prozedur weggedreht. Sie hatte ein Problem. Ihr ganzes Leben lang war sie in dem Bewusstsein erzogen worden, eine Prinzessin zu sein. Fürstentöchter verstärkten durch Heirat die Stellung der Familie. Es war unbedingt erforderlich, Jungfrau zu sein, um bestmöglich verheiratet zu werden. So war es Sitte und Brauch bei allen Stämmen, die sie kannte. Sie war zwar jetzt eine Sklavin, aber die Tatsache, Jungfrau zu sein, war der Schlüssel für die Selbstachtung, die sie hatte und für ein wenig Hoffnung, die in ihr wohnte. Das würde sie niemals aufgeben.

Verzweifelt schaute sie sich um. Vor den Männern die Tunika auszuziehen, war für sie ein Problem. Sie hatte zwar diese römischen Unterkleider darunter, aber so wenig bekleidet, würde das die Lust der Männer anstacheln. Das durfte sie nicht riskieren. Außerdem schämte sie sich wegen ihrer vielen Flohbisse. An den Holzbottich wollte sie erst gar nicht denken.

Links neben dem Waschtisch entdeckte Fara einen Haken an der Wand. Aber rechts daneben gab es keinen. Da kam ihr eine Idee. Die Schnur um ihre Taille hatte sie mehrmals umschlingen können. Hoffentlich reichte die Schnur.

Markus und Vitus hatten sich auf dem Bett ausgestreckt und mit der großen Decke zugedeckt. Die Arme unter dem Kopf harrten sie der Dinge, die sich gleich abspielen würden.

Fara schaute sich um. Unter den Sachen von Vitus lag sein Gürtel mit dem Schwert und dem Messer. Mit zwei schnellen Schritten war sie bei seinen Sachen und zog das Messer aus seiner Scheide.

„Was willst du mit dem Messer?“, fragte warnend Markus.

Fara antwortete nicht. Mit einem kräftigen Schwung rammte Fara das Messer rechts von dem Tisch in den Türrahmen. Dann band sie die Gürtelschnur am Haken mit dem ersten Ende fest und das zweite am Messergriff. Über die entstandene Leine hängte sie ihr auseinander gefaltetes Sagum. Jetzt hatte sie einen Vorhang und die Männer konnten gucken, wie sie lustig waren.

„Die ist verklemmt“, raunte Markus leise zu Vitus hinüber.

„S-Sie weiß sich z-zu helfen“, antwortete der.

Nachdem Fara hinter dem Vorhang fertig war, nahm sie ihr Sagum herunter, wickelte sich darin ein, setzte sich auf den Fußboden und lehnte sich an die Wand neben der Tür. Lieber harrte sie hier aus, als zwischen den Männern zu liegen.

Eine Weile schien sie geschlafen zu haben. Verspannt und furchtbar frierend war sie aufgewacht. Sie zitterte am ganzen Leib und die Zähne schlugen aufeinander. Sie schaffte es nicht, es zu unterdrücken.

„Erst scharrst du die halbe Nacht hier herum, jetzt klapperst du noch dazu.“ Markus hatte sich auf die Ellenbogen gestützt und schaute missmutig zu Fara hinüber. Nachts wurde es bei klarem Himmel im April oft empfindlich kalt.

„Komm endlich ins Bett“, forderte er sie auf.

Fara schüttelte nur heftig mit dem Kopf. Markus verdrehte seine Augen und stieg aus dem Bett. Umständlich bückte er sich zu seinen Sachen und zog sein Messer aus dem Gürtel.

Fara verspannte sich, als sich Markus mit dem Messer zu ihr umdrehte. Dann hielt er ihr die freie Hand hin.

„Komm, steh mal auf. So geht es nicht weiter“, sagte Markus in ruhigem Ton.

Fara schüttelte wieder mit dem Kopf, den Blick auf das Messer gerichtet.

Markus wartete einen Moment. „Eine kranke Sklavin ist nur hinderlich auf einer Reise. Ich habe auch nicht so viel Geld ausgegeben, um dich jetzt mit dem Messer abzustechen.“

Zaghaft griff Fara nach Markus‘ Hand. Der zog sie hoch, so dass sie vor ihm stand. Dabei hielt er ihre Hand weiter fest und legte langsam den Griff des Messers in ihre Hand.

„Halte mal das Messer fest, aber mach keinen Unsinn damit.“ Markus nahm Faras Sagum und wickelte es um ihren Körper. Dann holte er sein Sagum, das um einiges größer war und wickelte es ebenso um Fara.

„Zusätzlich mit der Bettdecke wird es hoffentlich warm genug werden. Du wirst munter, wenn ich dich auswickeln will. Dann hast du immer noch das Messer, um dich zu verteidigen. Wenn du dich selbst auswickeln willst, dann habe ich genug Zeit zum Ausreißen, bevor du das Messer gebrauchen kannst.“ Eindringlich schaute er Fara an. In dem müden Licht der Öllampe war nicht viel zu erkennen. Dann hob er sie einfach hoch und warf sie auf das Bett.

Erst da merkte Fara, dass Vitus nicht im Bett lag. „Wo ist Vitus hin?“, fragte sie erstaunt.

„Der ist auf Jagd. Was dachtest du denn?“ Markus war schon dabei, die große Decke über Fara und sich zu werfen.

„Kommt der nicht wieder?“

„Nein. Er kommt meistens nicht wieder. Dafür bringt er morgen früh einen gefüllten Proviantkorb mit. Vitus hat in fast jeder Taberna eine Schönheit aus der Küche, die schon sehnsüchtig auf ihn wartet. Wie der das macht, weiß ich nicht. Aber dafür haben wir hier genügend Platz für uns zwei.“

Markus drehte ihr den Rücken zu und kuschelte sich ein. „Jetzt schlafe endlich und klappere nicht so laut.“

Fara lag lange völlig überrascht neben Markus und horchte auf seinen gleichmäßigen Atem. Nur langsam wurde ihr wieder warm. Obwohl sie sich vorgenommen hatte, wach zu bleiben und aufzupassen, war sie dann doch eingeschlafen.

Fara - Kampf um Villa Patria

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