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Kapitel 7, Straßenkreuzung, 12. April 373
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Sie kamen aus dem Wald heraus und fuhren in ein weites Tal hinunter. Man sah schon in der Ferne die andere Straße, die von Aquincum her in ihre Straße einmündete. Direkt an der Kreuzung standen einige Häuser weiträumig von einer hohen Mauer umgeben. Das war eine der Raststationen an der Römerstraße, falls keine Stadt oder Siedlungen in der Nähe waren.
Aus der Taberna kam ein einzelner Reiter heraus und sprengte in ihre Richtung. Markus hatte diesen Reiter erkannt und ritt ihm entgegen.
„Wir haben euch eher erwartet. Hast du etwa Pferde gekauft?“, waren die Begrüßungsworte von Flavius.
Flavius war ein stämmiger Römer, der selbstbewusst auf seinem Pferd saß. Er war einer der engsten Freunde von Markus. Flavius befehligte die Soldaten, welche die Handelsgesellschaft von Markus beschäftigte. Die Handelskarawanen mussten geschützt und Villa Patria und alle anderen Niederlassungen, wie Gutshöfe, Lager und Werkstätten bewacht werden. Flavius unterstand neben der Rekrutierung und der Ausbildung vor allem der Einsatz der Wachsoldaten.
„Nein, wir hatten einen Überfall. Aber das ist eine längere Geschichte. Die erzähle ich dir heute Abend ausführlich. Habt ihr etwas herausbekommen?“, fragte Markus zurück.
„Nein. Wir waren bis Aquincum und haben überall nach den drei Wagen gesucht. Wir hatten ja Zeit bis heute. Wie ich sehe, seid ihr alle wohlauf?“
Flavius drehte sein Pferd, um nebeneinander zu reiten.
„Wen hast du denn da auf der Ladefläche, eine neue Flamme?“, fragte Flavius.
„Ach, die kann gut mit Pferden. Vor allem mit dem hier unter mir. Kaum zu glauben. Da habe ich sie eben mitgenommen.“
Markus und Flavius waren seit der Kinderzeit befreundet und frotzelten sich gern.
Ihre Karawane kam im Hof der Taberna zum Stehen. Fara glitt von der Wagenfläche. Markus drückte ihr die Zügel von Ferox in die Hand und stieg auf den Wagen zur großen Kiste. Dort tuschelte er eine Weile mit Vitus. Ab und zu ging sein Blick zu Fara. Endlich hatte Vitus ihn überzeugt.
Gemeinsam suchten sie ihre Schlafkammer auf. Der Überfall musste neu abgestimmt werden.
Unterdessen beaufsichtigte Flavius die Arbeit von Fara und klärte mit dem Stallmeister, wo die vielen Pferde untergebracht wurden.
„Wie heißt du?“, fragte er streng.
Mit einer Verbeugung antwortete sie. „Fara, Herr.“
„Mach mir ja nicht meine Männer verrückt. Ist das klar?“, herrschte er sie an.
„Ja, Herr. Wenn sie mich in Ruhe lassen, geschieht ihnen nichts, Herr. Wenn ihr dafür sorgen wollt?“
Fara ging das nächste Pferd holen und ließ Flavius stehen. Der schüttelte den Kopf. Eine Frau als Pferdeknecht!
Als alle Pferde untergestellt und versorgt waren, ging Fara unschlüssig in die Gaststube. In der Hand hielt sie zusammengerollt die langen Zügel eines der Fuhrwerkspferde. Dort kam ihr zum Glück Vitus entgegen.
„Fara, du schläfst h-heute Nacht w-wieder bei uns. Da brauchst d-du nur zwei Männer umbringen“, murmelte er ihr schmunzelnd zu und führte sie in die Kammer.
„W-Willst du heute N-Nacht Markus fesseln?“, fragte er und zeigte auf die Zügel in ihrer Hand.
Fara schaute sich um. Keine Haken waren an den Wänden. Dafür gab es einen Stuhl.
„Gib mir dein Messer für die Leine.“ Fara schaute Vitus an. „Bitte.“
„Ein L-Leibwächter ohne M-Messer!“ Vitus schüttelte den Kopf, gab ihr aber das Messer.
„Danke.“
„W-Wasch dich und komm in die G-Gaststube zu uns zum Essen“, sagte Vitus und verließ die Schlafkammer.
Da Fara allein war, brauchte sie keine Leine zu spannen. Sie nahm sich Zeit, um sich frisch zu machen. Glücklicherweise hatte sie kein Blut an ihrer Kleidung. Auch hatte sie der Jagdtasche ihren Kamm gefunden.
Eine Zeit lang grübelte sie über diesen Tag nach. Ihr war es bei einigen Situationen und Gegebenheiten so vorgekommen, als ob etwas nicht so aussah, wie es wirken sollte. Sie wusste zu wenig. Zum Beispiel Straßenräuber, die wie Krieger in voller Bewaffnung und mit Reitpferden auftraten. Das waren keine halb verhungerten armen Teufel, die mit Speer oder Stöcken aus dem Wald heraus angriffen. Solche armen Kerle hatte sie schon einmal gesehen. Aber heute waren das zumeist kräftige, durchtrainierte Männer, wohlgenährt und im Waffenhandwerk zu Hause. Hier stimmte etwas nicht.
Wieder in der Gaststube setzte sie sich still an den Tisch neben Vitus, der Markus und Flavius gegenübersaß. Der Tisch war schon voll gedeckt mit Getränken und Essen.
Flavius schaute befremdlich zu Fara hinüber. „Wieso sitzt die nicht bei den Sklaven oder bei meinen Männern?“
Markus antwortete prompt. „Als einzelne Frau bei deinen Männern würde sie doch nur die Hälfte abkriegen. Oder hast du Angst, dass sie dir alles wegisst?“
Flavius zuckte leicht die Schultern. Markus war zwar sein Freund, aber auch Dominus der Mercatoria Salinum, der Besitzer der Handelsgesellschaft Salzfass. Wenn der Herr es so sagte, dann war es so.
Die Männer langten kräftig zu und füllten sich öfter den Becher mit verdünntem Wein. Fara aß heute mit den Fingern, wie es alle in der Gaststube taten. Nur ab und zu nahm sie ihr Messer zu Hilfe.
Während alle aßen, unterhielten sich Markus und Flavius über die Suche nach den geraubten Fuhrwerken. Flavius hatte mit seinen sechs Soldaten vergeblich die Stelle gesucht, wo der Überfall nach der Zeugenbeschreibung stattgefunden haben sollte. Das wäre ungefähr drei Meilen von hier gewesen. Dann waren sie der Straße nach Aquincum gefolgt und hatten in jeder Stadt oder Siedlung nach den drei Fuhrwerken herumgefragt. Niemand hatte etwas gesehen. Es gab auch keine Spuren, wo solche mit Salzfässern vollbeladenen Fuhrwerke von der Straße abgebogen sein könnten. Ratlos schwiegen die beiden Männer.
„Wer hat euch denn von dem Überfall berichtet, Herr?“, fragte Fara.
Finster blickte Markus zu Fara hinüber. „Das war der Wirt hier. Den kennen wir schon lange. Der hat es von Reisenden erzählt bekommen, die hierher unterwegs waren und die drei Fuhrwerke schon passiert hatten, als der Überfall losging. Sie haben sich auf ihren Pferden eiligst davongemacht.“
„Sind denn eure Fuhrwerke so leicht zu erkennen, um zu wissen, dass sie zu dir gehören?“, fragte Fara erneut.
„Hm“, machte Markus. „Die Fuhrwerke sehen aus wie bei jedem anderen. Vielleicht haben sie sich mit dem Unterhändler oder dem Fuhrmann unterhalten.“
„Ist das üblich, sich vorzustellen, wenn man zu Pferd aneinander vorbeireitet? In den zwei Tagen habe ich das nicht festgestellt. Wohin sind die Reisenden weitergeritten? Kannte der Wirt die Reisenden? Wie viele Reiter waren das?“ Fara hatte noch mehr Fragen.
„Was kümmert es dich? Halte den Mund, wenn sich der Herr unterhält.“ Flavius fühlte sich berufen, die Sklavin in die Schranken zu weisen.
Markus hob beschwichtigend die Hand. „Kannst du ihr etwa die Fragen beantworten? Was wissen wir überhaupt?“ Er drehte sich um. „He, Wirt!“, rief er laut und winkte ihn heran.
„Sag mal, vorige Woche, die Sache mit dem Überfall auf meine drei Wagen. Das haben dir doch Reisende erzählt. Kanntest du die?“, fragte Markus den Wirt.
„Nein, Herr. Die waren zum ersten Mal bei mir. Ich merke mir alle Gesichter, vor allem Zechpreller.“
„Haben noch andere Reisende oder Fuhrwerksleute von dem Überfall hier berichtet? So etwas spricht sich doch schnell herum. Außerdem wird die Straße nach Aquincum häufig benutzt“, fragte Markus weiter.
„Nein, Herr. Das waren die Einzigen, wenn ich mich recht erinnere. Ihr wart ja dann gleich am nächsten Abend hier und habt Herrn Flavius losgeschickt.“ Der Wirt knetete seine Schürze. So eine genaue Befragung war von seinem Gast sonst nicht üblich.
„Wie viele Reiter waren die Reisenden? Wohin sind sie von hier geritten?“, fragte Markus weiter.
„Ich weiß es nicht mehr, Herr. Möglich, dass es zwei oder drei waren, bestimmt nicht mehr. In welche Richtung sie geritten sind, kann ich nicht sagen. Ich habe mit ihnen hier in der Gaststube gesprochen.“ Auf der Stirn des Wirtes bildeten sich Schweißperlen.
Markus blickte kurz fragend zu Fara hinüber. Die schüttelte kaum merklich den Kopf.
„Dann bringe uns den Nachtisch“, sagte Markus und winkte mit der Hand als Zeichen, dass er den Wirt nicht mehr brauchte.
Jeder hing seinen Gedanken nach. Es gab recht wenig Informationen.
Fara fragte vorsichtig. „Sind euch auf der Fahrt von Villa Patria hierher solche Reisenden begegnet?“
Markus schaute Flavius an. Der hob die Schultern. Vitus schüttelte den Kopf.
„Aber ihr wisst genau, Herr, dass eure drei Fuhrwerke erst einen Tag vor euch aufgebrochen waren? Wieso seid ihr nicht gemeinsam aufgebrochen? Was ist schon ein Tag bei den langen Strecken?“, überlegte Fara laut.
„Bei den Göttern, was bist du für ein Plagegeist!“, stöhnte Flavius.
„Wo s-sie Recht hat, h-hat sie Recht“, sagt Vitus beschwichtigend und zum zweiten Mal heute.
Markus überlegte, ob er ihr überhaupt mehr erzählen sollte. „Die Salztransporte organisiert Lucius, mein Prokurator, der zweite Dominus unserer Handelsgesellschaft. Er diente schon viele Jahre bei meinem Vater. Flavius, ist dir bewusst, ob vor uns ein Salzzug in Richtung Aquincum gestartet ist?“
Flavius überlegte. „Nein. Da kommen doch laufend Fuhrwerke herein und fahren hinaus.“
Fara wunderte sich. „Wer teilt denn die Fuhrleute und den Unterhändler ein? Gibt es keine Krieger für die Bewachung? Wer teilt diese ein und wer ist deren Anführer? Die Namen müssten doch bekannt sein?“ Erwartungsvoll schaute sie in die Runde.
Flavius lief dunkelrot an. Ihm unterstand die Festlegung der Bewachung für die Handelstransporte. Markus sah ihn mit hochgezogenen Augenbrauen fragend an.
Flavius antwortete ausweichend. „Es wurde keine Salzlieferung erwartet, weder in Aquincum bei unserem Handelspartner noch im Legionslager.“
Markus wusste genau, was Fara jetzt durch den Kopf ging. Er brauchte sie dazu nicht anzusehen. Sie wussten nicht einmal, ob der Salzzug existiert hatte!
Fara aber überlegte rückwärts. Wenn man einen Überfall auf Markus plant, dann war die Wachmannschaft im Weg. Aber das behielt sie für sich. Dafür gab es keine Beweise.
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In ihre Schlafkammer gingen nur Markus und Fara. Vitus war wieder Proviant beschaffen.
Markus zog sich aus. „Wie viele Messer brauchst du heute?“
„Du hast reichlich Wein getrunken, Herr“, stellte sie fest.
„Ich bin doch nicht lebensmüde, Prinzessin Furie!“ Markus warf sich müde auf das Bett.
„Nicht eingewickelt, brauche ich in jeder Hand ein Messer und eins zwischen den Zähnen.“ Wenn schon Furie, dann richtig.
Markus verdrehte nur die Augen, während sie zwei Messer in die Balken rammte und die mitgebrachten langen Zügel für ihren Vorhang zog.
Als sie ins Bett kroch unter die gemeinsame Decke, hatte sie aber wieder ein Messer dabei.
Lange schliefen beide nicht ein. Die Begleitumstände des Überfalls waren undurchsichtig.
„Markus?“
„Hm?“
„Was habt ihr Flavius von dem Überfall heute erzählt? Welche Rolle habe ich dabei gespielt? Ich meine nur, damit ich nichts Falsches erzähle“, flüsterte Fara.
„Du hast gerade Ferox einspannen wollen. Als es losging bist du vor Angst auf dem Gaul abgehauen. Als es vorbei war, bist du wiedergekommen, weil du als Pferdedieb nicht hängen wolltest.“
„Gut“, flüsterte sie wieder, „und danke.“
„Beim Mars persönlich. Verstehe einer diese Furie. Ich muss dir danken!“